Hamburg. Das Ensemble stargaze führt mit „Blackstar“ das letzte Album des Rockstars David Bowie auf – mit Schwächen.

Manchmal ist das Leben unerbittlich. David Bowie hat die Veröffentlichung seines 25. und letzten Studioalbums „Blackstar“ am 8. Januar 2016, seinem 69. Geburtstag, noch knapp erlebt. Er starb zwei Tage später. So blieb ihm auch der Erfolg von „Blackstar“ verborgen, das als einziges Werk des großen britischen Musikers, Schauspielers und Pop-Chamäleons die Nummer eins der US-Charts erreichte. Seine Musik jedoch lebt ungehindert fort.

Zu den vielen, die sich nun die Werke der Legende mehr oder weniger gekonnt aneignen, gehört das zwischen Amsterdam, London und Berlin ansässige Ensemble star­gaze unter seinem künstlerischen Leiter André de Ridder. Im vergangenen Jahr entstand bereits ein Best-of-Abend mit Hits David Bowies. Nun sicherte sich das 3. Internationale Musikfest Hamburg für zwei Tage die Uraufführung von „Blackstar“ im großen Saal der Elbphilharmonie. Manches an diesem Abend war bewegend – manches auch verstörend.

„Blackstar“ ist ein düsteres Meisterwerk, voll dunkler Ahnungen von Schmerz und Jenseits. Den altersweise vorgetragenen Gesang Bowies aufzubrechen war da schon mal eine richtige Entscheidung. Nach einem schönen instrumentalen Intro mit „Warszawa“, einer gemeinsamen Kreation von David Bowie und Avantgardist Brian Eno, entstanden in der Berliner Zeit, 1977, transportieren nicht weniger als drei Sängerinnen die Melodien und Texte aus „Blackstar“. Das gelingt mal mehr, mal weniger.

Die Gesangspartien gelingen unterschiedlich

Die Britin Anna Calvi trägt den düsteren, elegischen Blues auf der Zunge. Ihr facettenreicher und expressiver Sopran setzt einen schönen Kontrast zur altersweisen Abgeklärtheit Bowies. Die Qualität Calvis zeigt sich gleich im musikalisch hochkomplexen Titelsong „Blackstar“.

Anna Calvi griff für
Anna Calvi griff für "Blackstar" auch zur Gitarre © Daniel Dittus | DanielDittus

Ihr zur Seite steht eine andere ausgewiesene Expertin für Dramatik, Anja Plaschg alias Soap & Skin. Die Österreicherin hat mehrere Theaterinszenierungen des Thalia Theaters mit ihrem düsterromantischem Gesang veredelt. Wo Calvi das Fragile, Auseinanderdriftende betont, legt Plaschg einen Teppich aus brüchiger Wärme aus. Raum für ihre Neo-Düsternis erlangt Calvi in dem schwierigen Leidenssong „Lazarus“. Plaschg findet in den beschwingteren „Sue (or In a Season of Crime)“ und „Girl ­Loves Me“ zu gewohnter Stimmform.

Das kann man von der dritten Sängerin des Abends, der Französin Lætitia Sadier, leider nicht sagen. Im Trio der Charakterstimmen bleibt sie erschreckend blass. Warum ausgerechnet Sadier dünnstimmig mit „Ashes To Ashes“ eine der beiden Zugaben singen darf, bleibt ein Rätsel. Nichts ist mehr da von der Pop-Beschwingtheit, der Doppelbödigkeit und Abgründigkeit des Klassikers. Da können sich die Violinen noch so rhythmisch hochschaukeln.

Insgesamt wirkt der Abend uneinheitlich

Trotz vieler starker Momente knirscht das Zusammenspiel von Ensemble und Sängerinnen vor allem zu Beginn merklich. Die Musiker scheinen häufig mehr gegen- als miteinander zu spielen. Manch dynamische Unebenheit ist womöglich der unausgewogenen Technik geschuldet. Zum Eindruck der Uneinheitlichkeit mag auch beitragen, dass die Songs mit Jherek Bischoff, Josephine Stephenson, Timo Andres und Aart Strootman von unterschiedlichen Komponisten arrangiert wurden.

Das Leben ist kurz, die Kunst ist lang. Nicht aber dieser Konzertabend. Anders als im Programmheft angekündigt, war er nach kaum 70 Minuten vorbei. Die ­Enttäuschung darüber war dem Publikum bei aller Ergriffenheit angesichts dieser vielstimmigen Erinnerungsmesse ihres Helden anzumerken. Die musikhistorische Bedeutung David Bowies vor Augen, wird ihm dieser insgesamt noch arg unfertig wirkende Tri­bute-Abend nicht gerecht.