Hamburg. Waters zeigt in der Barclaycard Arena eine Polit-Show voller Effekte – und rechnet mit US-Präsident Donald Trump ab.

Das Möwengeschrei ist vertraut. Doch es kommt nicht von Seevögeln, die über der Elbe nach Nahrung suchen, sondern aus der riesigen Soundanlage in der Barclaycard Arena. Auf einer Projektionsfläche im Hintergrund der Bühne sitzt eine einsame Figur mit dem Rücken zum Publikum und schaut minutenlang aufs Meer. Als Roger Waters, wie üblich in ein schwarzes T-Shirt und schwarze Jeans gekleidet, beginnt der Abend mit „Breathe“ vom Album „The Dark Side Of The Moon“.

„Us & Them“ heißt die Tournee, mit der Waters zurzeit in Deutschland unterwegs ist, auch das ein Lied aus dem berühmten Album mit dem Prisma-Dreieck auf dem Cover. Das Konzeptalbum steht im Mittelpunkt der Show. Obwohl bereits mehr als 40 Jahre alt, haben diese Kompositionen nichts von ihrer Relevanz verloren. Doch Waters begnügt sich nicht damit, diese Stücke nur zu spielen. Sie sind eingebettet in eine spektakuläre Videoshow. Mit den Projektionen und den Audioeffekten gleicht der Abend mehr einer monumentalen Installation als einem Konzert.

Ein Kinderchor aus Harburg singt den berühmten Refrain

Beifall brandet auf, als das Publikum in der fast ausverkauften Arena „One Of These Days“ mit dem eingängigen Bass-Intro erkennt. Jonathan Wilson spielt das Gitarrensolo des Songs von „Meddle“ mit der gleicher Präzision und Schärfe wie früher David Gilmour. Mit einem Donnerschlag und dunklen Wolken endet die Nummer, und auf der Leinwand rasen Hunderte Wecker auf das Auditorium zu. „Time“, ebenfalls einer der Hits von „Dark Side ...“ folgt als Nächstes. Waters’ aktuelle Show ist auch eine böse Abrechnung mit US-Präsident Donald Trump. Waters verachtet den Präsidenten und bekämpft ihn mit allen Mitteln.

Mit seinen 74 Jahren ist er immer noch der zornige Mann. In den Songs seines Albums „Is This The Life We Really Want?“ macht er seine Haltung klar. „The Last Refugee“ ist ein trauriger und subtiler Song über Flüchtlinge und was das Meer von ihnen übrig lässt. In dem darauf folgenden „Picture That“ erwähnt er Guantánamo, das Gefangenenlager der USA auf Kuba, er prangert Gericht an, in denen kein Recht gesprochen wird, und singt über einen Führer ohne Verstand. Gemeint ist Waters’ Lieblingsfeind Donald Trump, ohne dass er ihn beim Namen nennt.

Nach den neuen Songs geht es wieder zurück in der Bandgeschichte von Pink Floyd. „Wish You Were Here“ und zwei Songs aus Waters’ autobiografischer Rockoper „The Wall“ folgen noch vor der Pause. Natürlich ist auch „Another Brick In The Wall“ dabei, jenes berühmte Lied, in dem ein Kinderchor die Zeilen „We don’t need no education, we don’t need no thought con­trol“ singt. Auch dieser Song hat in den Zeiten von Fake News nichts von seiner Aktualität verloren. Ein Kinderchor aus Harburg singt den Refrain.

Champagnerparty zwischen Schweinsmasken

Die zwölf Jungen und Mädchen tragen Overalls in Orange, wie sie in amerikanischen Gefängnissen üblich sind. Am Ende des Songs reißen sie sich die Anzüge vom Leib und zeigen T-Shirts auf denen das Wort „Resist“ steht. In der Pause bleibt der rote Schriftzug auf der Leinwand stehen. „Widersetzt euch Mark Zuckerberg“ leuchtet genauso auf wie „Propaganda“, „Neo-Faschismus“ und „Krieg gegen Iran“. Als Waters und seine Band nach der Pause den Song „Pigs“ zu heulenden Sirenen und ohrenbetäubendem Hubschraubergeknatter spielen, wird die Fassade des Battersea Kraftwerks mit seinen vier Schornsteinen inmitten der Halle hochgefahren. Später dient sie als riesige Projektionsfläche.

Die Musiker feiern inzwischen mit Schweinsmasken eine Champagnerparty und halten Schilder hoch, auf denen steht: „Pigs rule the World“ und „Fuck The Pigs“. Donald Trump bekommt natürlich auch noch sein Fett weg: der Präsident im Golfwagen, als Prostituierte räkelnd, mit Ku-Klux-Klan-Mütze, mit Hitlergruß und nackt mit einem sehr kleinen Penis. Wenig subtil, aber das ist Waters egal. Am Ende wird er für die Nummer vom Publikum gefeiert.

Bilder und Musik mit umwerfender Wirkung

Höhepunkt des Abends ist die Nummer „Us & Them“ mit den dazu laufenden Videos, die in wenigen Minuten die Problemfelder und Konfliktherde der Welt zusammenfassen: Demos gegen Rassismus in den USA, die Grenzzäune in Israel und an der Grenze zu Mexiko, Armut, Plastikmüll, Bombardierungen von Wohngebieten.

Die Bilder und die Musik haben eine geradezu umwerfende Wirkung. Gebannt verfolgt man diesen Bilderreigen des Entsetzens. Komfortsessel sind die Stühle in der Barclaycard Arena an diesem Abend nicht.