Hamburg/Malmö. Auf seiner ersten Auslandsreise als Hamburgs Erster Bürgermeister präsentierte sich der Sozialdemokrat zurückhaltend.

Am Dienstagmorgen begrüßten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und sein rot-grüner Senat im Rathaus die schleswig-holsteinischen Amtskollegen der Jamaika-Koalition mit Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) zu einer routinemäßigen gemeinsamen Kabinettssitzung. Bis auf die Hamburgerin Karin Prien (CDU), Kultusministerin in Kiel, war die Regierung vollzählig angereist. So sah Tschentscher auch jene Minister wieder, die er erst wenige Stunden zuvor im südschwedischen Malmö während seiner ersten Auslandsreise als Bürgermeister getroffen hatte. Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) zum Beispiel, der zur Eröffnung der Fehmarnbelt Days ebenfalls nach Schonen gekommen war.

Bei der Kabinettssitzung im Rathaus ging es denn auch nicht nur um eine engere Kooperation der beiden Nordländer Hamburg und Schleswig-Holstein, sondern auch um ein Zusammenwachsen der Metropolregionen Hamburg (die auch die Hälfte Schleswig-Holsteins umfasst) sowie Großkopenhagen und Malmö. Dem seit Jahren geplanten Straßen- und Eisenbahntunnel unter dem Fehmarnbelt – geschätzte Kosten: sieben Milliarden Euro – kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.

Bürgermeister reiste mit kleiner Delegation

Apropos Buchholz: Der Ex-Gruner + Jahr-Vorstandschef war mit einer 80-köpfigen Entourage aus Schleswig-Holstein nach Malmö gekommen, wie er erzählte, darunter viele Bürgermeister, Landräte und Wirtschaftsvertreter. Tschentschers Schweden-Delegation fiel dagegen mit gerade einmal sieben Teilnehmern und vier Journalisten doch recht bescheiden aus. Es ist wahrscheinlich nicht nur, aber doch eben auch eine Frage des politischen Temperaments und Stils, wie und mit wem Politiker reisen. Es gibt den Typus des Amts- oder Mandatsträgers, der eigentlich immer mit großer Bugwelle unterwegs ist, um andere von der eigenen Bedeutung zu überzeugen. Der Bürgermeister gehört, das lässt sich nach dem Kurztrip an den Øresund schon feststellen, einer anderen Kategorie an.

Tschentschers Premiere im neuen Amt auf dem internationalen Parkett war ein eher leiser, fast vorsichtiger, ja bedächtiger Auftritt. Er hört zu, nimmt Anregungen interessiert auf, ist informiert und diskutiert mit Engagement Thesen und Argumente. Vorschnelle Urteile sind dabei nicht die Sache des habilitierten Arztes. Ein wenig fühlt sich der Beobachter an den Tschen­tscher-Satz aus dem Abendblatt-Interview unmittelbar nach seiner Wahl erinnert: „Die ärztliche Tugend lautet: zunächst untersuchen, dann einen Befund erheben und die Diagnose stellen. Erst zum Schluss wird die Therapie festgelegt. Das halte ich für übertragbar auf die Politik“, hatte der Sozialdemokrat gesagt. Kein Mann also der lauten Töne, schon gar nicht um eines kurzfristigen Effektes willen.

Zurückhaltende Einstellung

Mit dieser zurückhaltenden Einstellung ist es schon möglich, dass Tschentscher bei großen Konferenzen mit mehreren Hundert Teilnehmern und bei Empfängen etwas untergeht. Es ist bei aller Wertschätzung der wichtigen Kontakte zu den nördlichen Nachbarn Hamburgs wahrscheinlich eher ein Zufall, dass auch die erste Auslandsreise von Olaf Scholz als Bürgermeister 2011 an den Øresund, nach Kopenhagen, führte. Ein paar Unterschiede fallen zwischen den Touren der beiden Regierungschefs sofort auf. Scholz kam mit einer 15-köpfigen Delegation in die dänische Hauptstadt, und er hatte – anders als Tschentscher – Wirtschaftsvertreter wie zum Beispiel Jens Meier dabei, den Chef der Hamburg Port Authority (HPA).

Sehr gezielt machte Scholz bei großen Konzernen Lobbyarbeit für Hamburg. So traf er sich mit dem damaligen Vizepräsidenten der Mærsk-Reederei, Anders Würtzen. Scholz wollte um Vertrauen in den Hafenstandort Hamburg werben. „Die haben schon häufig gehört, dass die Elbvertiefung bald abgeschlossen ist. Aber der Glaube daran ist jetzt gewachsen“, sagte Scholz sehr selbstbewusst nach dem Gespräch. Das war 2011 – so kann man sich irren. Die Elbe ist nach wie vor nicht ausgebaggert. Jørgen Buhl Rasmussen, dem Präsidenten der Carlsberg-Brauerei, der auch die Marken Holsten und Astra gehören, rang Scholz ein Bekenntnis zum Standort Hamburg ab.

Scholz’ erste Reise führte auch in den Norden

Tschentscher beließ es bei seinen offiziellen Terminen dagegen bei Begegnungen mit Politikern wie seinen Amtskollegen Katrin Stjernfeldt Jammeh (Malmö) und Frank Jensen (Kopenhagen). „Die Regionen um Kopenhagen und Malmö sind sehr interessiert, die Metropolregion Hamburg mit einer festen Fehmarnbelt-Querung in ihre gemeinsame Entwicklung einzubeziehen. Gute persönliche Kontakte und konkrete Kooperationsprojekte sind hierfür wichtige Voraussetzungen“, lautet Tschentschers Reisefazit.

Dass der Fortschritt auch in der Politik eine Schnecke ist, zeigt sich übrigens nicht nur beim leidigen Thema Elbvertiefung. Scholz hatte 2011 die Zustimmung des Senats zum Fehrmarnbelt-Tunnel im Gepäck – der schwarz-grüne Vorgänger hatte sich auf Drängen der Grünen noch nicht festgelegt. Scholz und der Kopenhagener Bürgermeister Jensen gingen damals von einer Inbetriebnahme des großen Infrastrukturprojekts im Jahr 2020 aus. Jetzt sprechen Optimisten von 2028.

Tschentscher ist ausschließlich Bürgermeister

Ein weiterer Unterschied fällt auf: Scholz wurde schon damals auch als wichtiger Bundespolitiker mit Perspektive wahrgenommen. Er ist seit 2009 stellvertretender Vorsitzender der SPD, was manche Türen im Ausland öffnete. So traf sich Scholz am Rande seines Kopenhagen-Trips mit Helle Thorning-Schmidt, einer aufstrebenden Sozialdemokratin, die wenig später dänische Ministerpräsidentin wurde. Tschentscher ist nicht in mehreren Funktionen unterwegs, sondern zunächst einmal ausschließlich als Bürgermeister. So wenig sich sein politischer Stil wenige Wochen nach Amtsantritt abschließend beurteilen lässt, so wenig ist vorhersehbar, wie sich sein politisches Gewicht entwickeln wird.

Ein Amt auf Bundesebene hat Tschentscher allerdings von seinem Vorgänger übernommen: Er ist Bevollmächtigter der Bundesregierung für deutsch-französische kulturelle Angelegenheiten. In dieser Eigenschaft empfängt der Bürgermeister am Montag den französischen Bildungsminister Michel Blanquer zu einer deutsch-französischen Konferenz im Rathaus.