Hamburg. Nach einem Jahr im Amt erklärt Steve Schwenkglenks, Chef der Barclaycard Arena, wie er die Halle im Volkspark für die Zukunft aufstellt.
Gemeinsam mit seinem Team erfolgreich arbeiten und allzeit sichere Veranstaltungen – das sind die Wünsche, die Steve Schwenkglenks für das zweite Jahr seiner Amtszeit als General Manager der Barclaycard Arena hat. Das erste Jahr ist gerade abgelaufen, und weil es nicht nur erfolgreich und sicher, sondern auch extrem lehrreich war, blickt der 45 Jahre alte Reutlinger, der seit acht Jahren beim Arenabetreiber Anschutz Entertainment Group (AEG) angestellt ist, im Gespräch mit dem Abendblatt gern zurück – und nach vorn.
Herr Schwenkglenks, was hat Sie im ersten Jahr als Arenachef am meisten überrascht?
Steve Schwenkglenks: Zum einen, wie gut ich in der neuen Rolle angenommen wurde. Das ist nicht selbstverständlich, wenn der Kollege plötzlich der Chef ist. Zum anderen, wie sehr sich die neuen Aufgaben doch von den vorangegangenen unterscheiden. Ich habe mehr als 20 Jahre in unterschiedlichen Positionen im täglichen Betrieb die Ärmel aufgekrempelt und im operativen Bereich mitgestaltet. Nun ist die Hälfte meines Arbeitstages Papier und Politik. Das ist eine Umstellung.
Wann haben Sie sich zum ersten Mal richtig wie der Chef gefühlt?
Als ich vor unserem Firmenchef Phil Anschutz in Berlin 20 Minuten darüber referieren durfte, wie es in Hamburg so läuft. Da würde mir klar, dass das etwas Besonderes ist. Aber auch das erste Interview war Neuland, weil mir schlagartig bewusst wurde, dass ich jetzt eine öffentliche Person bin.
Wie oft ist es Ihnen im ersten Jahr passiert, dass Sie durch die Arena gingen und feststellten: Hier gibt es Verbesserungsbedarf, und das ist mein Job?
Das soll nicht überheblich klingen, aber ich habe noch nie eine Situation erlebt, in der ich das Gefühl hatte, dass wir Defizite haben, die dringend gelöst werden müssten. Das ist der tollen Arbeit geschuldet, die das Team hier seit der Eröffnung der Arena 2002 geleistet hat. Allerdings erlebe ich jeden Tag Momente, in denen ich darüber nachdenke, wo wir in einem Jahr stehen müssen, um gut genug zu sein. Bei einer so großen Arena brauchen viele Projekte eine lange Vorlaufzeit. Deshalb müssen wir immer im Voraus denken und planen.
Als Dienstleister im Medien- und Veranstaltungsbereich müssen Sie technisch auf aktuellem Stand sein. Was bedeutet das in einer 16 Jahre alten Arena an Innovationsaufwand?
Das bedeutet, dass wir versuchen müssen zu verstehen, was die Menschen in ein oder zwei Jahren brauchen, um sich optimal versorgt zu fühlen, um rechtzeitig Veränderungen anstoßen zu können. Wir haben 2017 kostenloses WLAN für alle eingeführt, weil das mittlerweile zum Standard gehört. Alle Überwachungskameras mussten auf HD umgerüstet werden, damit die Bilder daraus gerichtlich verwertbar sind. Das nächste Projekt ist die generelle Digitalisierung. Wir wollen unsere Verpflegungsstände mit digitalen Anzeigen ausstatten, planen eine eigene Arena-App, brauchen eine neue Telefonanlage, auch der Videowürfel ist mittelfristig ein Thema. Das bargeldlose Bezahlen schreitet voran, auch dafür müssen wir uns wappnen. Und wir müssen uns überlegen, was für Internetanbindungen wir in der Zukunft brauchen, bevor wir in ein Defizit laufen.
Auch in der analogen Welt müssen Sie die Arena instandhalten. Bei Konzerten von Metallica oder der 187 Strassenbande geht sicherlich mehr zu Bruch als beim Kindermusical Conny.
Das ist eher ein Klischee. Bei der 187 Strassenbande war nicht mehr los als bei einem Schlagerfestival. Wir haben zum Glück sehr wenig Probleme mit Vandalismus, seit wir weniger Sportveranstaltungen machen. Bei Konzerten ist das Problem die Euphorie, in der die Fans auf den Stühlen tanzen. Dafür sind die nicht ausgelegt. Aber das ist kein böser Wille. Die Sitze werden ständig renoviert, wie auch der Backstage-Bereich. Dort wird sehr viel schweres Equipment bewegt, und das macht sich eben bemerkbar. Wenn Sie 120-mal im Jahr aus Ihrer Wohnung aus- und wieder einziehen, sieht man das auch.
Wer als Veranstaltungshaus etwas auf sich hält, achtet auf die Umweltbilanz. Wie steht es darum in der Arena?
Zum Glück wurde an Themen wie Umweltschutz und Klimaneutralität schon beim Bau gedacht. Wir sammeln das Regenwasser und betreiben damit unsere komplette Reinigung und das Spülwassersystem. Strom beziehen wir ausschließlich aus erneuerbaren Energien. Unsere Getränkebecher sind aus komplett kompostierbarem Material. Pfandbecher müsste man jeden Abend mit Frischwasser reinigen, deshalb haben wir nur welche, wenn Künstler darauf bestehen, diese mit ihrem Logo anzubieten. Wir ersetzen nach und nach die gesamte Beleuchtung durch LED-Lampen. Aber natürlich wissen wir auch: Eine Arena dieser Größe und Qualität verbraucht viel Strom. Wir versuchen, so verantwortungsbewusst wie möglich damit umzugehen.
