Hamburg. SPD-Parteifreunde und Rechtsexperten üben Kritik an der Durchsuchung eines Mitarbeiter-PCs. Datenschutzbeauftragter prüft Fall.
Die Ausspähung und Durchsuchung eines Mitarbeiter-PCs in der Gesundheitsbehörde hat vermutlich mehrere juristische und politische Nachspiele. In dieser Woche will der betroffene Mitarbeiter Axel Hopfmann entscheiden, ob er gegen die aus der Durchsuchung seines Rechners resultierende Abmahnung rechtlich vorgeht. Parallel prüft auch der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar den Fall. Mittlerweile gibt es zudem scharfe Kritik am ungewöhnlichen Vorgehen der Behörde von Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) nicht nur von der Gewerkschaft Ver.di und der Linkspartei – sondern auch aus der SPD und von unabhängigen Arbeitsrechtlern. Zudem wird der Gesundheitsausschuss sich mit der Ausspähung des Mitarbeiters befassen, der auch im Personalrat aktiv ist.
Hintergrund: Wie das Abendblatt kürzlich exklusiv berichtete, hatte die Behördenleitung den Rechner, Dokumente und Mailverkehr des Mitarbeiters Axel Hopfmann durchsuchen lassen. Hopfmann, der sich privat für die aktuelle Volksinitiative für eine bessere Pflege in Hamburger Kliniken (siehe weiteren Text unten) engagiert, soll den Dienstrechner während der Arbeitszeit über das zugelassene Maß hinaus privat genutzt haben – für die Organisation und Unterstützung der Volksinitiative. In einer nach Paragraf 94 des Personalvertretungsgesetzes zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften abgeschlossenen Vereinbarung sind „gelegentliche Nutzungen für private Zwecke ... zugelassen, sofern dadurch dienstliche Belange nicht verletzt werden“.
Komplettüberwachung stößt auf Kritik
Bei Verdacht von Dienstvergehen oder der Verletzung von Arbeitspflichten ist „ausnahmsweise ... die Auswertung von gespeicherten Verbindungs- bzw. Nutzungsdaten ... zulässig“. Tatsächlich wurde der Inhalt privater Mails des Mitarbeiters gelesen, wie sich aus der Abmahnung ergibt, die dieser kürzlich erhielt – mit Zitaten aus privaten Mails als Beleg für Verstöße. Darin werden zudem über mehrere Monate alle privaten Mails aufgezählt, die Hopfmann an die Volksinitiative schickte oder von ihr erhielt.
Diese Komplettüberwachung stößt auch bei einflussreichen Parteifreunden der SPD-Gesundheitssenatorin auf massive Kritik. Es könne nicht sein, dass die Behördenleitung private Mails von Mitarbeitern lese, die sich politisch engagierten – weil ihr dieses Engagement politisch nicht passe. Schließlich seien viele Behördenmitarbeiter politisch aktiv, so ein Genosse zum Abendblatt. „Der Zugriff war völlig unverhältnismäßig“, sagt ein anderer SPD-Amts- und Mandatsträger. „Auch eine Behörde muss die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter beachten. Denn das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gilt auch in Behörden und wird nicht an der Bürotür abgegeben. Wenn private Kommunikation von politisch aktiven Mitarbeitern durchgelesen wird, dann betrifft das alle.“
Der Hamburger Arbeitsrechtler Jens Peter Hjort spricht von einem „eklatanten Verstoß gegen die Datenschutzgesetze“. Da der Arbeitgeber eine private Nutzung zugelassen habe, werde er zum Telekommunikationsanbieter, und es gelte für ihn das Telekommunikationsgesetz. „Danach darf er nicht auf private Inhalte zugreifen – schon gar nicht gezielt“, so Hjort. „Eine Einsichtnahme in sämtliche Inhalte käme vielleicht infrage, wenn es klare Hinweise darauf gäbe, dass jemand Kinderpornografie herunterlädt oder im Darknet Waffen bestellt – aber sicher nicht, weil ein Vorgesetzter einen vagen Verdacht hat, ein Mitarbeiter könne den Arbeitsrechner etwas zu lange privat genutzt haben. Die Behördenleitung hat das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder wie es das Bundesverfassungsgericht formuliert, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Mitarbeiters verletzt.“ Verschärfend hinzu komme, dass der Mitarbeiter Personalratsmitglied sei. „Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat nicht einmal der Datenschutzbeauftragte des Unternehmens oder der Behörde das Recht, Einsicht in die Kommunikation von Betriebs- oder Personalräten zu nehmen“, so Hjort. Das sei so, also höre man eine Sprechstunde des Betriebsrats ab.
