Hamburg. Das Thema wird Hamburg noch lange beschäftigen. Verkauf oder Abwicklung – Entscheidung bis zum 28. Februar 2018.

Bei seinem Amtsantritt als Bürgermeister 2011, so hatte es Olaf Scholz einst erzählt, habe er zwei „Gespenster“ vorgefunden: die Elbphilharmonie und die HSH Nordbank. Und beide habe er nun „eingesperrt“, so Scholz Ende 2015. Da näherte sich das Konzerthaus doch noch der Fertigstellung, und für die dauerkriselnde Bank wurde mit der EU auch eine Perspektive vereinbart, wenn auch keine schöne: Verkauf oder Abwicklung – Entscheidung so oder so bis zum 28. Februar 2018.

Für ein eingesperrtes Gespenst hielt die Bank ihre Eigentümer Hamburg und Schleswig-Holstein dann aber mehr als zwei Jahre lang doch noch kräftig in Atem. Und in dieser Woche hatte sie die Politik im Norden sogar noch einmal fest im Griff, quasi wie von Geisterhand. Und bei genauer Betrachtung wird diese Situation auch noch einige Jahre anhalten.

Gute und eine schlechte Nachricht

Das zeigte sich schon am Montag in Kiel. In einem unauffälligen Bürogebäude mit Blick auf die Oper stellte die HSH Portfolio Management AöR ihren Geschäftsbericht vor, also jene Anstalt, die die beiden Länder eigens gegründet hatten, damit sie der Bank faule Schiffskredite abnimmt. Und die hatte eine gute und eine schlechte Nachricht.

Lesen Sie hier das große HSH-Nordbank-Dossier

Die gute: Von den 253 Schiffen, die sie 2016 übernommen hatte, konnte sie schon 39 verkaufen. Die schlechte: Der Wert der verbliebenen 214 Schiffe wird nur noch auf 1,6 Milliarden Euro taxiert – bezahlt hatten Hamburg und Kiel einst 2,4 Milliarden. Dieses Schauermärchen wird die Länder noch mindestens acht bis zehn Jahre begleiten – und wer dabei ein Happy End erwartet, glaubt auch an Geister.

Wenige aussagefähige Akten

Am Dienstag tauchte das Gespenst dann im Rathaus auf, allerdings nicht standesgemäß im Kellergewölbe, sondern im schmucklosen Raum 151. Dort befasste sich der Bürgerschaftsausschuss für öffentliche Unternehmen mit dem Verkauf der Bank, erstmals war der neue Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) dabei. Doch obwohl er anfangs bekundete, er „freue“ sich auf die Zusammenarbeit, wurde es kein sonderlich harmonischer Abend.

Vor allem Norbert Hackbusch (Linkspartei) monierte, dass der Bürgerschaft zu wenige und zu wenig aussagefähige Akten zum HSH-Verkauf vorliegen: „Ich habe nicht den Eindruck, gut informiert zu sein.“ Der Landtag in Kiel habe in kürzerer Zeit mehr Unterlagen erhalten. Schützenhilfe kam von Michael Kruse (FDP): Dass in Hamburg die letzten Akten erst an dem Tag ankommen, an dem in Schleswig-Holstein die Beratungen schon beendet werden, sei „alles andere als optimal gelaufen“.

Gläubiger bereiten eine Klage vor

Noch gereizter wurde die Stimmung an einem anderen Punkt: Die Käufer der Bank um die US-Investoren Cerberus und J.C. Flowers wollen nach dem Eigentümerwechsel ein großes Paket fauler Kredite aus der Bank herauslösen, die mal mehr als 6,3 Milliarden Euro wert waren und zuletzt noch mit 3,5 Milliarden Euro in den Büchern standen. Bezahlen werden sie dafür aber nur 2,5 Milliarden Euro.

Nun könnte man sagen: Was geht es die Länder und deren Parlamente an, was der neue Eigentümer mit seiner Bank macht? Sowohl Dressel als auch HSH-Vorstandschef Stefan Ermisch betonten daher im Ausschuss, diese Transaktion betreffe nicht mehr die „Sphäre“ der Länder, sie sei für diese auch keine zusätzliche Belastung.

Bohrende Nachfragen der Opposition

Für die bohrenden Nachfragen der Opposition gab es dennoch zwei gute Gründe. Erstens: Der Abschlag von gut einer Milliarde entspricht zufällig dem Kaufpreis für die HSH. Zweitens: Die Länder haben auch diesem „Portfolioübertrag“ ausdrücklich zugestimmt, die Akte dazu wird der Bürgerschaft aber verweigert – die HSH sieht ihre Geschäftsinteressen berührt.

Von den Linken über die FDP bis zur CDU wird daher der gleiche Verdacht geäußert: Die neuen Eigentümer finanzieren den HSH-Kauf, indem sie eine Milliarde aus ihrem neuen Unternehmen herausziehen – eine Praxis, die bei Finanzinvestoren durchaus üblich ist. Im Fall HSH stößt das nicht nur der Opposition übel auf, sondern auch Gläubigern der Bank: Die verlieren durch den Deal nämlich Geld und bereiten daher eine Klage dagegen vor – da wächst möglicherweise ein neuer Quälgeist heran.

Reinigendes Gewitter

Das einstige Scholz-Gespenst hat dann am Donnerstag seinen eigenen großen Auftritt: letzte Bilanzpressekonferenz der HSH Nordbank in der Zentrale am Gerhart-Hauptmann-Platz. Raum „Elbe 1“ im achten Stock, hier wurden in den vergangenen zehn Jahren abwechselnd Dramen und Hoffnungsschimmer verkündet. Der Himmel über Hamburg erzählt an diesem April-Tag noch einmal die ganze Geschichte: mal wolkig-grau, mal sonnig-blau, mal düster – und als alles gesagt ist, bricht ein Gewitter los.

HSH-Vorstandschef Ermisch ist mächtig „stolz“, dass die erste Privatisierung einer Landesbank gelungen ist, er stellt es dar wie ein reinigendes Gewitter: Die „üble alte Zeit“ von vor 2009 sei nun beendet, die Vergangenheit „bewältigt“, die interne Abbaubank mit all dem gebündelten Schrott werde aufgelöst – „vollständig und endgültig“, so Ermisch. „Sie kommt nicht mehr wieder.“ Einige Vertreter der Bürgerschaft beobachten den selbstbewussten Auftritt etwas stirnrunzelnd. Ein Teil des Schrotts liegt schließlich jetzt bei den Ländern, und die Milliardenschulden der HSH werden noch auf Jahrzehnte durch die Haushalte spuken.

Ermischs Wunsch, den endgültigen Verkauf der Bank „am liebsten bis Juni“ über die Bühne zu bringen, werden die Abgeordneten kaum erfüllen können. Während der Kieler Landtag dem Verkauf schon an diesem Tag einstimmig zustimmt, kann die Bürgerschaft frühestens am 13. Juni darüber abstimmen, und danach sind noch einige weitere Schritte erforderlich.

Gefragt, wie er denn heute über das Scholz-Bild vom „Gespenst“ HSH denke, legt sich Ermisch dennoch fest: „Jetzt ist der Spuk vorbei.“