Hamburg. Wie die Mitglieder ihre Mantrailer trainieren. Bei Notfällen sind sie ständig im Dienst – ihre Einsätze machen sie ehrenamtlich.
Kurze Beine könnten ein Ausschlusskriterium sein, aber die Rasse spiele eigentlich keine Rolle, sagt Nadine Brunsen. Aber neugierig und aufgeschlossen müssten Rettungshunde sein und vor allem: sehr verspielt oder etwas verfressen. Denn wenn die Hunde im Training oder im Einsatz erfolgreich waren, werden sie dafür entweder mit Leckerlis oder einer Runde mit ihrem Lieblingsspielzeug belohnt. Dafür strengen sie sich vorher gern an.
Viel öfter als man denkt, gehen in dieser Stadt ältere Menschen vorübergehend verloren, weil sie den Weg zu ihrem Zuhause nicht mehr finden, manchmal sind kleine Kinder plötzlich weg, oder lebensmüde Menschen verschwinden. Wenn die Rettungshundestaffel des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) zu Hilfe gerufen wird, dann ziehen Nadine Brunsen und ihre Kollegen die leuchtend orangenen Jacken an und machen sich auf die Suche.
Hundestaffel trainiert einmal die Woche
Jeden Dienstagabend treffen sich die 20 ehrenamtlichen Mitglieder der Staffel um 18 Uhr zum zweieinhalbstündigen Training – an wechselnden Orten in der Stadt, denn die Hunde brauchen unterschiedlichste Herausforderungen, sagt Brunsen, Leiterin der Staffel, die 1984 gegründet wurde. Die 40-Jährige ist seit zehn Jahren dabei und familiär „vorbelastet“ – schon ihre Mutter hat früher die Staffel geleitet.
An diesem Abend treffen sie sich an einem Waldstück in Rissen. Ideales Trainingsgelände für Fiby, den Holländischen Herder (ein Schäferhund) von Stefanie Block. Die Polizeikommissarin arbeitet seit vielen Jahren bei der Hundestaffel der Bundespolizei. Sie wolle ihr Talent aber auch für ihr Ehrenamt nutzen, sagt die 43-Jährige. Beruf und ehrenamtliches Engagement sind dennoch recht strikt getrennt – ihr Diensthund hat Feierabend, ihn hat sie zu Hause gelassen.
Ihre junge Hündin Fiby dagegen ist speziell für die Suche nach Menschen ausgebildet. Das zweieinhalbjährige Tier ist ein sogenannter Flächensuchhund. Von Joggern oder Radfahrern lässt sich Fiby nicht irritieren, „sie sucht Personen, die liegen oder sitzen und in einer hilflosen Situation sind“, erklärt Stefanie Block. Wird sie fündig, dann bellt Fiby laut – und bekommt eine Belohnung.
Einsatzdauer von Mantrailern ist begrenzt
Für die Hunde von Silke Ahlquist sind Wiese und Wald wie in Rissen eher schwieriges Terrain. Ihre Hündinnen Zora (Magyar Viszla) und Alizée (ein Griffon Bleu de Gascogne) sind Personenspürhunde (auch Mantrailer genannt), die über einen hervorragenden Geruchssinn verfügen. „Sie bekommen etwas vor die Nase gehalten und suchen dann den Weg, den die gesuchte Person zuletzt gelaufen ist“, erklärt Ahlquist, die als Heilpraktikerin arbeitet.
Dass ihre Hündin Zora, die inzwischen neun Jahre alt ist, ein besonderes Talent hat, hatte Ahlquist daran bemerkt, dass das Tier immer begeistert die Söhne der Familie gesucht hatte. „Die Nasenarbeit von Hunden hat mich immer schon begeistert“, sagt die 47-Jährige. Als ihre Kinder etwas größer waren und sie mehr Freiraum hatte, wurde sie Mitglied der Hundestaffel. In den Einsatz nimmt sie üblicherweise nur eine Hündin mit. Zora beispielsweise möge Regen nicht so gern, dann ist eben Alizée dabei.
Mantrailer laufen stets an der Leine – auch aus Sicherheitsgründen, sie könnten vor ein Auto laufen. „Sie tauchen total ab in den Geruch“, sagt Ahlquist, der Straßenverkehr sei dann für sie gefährlich. Die Einsatzdauer ist begrenzt, nach einer gewissen Zeit lasse die Fähigkeit der Spürnase nach. „Nach etwa vier bis sechs Stunden wird es für den Hund schwierig, die ältere Spur von einer jüngeren zu unterscheiden“, sagt sie.
Einsätze können psychisch belastend sein
Anstrengend ist es ohnehin für alle Beteiligten, auch für sie. „Wir laufen ja jeden Kilometer mit.“ Eine gewisse Fitness sei für sie und ihre Kollegen unabdingbar. Aber auch psychisch könnten die Einsätze belastend sein, sagt Ahlquist, „besonders, wenn es um Kinder geht oder um Jugendliche, die Suizid ankündigen“. Sie erinnert sich an einen Einsatz, bei dem sich ein Kleinkind in einem Maisfeld verirrt hatte. „Es war heiß, die Zeit war knapp, aber es wurde gefunden.“ Rechtzeitig.
Nach solchen belastenden Einsätzen würden sie miteinander sehr viel sprechen, sagt Staffelleiterin Brunsen, „wir können aber auch professionelle Hilfe in Anspruch nehmen“.
Sieben Tage, 24 Stunden, sind die ehrenamtlichen Retter einsatzbereit. Im vergangenen Jahr hatten sie 50 Einsätze. Meistens nachts. Natürlich. Dann, wenn die Angehörigen anfangen, sich ernsthaft Sorgen zu machen.
Die DRK-Hundestaffel hat 20 Mitglieder, mit Nachwuchsproblemen habe man nicht zu kämpfen, sagt Staffelleiterin Brunsen. Sie betont den enormen Zusammenhalt: „Dieses Team ist meine zweite Familie.“
Training mit Trümmersuchhunden in Abrissgebäuden
Auch Nicole Schulz gehört schon seit 16 Jahren zu dieser Familie. Die Hundetrainerin betreibt in Barsbüttel eine eigene Hundeschule und eine Tagesbetreuung. Die 15 Monate alte Jelka, eine Deutsche Schäferhündin, ist noch in Ausbildung zum Trümmersuchhund.
„Es zeigt sich früh, wie mutig Hunde sind, wie geländegängig“, sagt Schulz. Tiere wie Jelka kommen nach Gasexplosionen oder Erdbeben, aber auch nach Zugunglücken zum Einsatz. Liegt ein Lebender unter den Trümmern, zeigen diese Hunde das an. „Der muss ja am schnellsten geborgen werden“, sagt Nicole Schulz.
Glücklicherweise kommt es für Trümmersuchhunde selten zum Ernstfall. Trotzdem sind regelmäßige Trainings nötig. „Wir haben viele Kontakte zu Bauunternehmen.“ Abrissgebäude seien eine perfekte Trainingsumgebung für Trümmersuchhunde. Auslandseinsätze hätten sie länger nicht gehabt, sagt Brunsen, denn Länder wie Italien oder die Türkei hätten inzwischen selbst Hunde ausgebildet.
Matthias Hörster, selbst Mitglied der Hundestaffel, mimt an diesem Trainingsabend eine hilflose Person, die von den Hunden auf dem Waldboden gefunden werden muss. Jelka bellt laut, als sie ihn findet. Sie weiß, jetzt kommt ihre Belohnung – sie darf ausgiebig mit ihrem Lieblingsball spielen.