Spätestens seit dem schlimmen Terroranschlag in Manchester vor einem Jahr, beim Konzert von Ariana Grande, ist Sicherheit auch in Arenen oberstes Gebot. Wie schwer ist es, den Spagat zwischen notwendigen Maßnahmen und dem Verärgern von Kunden, die deshalb lange warten müssen, auszuhalten?
Mein Eindruck ist, dass die allergrößte Zahl der Besucher volles Verständnis für die Sicherheitsmaßnahmen hat. Wir waren mit die Ersten, die Metalldetektoren an den Eingängen und ein Verbot für Rucksäcke und große Taschen eingeführt haben. Anfangs mussten wir das häufiger erklären, mittlerweile sind die Gäste daran gewöhnt, weil es auch anderswo Usus ist. Helfen würde uns, wenn unsere Besucher ein Bewusstsein dafür entwickeln würden, dass es nicht funktionieren kann, wenn alle 15 Minuten vor dem Beginn der Show anreisen und trotzdem pünktlich auf ihren Plätzen sitzen wollen. Deshalb öffnen wir ja 120 Minuten vorher, damit ausreichend Zeit bleibt, alle Gäste zu kontrollieren.
Während Ihre Nachbarn im Volksparkstadion ihr Klientel bestens kennen, müssen Sie sich immer wieder auf neues Publikum einstellen. Sind Sie dennoch zufrieden mit dem Programm-Mix, den Sie anbieten, oder wünschen Sie sich ein Sportteam als Ankermieter zurück, wie es sie bis 2016 mit den HSV-Handballern und den Eishockey-Freezers gab?
Generell bin ich sehr zufrieden mit dem Mix, denn es gibt keine andere Spielstätte in Hamburg, die ein so breit gefächertes Angebot hat. Ich würde aber gern noch mehr machen. Tennis zum Beispiel hatten wir noch nicht, auch Darts fände ich interessant, oder ein Drohnenrennen. Und wir wollen eine Arena für alle sein, nicht nur auf die Großen gucken, sondern auch für das mittlere Segment die optimalen Angebote machen.
Also kein Sportteam, das 30 Termine im Jahr blockt? Es gab ja Befürchtungen, dass die Arena ohne Handball und Eishockey Probleme bekommen könnte. Diese waren grundlos?
Ja. Mit Handball und Eishockey hatten wir 140 Termine, ohne liegen wir nun bei 120. Und wir können jetzt auch Shows ein Angebot machen, die eine Woche Belegungszeit brauchen, was früher angesichts der engen Terminkalender im Sport nicht ging. Dennoch ist ein Hometeam grundsätzlich etwas Schönes, weil es Emotionalität bringt und einen festen Zuschauerstamm. Ich möchte es deshalb auch nicht ausschließen. Die Handballer sind ja wieder auf einem guten Weg. Aktuell ist das aber für uns kein Thema. Wir haben ja auch ein sehr gutes Sportangebot.
Unter anderem setzen Sie auf E-Sports. Hat es Sie überrascht, dass an drei Tagen hintereinander 12.000 Menschen kommen, um – überspitzt gesagt – anderen beim Computerspielen zuzugucken?
Da ich selbst seit 30 Jahren spiele, hat mich das Interesse nicht überrascht. Wohl aber die Professionalität und Wucht, mit der dieses Thema mittlerweile angegangen wird. Viele sagen, E-Sports stecke noch in den Kinderschuhen. Das ist weit gefehlt, es ist längst in der Pubertät, die Produktionen sind von großen Rockkonzerten nicht mehr zu unterscheiden. Und was mich am meisten fasziniert, das ist der Umgang der Fans und Teams untereinander. Der ist von Fairness geprägt, da wird kein Gegner ausgebuht, da gibt es keine Schlägereien. Jeder bekommt Applaus von allen, wenn er eine gute Aktion macht. Im Vergleich zu anderen Sportarten ist das herausragend und hat Vorbildcharakter.
Die Glaubensfrage, ob E-Sports also Sport ist, würden Sie folglich mit Ja beantworten?
Auf jeden Fall. Es ist mit Schach oder Billard vergleichbar. Sport heißt ja nicht, dass man nass geschwitzt und körperlich fertig sein muss. Sport bedeutet für mich Wettkampf, sich miteinander zu messen. Die E-Sport-Teams sind mittlerweile gemanagt wie Fußball-Bundesligisten, haben einen ganzen Stab an Betreuern und Helfern. Deshalb würde ich befürworten, dass E-Sports ins olympische Programm aufgenommen wird. Wir werden auf jeden Fall diesen Trend weiter unterstützen, vom 26. bis 28. Oktober ist die ESL wieder bei uns zu Gast.
Damit hätten Sie ein Highlight für Ihr zweites Jahr als Arenachef skizziert. Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Welche Veranstaltung würden Sie für die Saison 2018/19 wählen?
Mein Traum wäre ein Konzert der Ärzte. Das war in Reutlingen mein erstes Live-Erlebnis, da war ich 17. So etwas vergisst man nicht. Die Ärzte zu uns zu holen, das wäre ein echtes Geschenk.