Hamburg. Zehn Prozent des Geländes waren für Schulen oder Sportanlagen vorgesehen, doch der Bezirk meldet weniger Bedarf an.

Im Streit um die Bebauung des ehemaligen Holsten-Brauereigeländes in Altona gibt es eine weitere Irritation: Offenbar verzichtet die Stadt freiwillig auf etliche Tausend Quadratmeter wertvolle Fläche, die eigentlich für öffentliche Schulbauten und Ähnliches reserviert waren.

Das zumindest kritisiert jetzt der Altonaer SPD-Bezirksabgeordnete Mithat Capar, der über diesen Punkt bei Durchsicht der Aktenlage gestolpert war. „Wie kann das angehen?“, sagte er. Überall finde die Stadt in den dicht bebauten Quartieren keine Flächen mehr für Schulen, Sportplätze oder Kultur – „aber hier verzichten wir?“.

Zehn Prozent für Gemeindeeinrichtungen reserviert

Die Kritik des SPD-Politikers aus Ottensen bezieht sich auf den sogenannten Letter of Intent, den der Bierkonzern Carlsberg Deutschland noch mit der Freien und Hansestadt Hamburg 2016 vereinbart hatte, als es darum ging, das Areal für den lukrativen Wohnungsbau zu verkaufen und die Produktion nach Hausbruch zu verlagern.

Etwa zehn Prozent der Fläche, also 8650 Quadratmeter, sollten laut diesem Letter of Intent für Gemeinbedarfseinrichtungen reserviert bleiben, wenn die Stadt das bisherige Gewerbegebiet zum viel teureren Wohnbauland macht. Doch tatsächlich angemeldet hat der Bezirk Altona nur rund 2,8 Prozent – als Schulerweiterungsfläche und für ein „Community Center“. Warum? Dazu hält sich Bezirkssprecher Martin Roehl relativ bedeckt. Man sei noch im Gespräch, das letzte Wort nicht gesprochen, teilte er auf Anfrage des Abendblatts mit.

SPD-Politiker Capar will das aber so nicht stehen lassen und fordert jetzt die Hamburger Behörden auf, weiteren Bedarf für das Gelände anzumelden. Seine Kritik kommt zudem zu einem Zeitpunkt, wo sich Bezirkspolitik und die jetzigen Investoren – nachdem das Gelände bereits zweimal verkauft wurde – ohnehin schon reichlich verhakt haben.

Bleibt bezahlbarer Wohnraum auf der Strecke?

Wie berichtet, geht es dabei um die Gesamtquadratmeterzahl an Wohnungen und Gewerbe. Der Investor stellte Pläne zunächst mit 200.000 Quadratmetern vor und speckte sie jüngst auf knapp 190.000 ab. Die Politik will auf dem Holsten-Areal aber nicht mehr als 160.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche (BGS), damit dort nicht zu dicht gebaut wird.

Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen, dem die Wohngenossenschaften und die städtische Saga angeschlossen sind, befürchtet unterdessen, dass auf dem zentralen Areal „bezahlbarer Wohnraum auf der Strecke bleibt“, wie Verbandsdirektor Andreas Breitner sagt. Hintergrund: Auch die Genossenschaft Altoba wollte gemeinsam mit der Saga das Gelände von Carlsberg kaufen, um dort günstige und zentrale Wohnungen bauen zu können.

Aber das Angebot wurde offensichtlich ausgeschlagen, weil es zu niedrig erschien. Nach Ansicht Breitners drohe das Holsten-Areal wegen des Bodenpreises jetzt zu einem „Beispiel erster Klasse“ dafür zu werden, dass allein der Bau von Wohnungen nicht mehr ausreiche in Hamburg.

„Hohe Zahlen reichen nicht. Es muss bezahlbar sein“, so Breitner. Besser wäre es daher, wenn die Stadt Grundstücke selbst kaufen würde, bevor sie zu Bauland werden. „Das verhindert Bodenspekulation“, sagt Verbandsdirektor Andreas Breitner, „und die Stadt behält bis zum Schluss ihre Handlungshoheit.“