Hamburg. Im Herbst startet das Projekt „Digital First“ – alle wesentlichen städtischen Dienstleistungen sollen im Internet verfügbar sein.

Baugenehmigungen und Ausweise beantragen, einen neuen Wohnsitz, Geburten oder Todesfälle melden oder ein polizeiliches Führungszeugnis anfordern – all das soll schon bald ohne stundenlange Warterei in überfüllten Behördenfluren und Amtsstuben möglich sein. Von 2022 an sollen zumindest die wichtigsten Dienstleistungen der staatlichen Verwaltung in Deutschland auch online verfügbar sein. Das hat der Bund in sein 2017 beschlossenes „Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen“ (kurz: OZG) geschrieben. Bund und Länder sind demnach von 2022 an „verpflichtet, ... ihre Verwaltungsleistungen auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten“.

Die Zeit drängt also, und Hamburg will nicht nur rechtzeitig seine Hausauf­gaben machen, sondern mit seiner im Herbst an den Start gehenden Plattform „Digital First“ zudem schneller als andere fertig werden und so möglicherweise auch anderen Ländern zuarbeiten. Die Chancen auf eine Hamburger Führungsrolle bei der Digitalisierung des Staatswesens stehen nicht schlecht, wie der neue Hamburger Chief Digital Officer (CDO) Christian Pfromm und der für die digitale Transformation federführend verantwortliche Staatsrat der Senatskanzlei, Christoph Krupp, betonen.

Vorreiter bei der Digitalisierung

Zum einen seien die Verwaltungsstrukturen in einem Stadtstaat mit Einheitsgemeinde übersichtlicher als in Flächenländern. Zum anderen aber sei Hamburg schon jetzt Vorreiter bei der Digitalisierung. Wie der Senat kürzlich auf eine FDP-Anfrage darlegte, sind schon heute Dutzende von Verwaltungsdiensten für Bürger und Wirtschaft über das Serviceportal der Stadt online nutzbar: Das geht von Anliegerbescheinigungen über Bauleitplanung, Fluglärmbeschwerden, Gewerbeanzeigen bis zu ZOFF, der Zentralen Organisation Freiwilliger Feuerwehren.

Die bisherigen Dienste allerdings entsprechen nicht dem neuesten Standard und müssen daher umfassend überarbeitet werden. Dass Hamburg eine wichtige Vorreiterrolle zukommt, zeige sich auch daran, dass hier die bundesweit übergreifende Suchfunktion für alle Länderverwaltungen konzipiert werde, so Pfromm.

Große Herausforderung

Wie riesig die Herausforderung ist, den größten Teil des Bürgerservice ins Netz zu verlegen, zeigen die Zahlen. Die Stadt beschäftigt in der Verwaltung rund 60.000 Menschen und bietet etwa 2600 unterschiedliche Dienstleistungen für Bürger und Unternehmen an. Rechnet man die zuständigen Mitarbeiter in Senatskanzlei, Fachbehörden und beim länderübergreifenden Dienstleister Dataport zusammen, so sind mittlerweile laut Krupp rund 1300 Menschen mit IT-Diensten und Digitalisierung befasst – viele davon auch mit dem Aufbau des neuen Systems, das künftig Hunderttausende gleichzeitiger Zugriffe verkraften und sinnvoll verarbeiten soll.

Das Risiko von aus dem Ruder laufenden Kosten oder nicht eingehaltenen Fristen soll dabei von Beginn an minimiert werden – schließlich hat man bei der Einführung neuer Softwaresysteme wie JusIT für die Jugendhilfe oder dem System KoPers für die Personalverwaltung zuletzt bittere Erfahrungen gemacht. Daraus habe man vor allem zwei Lehren gezogen, so Krupp: Anforderungen und Einführungsschritte würden bei „Digital First“ sehr viel genauer abgegrenzt – und man setze zudem auf „modulare Programmierung“. Das heißt: Es wird nicht mehr ein am Ende kaum mehr zu überblickendes Gesamtsystem programmiert, sondern viele kleine Bausteine, die einzeln ausgetauscht werden können, wenn etwas nicht richtig funktioniert oder Teile modernisiert werden müssen. Bei den Kosten will man auf jeden Fall im Rahmen bleiben. Bis Ende dieses Jahres habe die Bürgerschaft zunächst 18,6 Millionen Euro freigegeben, so Krupp.

Zwei zentrale Bedenken

CDO Pfromm, bei dem alle großen Hamburger Digitalisierungsprojekte im Rathaus zusammenlaufen, versucht derweil zwei zentrale Bedenken gegen die Digitalisierung auszuräumen. Zum einen gefährde sie keine Arbeitsplätze, im Gegenteil. Die Umstellung sorge vielmehr durch Effizienz­gewinne dafür, dass der massive Personalabgang der kommenden Jahre von der Verwaltung aufgefangen werden könne. Schließlich würden bis 2030 rund 40 Prozent der städtischen Beschäftigten in den Ruhestand gehen – sehr viele davon fast zeitgleich.

Auch Ängste vor Datenmissbrauch seien nicht begründet. Zum einen sei der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar von Beginn an in das Vorhaben eingebunden. Außerdem werde es keine zentrale Datenbank geben, sodass die Daten der Bürger weiter datenschutzkonform bei den einzelnen Abteilungen der Verwaltung dezentral gespeichert seien und es keinen zentralen oder gar unautorisierten Zugriff von außen gebe.

Gutes Omen für den Start

„Außerdem halten wir uns an das Prinzip der Datensparsamkeit“, so Pfromm. „Es werden generell nur die Daten erhoben, die wirklich gebraucht werden.“ Um die Onlinedienste zu nutzen, müssen die Bürger sich einmal persönlich in einer Behörde registrieren lassen. Auch der neue maschinenlesbare Personalausweis mit Lesegerät soll für die Online-Identifizierung eingesetzt werden können – was bei einigen Anwendungen schon heute möglich ist.

Als gutes Omen für den Start von „Digital First“ wertet man im Rathaus die jüngste Nachricht aus der städtischen IT: Erstmals wurden jetzt mit dem Personalverwaltungsprogramm KoPers, das eigentlich schon seit Jahren in Betrieb sein sollte, die Gehälter von 10.000 der 60.000 städtischen Bediensteten überwiesen – nach umfassender Nachrüstung der Software scheint sie also endlich zu laufen. Ob das Geld auch bei allen angekommen ist, wird sich wohl in den kommenden Tagen zeigen.