Hamburg. G20: Neun Objekte in Italien, Frankreich, Spanien und der Schweiz durchsucht. Sieben Verdächtige im Visier – einer saß im Wohnmobil.
Die Polizei ist den gefährlichsten Krawallmachern des G-20-Gipfels erstmals dicht auf der Spur: Die Soko „Schwarzer Block“ hat mithilfe von örtlichen Beamten und der EU-Justizbehörde am Dienstag eine große Razzia in vier europäischen Ländern durchgeführt. Ab sechs Uhr stürmten Polizisten neun Objekte in Italien, Spanien, Frankreich und der Schweiz. „Wir haben umfangreiches Beweismaterial gesichert“, sagte Soko-Chef Jan Hieber. Innensenator Andy Grote (SPD) sprach von einem „wichtigen ersten Schritt“, auch die schwersten Vorfälle während des G-20-Gipfels aufzuklären.
In drei der vier Länder ging es dabei um den schwarzen Mob von der Elbchaussee am Morgen des 7. Juli 2017, dessen Mitglieder bislang unbekannt waren. Zunächst wurde etwa die Wohnung eines 27 Jahre alten Verdächtigen im schweizerischen Bremgarten in der Nähe von Zürich durchsucht.
G20-Randale: Verdächtiger saß im Wohnmobil
Es soll sich um ein Mitglied der Anarchistenszene handeln. Anschließend wurde offenbar auch ein alternatives Kulturzentrum sowie ein Wohnmobil durchsucht, wo die Beamten den Verdächtigen selbst antrafen. Er wurde vorübergehend in Gewahrsam genommen.
Obwohl es bei der Razzia zunächst keine Festnahmen gab, geht die Polizei von einem dringenden Tatverdacht in Zusammenhang mit dem Elbchaussee-Mob aus. Allen 220 Vermummten wird gemeinschaftlich begangene Brandstiftung in Tateinheit mit schwerem Landfriedensbruch vorgeworfen. Insgesamt liegen der Razzia die Ermittlungen gegen sieben verdächtige Männer im Alter von 22 bis 32 Jahren zugrunde.
In Frankreich wird nach Polizeiangaben noch nach einem mutmaßlichen Täter gesucht, für den die Hamburger Staatsanwaltschaft einen EU-weiten Haftbefehl erwirkt hat. In Italien wurden in Rom und Genua jeweils die Wohnungen zweier Männer durchsucht – einer von ihnen war bereits wegen eines Angriffs auf Polizeibeamte im Schanzenviertel zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden.
Soko Schwarzer Block: Brisante Unterlagen gefunden
Die Polizei war den Randalierern durch Videoaufnahmen und Zeugenhinweisen aus der bisherigen Öffentlichkeitsfahndung auf die Spur gekommen. Der Soko-Chef Jan Hieber deutete an, dass bei den Durchsuchungen nun auch Unterlagen gefunden wurden, die direkt mit dem Geschehen auf der Elbchaussee zusammenhängen. Außerdem wurden Laptops, Festplatten, Handys, „Vermummungsgegenstände“ und Bekleidung festgestellt.
Innerhalb von 19 Minuten hatte der paramilitärisch vorgehende Mob am 7. Juli 2017 unter anderem 19 Autos abgebrannt und insgesamt 1,5 Millionen Euro an Sachschaden angerichtet. „Es hätte Tote geben können“, sagte Hieber zuletzt zu den Taten.
Leitartikel: Der Staat schlägt zurück
Drei Durchsuchungen in Spanien am Dienstagmorgen richteten sich gegen sieben mutmaßliche Randalierer, die an den schweren Krawallen am Abend des 7. Juli im Schanzenviertel beteiligt gewesen sein sollen. „Eine Gruppe hat dort gemeinschaftlich Taten begangen“, sagte Hieber. Direkt nach dem G-20-Gipfel hatten Fernsehteams bereits einzelne Gruppen von spanischen Linksextremen ausgemacht, die sich mit Taten während der Krawalle brüsteten.
Polizei ordnet Fotos weiteren Elbchaussee-Verdächtigen zu
Bei einer Pressekonferenz im Präsidium präsentierte die Polizei auch erneut fünf zur Fotofahndung ausgeschriebene Verdächtige – vier Männer und eine Frau. Über drei der noch unbekannten Täter, deren Bilder bereits im Dezember veröffentlich wurden, sagte Hieber: „Wir gehen davon aus, dass sie aus der Schweiz oder Frankreich kommen.“
Einem Mann mit Rastalocken und einem weiteren Mann auf den Bildern kann die Soko demnach konkrete Straftaten nachweisen. Der gesuchten Frau wird die Beteiligung an dem „Schwarzen Mob“ vorgeworfen, wie Hieber die Täter nannte, die an der Elbchaussee Autos ansteckten und Scheiben einschlugen. Ihr wird schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen, weil es „besondere Tatumstände“ gab, bei denen arbeitsteilig vorgegangen sei.
Die Täter tarnten sich
Die Bilder der beiden anderen Männer wurden im Rahmen der aktuellen Fahndung veröffentlicht. „Sie waren bislang keinem Tatkomplex zugeordnet“, so Hieber. Jetzt gab er bekannt, dass beide ebenfalls zu den Tätern von der Elbchaussee gehören sollen. Darunter ist auch ein Mann, der zunächst mit blauem T-Shirt auf Videobildern festgehalten wurde – nach den verheerenden Taten trug er auf einer weiteren Aufnahme plötzlich eine rote Jacke. Diese soll er auf der Flucht in einer Filiale des Discounters Lidl gestohlen haben, um sich zu tarnen, sagte Hieber.
„Ihm können wir nicht nur Straftaten an der Elbchaussee, sondern auch Flaschenwürfe im Bereich Seewartenstraße zuordnen“, so der Soko-Chef.
Vor zwei Wochen war die Soko mit Fotos von 101 Tatverdächtigen rund um die G-20-Krawalle an die Öffentlichkeit gegangen. Bereits seit Dezember wurde auf dieselbe Weise nach 107 Personen gesucht. In der Soko arbeiten mehr als 100 Beamte an der Aufklärung der Randale. Es wurden 3200 Verfahren eröffnet, gegen mehr als 700 Personen wird namentlich ermittelt.