Die Großrazzia gegen G-20-Randalierer bedeutet mehr als einen Fahndungserfolg

Es ist gerade zwölf Tage her, da saßen sie mit finsterer Miene im Rathaus: Innensenator und Polizeipräsident sprachen von einer „kriminellen Kommandoaktion“, von „furchtbarer Ohnmacht“ und davon, „düpiert“ worden zu sein. Im G-20-Sonderausschuss waren erstmals alle Details des Mobs auf der Elbchaussee ausgebreitet worden. Danach sagten selbst Oppositionelle, sie hätten aus Mitleid noch auf zu kritische Nachfragen verzichtet.

Der Wind scheint sich seit dem gestrigen Morgen zu drehen. Mit der Razzia in vier europäischen Ländern ist der Soko „Schwarzer Block“ nicht nur ein erster Schritt gelungen, den Betroffenen späte Gerechtigkeit widerfahren zu lassen – das Inferno in ihren Nachbarschaften hatte Erwachsene langfristig arbeitsunfähig und Kinder therapiebedürftig gemacht. Der Zugriff setzt auch ein Signal. Er könnte eine Zäsur bedeuten, für den Staat wie seine Gegner.

Der Autor ist Redakteur der Lokalredaktion des Abendblatts
Der Autor ist Redakteur der Lokalredaktion des Abendblatts © HA | Klaus Bodig

Denn erstmals stößt die Polizei offenbar tiefer in die Strukturen derjenigen vor, die für die schrecklichsten Szenen jener Tage verantwortlich sind. Es hat lange, fast ein Jahr, bis zu diesem Punkt gedauert. Zwar wird der
G-20-Gipfel in Polizeikreisen weiterhin insgesamt als Erfolg gesehen, schließlich blieben alle Staatsgäste unverletzt – aber der Führung war auch bewusst, dass es der Öffentlichkeit nicht reichen würde, eher mitlaufende Flaschenwerfer in großer Zahl zu überführen. Mehr noch: Es wäre nach dem Gipfel selbst der zweite schwere Schlag gegen das Vertrauen der Bürger in die öffentliche Sicherheit gewesen.

Dass offenbar konkrete Beweise gegen die hoch organisierten Täter gesammelt und die juristischen Hürden für die Auslandsrazzien übersprungen werden konnten, ist Nachweis ordentlicher Polizeiarbeit – auch wenn weiterhin nur ein Bruchteil der Hunderten Randalierer in Altona und im Schanzenviertel überführt sind. Die Polizei bleibt unter Zugzwang. Dass der schwarze Mob ein Gesicht bekommt, muss aber auch in der linken Szene Folgen haben.

Denn bislang wurde dort gern über die schlimmsten Randalierer so gesprochen, als hätten die Täter überhaupt keine Beziehungen zu anderen Gruppen; nicht einmal linksextremistisch wurden sie dort genannt. Diese Lesart war schon deshalb tollkühn, da eine paramilitärische Aktion wie an der Elbchaussee ohne ortskundige Hilfe kaum denkbar ist.

Je mehr nun aber die Kontakte und politischen Hintergründe der Täter zutage treten, desto weniger kann sich auch die Szene vor ihrem Teil der Verantwortung ducken – und dies sogar unabhängig davon, ob bestimmte Gruppen die Täter bewusst nach Hamburg einluden oder das bei der Mobilisierung nur in Kauf nahmen. Die selbstkritische Aufarbeitung, die etwa die Linken-Abgeordnete Christiane Schneider angestoßen hat, droht schon wieder halb im Empörungseifer über Öffentlichkeitsfahndung und Razzien bei mutmaßlichen Tätern zu ersticken.

Auf der anderen Seite wäre es ein Fehler der Polizei, sich zu sehr im Fortschritt der Ermittlungen zu sonnen. Mit bedenklicher Kaltschnäuzigkeit hat die Führung zuletzt den Verdacht beiseitegewischt, dass sich verdeckte Polizeibeamte im Schwarzen Block vermummt und zur Eskalation beigetragen haben könnten – und weigert sich, weitere Fakten herauszugeben. Dabei ist Aufklärung in alle Richtungen für die Polizei der einzige Weg, um nicht nur wieder stark zu wirken, sondern auch Vertrauen zurückzugewinnen.