Hamburg. Große Namen und viele Themenschwerpunkte: Der Ausblick auf die Elbphilharmonie-Spielzeit 2018/19.

Es war praktisch wie vor einem Jahr, nur mit anderen Namen und anderen Leitplanken. Saison-Vorschau mit Elbphilharmonie, die Dritte: Vorn auf der Bühne des Kleinen Saals General­intendant Christoph Lieben-Seutter, hinter ihm in einer Endlosschleife Künstlerfotos als Appetizer. Aus dem Hausherrn sprudelten die ­Namen, Komponisten, Jubiläen, Ideen nur so heraus. Man möchte am liebsten ins Konzerthaus einziehen, wären die Mietpreise um einige Nullen vor dem Komma kürzer. Rote Fäden wurden verknüpft, Themenakzente durchdekliniert, ­Synergie-Effekte betont. Zwei Sätze blieben haften: „Am Endes des ­Tages ist praktisch alles ausverkauft ... Es brummt, das ist eine Musikfabrik.“

Diese Akkord-Arbeit bringt in der Spielzeit 2018/19 etliche Wiederhör- und Wiederseh-Termine. Ein erster großer Schwerpunkt: Polen, 100. Jahrestag der Unabhängigkeit, 21 Konzerte, zwei Chancen auf einmal: Unterbekannte Komponisten wie Szymanowski oder Lutoslawski werden so ins Rampenlicht gebracht; NDR-Gastdirigent Krzysztof Urbański überbrückt die Wartezeit auf den neuen NDR-Chefmaestro Alan Gilbert. Der importiert den wohl wichtigsten strategischen Erfolg mit dem New York Philharmonic: Ligetis surreal überdrehte Oper „Le Grand ­Macabre“. Auch das Musikfest 2019 widmet sich dem Wahl-Hamburger Ligeti. Überfällig, ­obwohl es ein ­Remake früherer NDR-Würdigungen des großen Widerspenstigen durch das „neue werk“ ist.

Quote steigt von 40 auf 50 Prozent

Aus dem Dirigenten-Sortiment ragt ein Name heraus: Teodor Currentzis, den gerade alle engagieren wollen, hat sieben Termine: eine konzertante „Traviata“ und ein Verdi-Requiem mit seinen MusicAeterna-Jüngern; Schnittke, Schostakowitsch, Tschaikowsky mit dem gerade übernommenen, von null aufzubauenden SWR Symphonieorchester. Plus: Brahms’ Requiem mit dem Mahler Chamber ­Orchestra.

Everybody’s Darling: Der Dirigent Teodor Currentzis bei seiner Einspielung von Mozarts „Nozze di Figaro“
Everybody’s Darling: Der Dirigent Teodor Currentzis bei seiner Einspielung von Mozarts „Nozze di Figaro“ © Anton Zavyalov | Anton Zavyalov

Da Andris Nelsons auch mit dem Boston Symphony kommen wird, fehlt nun nur noch das Los Angeles Philharmonic in der All-Star-Sammlung großer US-Orchester. Für den Spielzeit-Start wurde der nicht gänzlich im Frieden vom NDR geschiedene John Eliot Gardiner geholt, mit seinem ­Orchestre ­Révolutionnaire et Romantique, Joyce DiDonato und einem Berlioz-Abend.

Kommentar: Elbphilharmonie, Runde drei

Um Ostern 2019 herum wird es italienisch, dann steht Venedig im Mittelpunkt einer Festival-Insel. Hier bietet das Programbuch nur einen Zwischenstand und so honorige Randthemen wie Kammermusik von Vivaldi und einen musikhistorisch informierten Konzept-Abend mit Jordi Savall. Mehr wird im November verkündet, dann dürfte ­Musik des Venezianers Luigi Nono nachrücken. Das „Greatest Hits“-Festival dreht sich um das Thema Rausch, die Bandbreite reicht von Klassikern der Moderne bis zu gewagt Frischem. Auch „Lux aeterna“ kehrt als Spezial-Sortiment zurück. Den Auftakt übernehmen Derwische aus Damaskus, ein Comeback-Debüt beim NDR wird Ex-Generalmusikdirektor Ingo Metzmacher als Gastdirigent mit Werken von Messiaen und Schostakowitsch erleben.

Für den Anspruch, ein Konzerthaus für Zeitgenössisches zu sein, stehen zwei Avantgarde-Werkschauen: Eine erste über den Briten George Benjamin, an eine Staatsopern-Premiere gekoppelt, und mit sieben Programmen deutlich (seine Oper „Written on Skin“ muss ohne die darauf spezialisierte Barbara Hannigan auskommen). Eine zweite widmet sich der Österreicherin Olga Neuwirth, die fünf Konzerte erhält. Die „Reflektor“-Freifahrtscheine gehen an zwei Solitäre aus zwei Generationen: Laurie Anderson und der aus Hamburg stammende Freistil-Pianist Nils Frahm dürfen einige Abende lang tun und einladen, wonach ihnen ist.

Auch Laurie Anderson kommt
Auch Laurie Anderson kommt © Ebru Yildiz

Kleiner, feinerer Schwerpunkt: Die löbliche, quantitativ aber halbherzige Verbeugung vor dem schrullig genialen Sonderling Charles Ives, drapiert um ein Philharmoniker-Nagano-Konzert mit der Vierten Sinfonie. Beim Jazz sieht es vielschichtig gut sortiert aus: etliche Pianisten, Koryphäen wie Bill Frisell und Branford Marsalis.

Pläne des NDR lassen aufhorchen

Aufhorchen lassen auch einige Pläne des NDR. Aus dem Bunte-Teller-Malheur des letzten Jahreswechsels hat man gelernt, zukünftig soll Silvester mit konzertanter Oper beschallt werden, den Auftakt macht eine konzertante „Fledermaus“. Aus dem Markenprodukt „NDR Das Alte Werk“ wird der Sendername gestrichen, die Konzerte sollen mehr als bisher dramaturgische Kooperationen mit der Elbphilharmonie sein.

Natürlich hatte Lieben-Seutter auch saisonale Zahlen parat: rund 900.000 Menschen in der Elbphilharmonie, etwa 310.000 in der Laeiszhalle, eine Verdreifachung der Besucherzahlen, verglichen mit der Spielzeit 2015/16. Der sechsmillionste Plaza-Besucher wird erwartet. Zwei neue Abos, die Quote wird von 40 auf 50 Prozent erhöht, also etwa 5000 weitere Plätze. Große Tropfen auf heiße Steine.