Hamburg. Unter dem Bett von Regisseur Urlich Waller liegt im Moment ein Buch des Autors Bernhard Vesper mit dem Titel „Die Reise“.

Einen richtigen Nachttisch habe ich gar nicht, also auch nichts, auf dem sich etwas stapeln könnte. Meine Lektüre landet also immer unter dem Bett. Und da liegt im Moment ein Buch von Bernhard Vesper, das ich gerade wieder lese: „Die Reise“.

Wer ‘68 verstehen will, muss sich dieses Buch, das erst nach Vespers Freitod veröffentlicht wurde, vornehmen. Vesper, Sohn eines Nazi-Schriftstellers und zeitweiliger Lebensgefährte von Gudrun Ensslin, beschreibt darin sehr subjektiv die Gedanken, Sehnsüchte, Ängste seiner Generation und das Aufbegehren gegen das Schweigen über Auschwitz und den Krieg in Vietnam. Viele Protagonisten der Bewegung werden von ihm portraitiert. Man geht mit den jungen Revolutionären auf Reisen und erfährt zum Beispiel, was für eine Faszination Italien auf sie hatte, weil doch hier die Revolution, von der sie alle träumten, möglich schien.

We eine Mafia-Geschichte

Das wird sicher eine der Inspirationsquellen für den letzten Teil meiner Trilogie deutsch-italienischer Geschichte von 1940 bis heute, gespielt von Protagonisten und Laien aus beiden Ländern auf einem kleinen Dorfplatz in der ­Toskana.

Und dann liegt unter meinem Bett die Partitur der ersten Oper, die ich gerade inszeniere: „La divisione del mondo“. Notenlesen musste ich auch erst wieder lernen. Geschrieben von zwei Venezianern, dem Komponisten Giovanni Legrenzi und seinem Librettisten Giulio Cesare Corradi und vor fast 20 Jahren wiederentdeckt von Thomas Hengelbrock in einer Bibliothek in Bologna. Eigentlich spielt „Die Aufteilung der Welt“ im griechischen Götterhimmel, aber sie kommt daher wie eine Mafia-Geschichte von heute, wie eine große Familiensaga mit all den Themen, die dazugehören: Liebe, Macht und Eifersucht. Faszinierend modern und zu sehen ab dem 9. Juni in Kiel.