Hamburg. Knapp 450 Studierende und Professoren protestieren an der HafenCity Universität. Sie wollen eine zweite Amtszeit verhindern.

Als Stephanie Egerland Mittwochmittag das große Auditorium der HafenCity Universität betritt, findet sie kaum Platz, so voll ist es. Ein paar Menschen ziehen die meterhohen Schiebetüren des Raumes auf, sodass sie auch von draußen sehen können. Insgesamt sind knapp 450 Menschen da – die meisten von ihnen Studierende, aber auch einige Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter sind gekommen. Egerland ist die Kanzlerin der HafenCity Universität (HCU). Fast alle hier wollen, dass das bald nicht mehr so ist.

„Der Vertrag der Kanzlerin wurde gegen den Willen der Hochschule verlängert“, ruft Björge Köhler zu Beginn in das Mikro. Lauter Applaus. Köhler ist Masterstudent im Fach Architektur und Mitglied im Hochschulsenat, trägt Hemd und hat seine Haare zusammengebunden. „Wir legen Frau Egerland nahe, sofort ihr Amt niederzulegen!“

Kritik an Studierbedingungen

Darum geht es bei dem Protest: Am 18. April wählte der Hochschulrat der Uni die bisherige Kanzlerin Egerland für eine zweite Amtszeit. Doch jetzt muss die Behörde für Wissenschaft und Forschung zustimmen, was viele im Raum verhindern wollen. Sie machen Egerland für die in ihren Augen schlechten Arbeits- und Studierbedingungen an der HCU verantwortlich.

Kurz bevor Organisator Köhler das Mikro greift, segeln vor dem Auditorium bunte Flugblätter aus den darüber gelegenen Stockwerken auf den Boden. Auf ihnen stehen Sprüche wie „Wusstest du, dass es okay ist, es doof zu finden, dass die Kanzlerin alles allein entscheidet?“ und „Wusstest du, dass auch Exkursionen der Sparpolitik zum Opfer gefallen sind?“. Und auch: „Wusstest du, dass du jetzt die Chance hast, etwas dagegen zu tun?“

„Es wird geredet, aber nicht zugehört“

Etwas dagegen tun möchte etwa die Studentin Solveig B. Sie stört, dass die Werkstätten in der Uni oft wegen Personalmangel nicht benutzbar seien. Zudem sehe sie sich in den späteren Abendstunden Schikanen ausgesetzt. In der Woche müssen die Studierenden nach 19 Uhr am Eingang ihren Ausweis zeigen. „Es wird genau geschaut, wo man hingeht“, sagt B. Viele der Studierenden fühlen sich eingeengt, eher wie an einer Schule als an einer Uni. „Das Arbeits- und Vertrauensverhältnis ist nachträglich gestört“, sagt B. Doch auch Lehrende sind unzufrieden. Anfang 2017 hätten bei einer Vollversammlung 29 von 32 Professoren dagegen gestimmt, Egerlands Vertrag zu verlängern, sagen sie.

Als Wolfgang Dickhaut, Professor für umweltgerechte Stadt- und Infrastrukturplanung, am Mittwoch das ­Mikro nimmt, hält er in der anderen Hand einen Zettel. „Für mich ist es eine Herausforderung und Überwindung, hier zu stehen und öffentlich Kritik an der Leitung meiner Uni zu üben“, sagt er. „Aber es geht leider nicht anders!“

Mitbestimmung und Transparenz

Das Präsidium habe nie versucht, einen Gesprächsfaden aufzunehmen, sagt Dickhaut. „Das ist das Kernpro­blem. Es wird geredet, aber nicht zugehört“. Präsident Walter Pelka hatte gegenüber dem Abendblatt einen Tag zuvor gesagt, dass Präsidium habe „jederzeit ein offenes Ohr für alle“.

Professor Wolfgang Dickhaut kritisiert die „Kriminalisierung“ der
Hochschulmitglieder
Professor Wolfgang Dickhaut kritisiert die „Kriminalisierung“ der Hochschulmitglieder © Stephan Wallocha

Der Präsident steht bei der Versammlung neben der Kanzlerin. Auch gegen ihn richtet sich der Protest: Drei Professoren haben im Hochschulsenat beantragt, Pelka abzuwählen. Dass der Hochschulrat den Antrag durchwinkt, gilt aber als unwahrscheinlich. Genau wie Egerland sagt er bei der Veranstaltung nichts. Dickhaut sagt am Mittwoch, gegen ihn sei ein Verfahren eingeleitet worden, ins Detail geht er nicht. „Die Kriminalisierung der Hochschulmitglieder ist eine neue Strategie, mit der Handlungsweisen des Präsidiums legitimiert und Personen diskreditiert werde sollen.“

Den Demonstranten geht es auch um mehr Mitbestimmung und Transparenz. Dem Hochschulsenat würden „nur unzureichende Informationen“ weitergeleitet, schrieben Studierende schon vor der Veranstaltung in einer Mitteilung, die dem Abendblatt vorliegt. Und: „Der Haushaltsausschuss hatte seit anderthalb Jahren keine Sitzung mehr.“ Präsident Walter Pelka hatte einen Tag zuvor gesagt, dass das Präsidium dem Hochschulsenat alle Erkenntnisse über Strategie und Finanzpolitik mitteile.

Schlechter Führungsstil?

Bei der Veranstaltung am Mittwoch sprechen auch Angelika Gericke von der Gewerkschaft Ver.di und Fredrik Dehnerdt von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Laut Dehnerdt sei der Führungsstil an der Uni beispiellos schlecht. „Wendet euch an die Senatorin!“

Das haben sie getan. Am 30. April treffen sich die Organisatoren mit der Behörde für Wissenschaft und Forschung, an die sie seit gestern auch eine Petition richten. Zwar ist deren Leiterin Katharina Fegebank nicht dabei – aber Staatsrätin Eva Gümbel. Noch haben die Studierenden und Professoren Hoffnung, dass die Behörde der Vertragsverlängerung ihrer Kanzlerin nicht zustimmt.