Die Linke will die Senatorin im Ausschuss befragen
Die Gesundheitsbehörde wollte sich nicht weiter zu dem Fall äußern. Sprecher Rico Schmidt hatte bereits betont, dass das Vorgehen aus Sicht der Behördenleitung rechtlich in Ordnung sei. Der Datenschutzbeauftragte prüft den bereits Anfang März gemeldeten Fall derzeit noch. Die Behörde habe die Fragen dazu Ende April beantwortet, heißt es. Entscheidend sei letztlich, ob ein „hinreichender Anlass für die Einsichtnahme bestand“. Die Linke will Prüfer-Storcks bei der Anhörung der Pflege-Initiative im Gesundheitsausschuss am 7. Juni zu dem Fall befragen – auch weil der Senat eine Kleine Anfrage des Linken-Gesundheitspolitikers Deniz Celik jetzt nur pauschal und zum Teil gar nicht beantwortet hat. So hatte Celik wissen wollen, ob die Senatorin selbst der Durchsuchung zugestimmt habe, darauf aber keine Antwort bekommen.
„Die pauschale Beantwortung der Anfrage ohne auf den konkreten Sachverhalt einzugehen, zeigt den mangelnden Aufklärungswillen des Senats“, so Celik. „Es besteht weiterhin der Verdacht, dass ein Mitarbeiter aufgrund seines Engagements im Bündnis gegen den Pflegenotstand drangsaliert wird.“ Ver.di-Fachbereichsleiterin Sieglind Frieß warf der Behördenleitung vor, sie erzeuge ein „Klima der Angst und Verunsicherung, welches auch staatsbürgerschaftliches Engagement erschweren könnte und die erforderliche Anerkennung und Wertschätzung missen lässt“. Ver.di werde „alles politisch und rechtlich Notwendige unternehmen, um für die Zukunft dieses übergriffige Arbeitgeberverhalten zu unterbinden“.
PC am Arbeitsplatz: Was ist erlaubt?
„Wenn der Arbeitgeber die private Nutzung explizit untersagt, dürfen Arbeitnehmer die Geräte nicht privat nutzen“, sagt der Hamburger Arbeitsrechtler Jens Peter Hjort. „Das darf der Arbeitgeber auch kontrollieren. Bei Verstößen drohen dem Arbeitnehmer Abmahnungen und weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen bis hin zur Kündigung.“
Wenn eine private Nutzung dagegen erlaubt sei, könne diese „im angemessenen Rahmen geschehen, also so, dass die vereinbarte Arbeitsleistung dadurch nicht geschmälert wird“, so Hjort. „Grob könnte man sagen: Man darf dann ruhig mal nachsehen, ob es neue Gebote für das bei Ebay eingestellte Fahrrad gibt – aber nicht stundenlang an Online-Pokerrunden teilnehmen.“ Gibt es dagegen keinerlei Vereinbarung oder Festlegung, der Arbeitgeber duldet die gelegentliche private Nutzung aber, dann gelte diese damit als erlaubt. „Allerdings muss der Arbeitnehmer dann im Konfliktfall nachweisen, dass es tatsächlich eine solche Duldung gegeben hat. Das ist bisweilen schwierig“, so der Arbeitsrechtler. „ Es ist daher besser, wenn es klare Regelungen gibt, zum Beispiel in Betriebsvereinbarungen.“
Der Arbeitgeber dürfe sich zwar jederzeit die dienstliche Arbeit zeigen lassen und so nachvollziehen, ob der Arbeitnehmer die vereinbarte Arbeitsleistung erbringe, so der Rechtsanwalt. „Auf den Rechner bzw. den privaten Teil des Servers zugreifen und die Nutzung kontrollieren, darf er dagegen nicht. Denn das wäre ein Verstoß gegen die Vorgaben des Datenschutzes und der Telekommunikationsgesetze.“ Das sagt auch der Hamburger Datenschutzreferent Jens Ambrock. „Ist die private Nutzung zulässig, bedarf es einer freiwilligen Zustimmung des Arbeitnehmers, die auch durch eine Betriebsvereinbarung ersetzt werden kann“, so Ambrock.
„Eine Missbrauchskontrolle ist nur in ganz eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig. Eine anlasslose Überwachung der Arbeitnehmer ebenso wie eine Verhaltens- und Leistungskontrolle darf grundsätzlich nicht erfolgen.“ Insgesamt sei „die gesamte Fragestellung im geltenden Recht nur unzureichend geregelt“. Nicht zuletzt deshalb forderten die Datenschutzaufsichtsbehörden „seit Jahren ein umfassendes Beschäftigtendatenschutzgesetz, das für diese Problematik klare und einheitliche Vorgaben macht“.