Hamburg. Die Bühne karg, die Stimm-Sterne leuchten: Das „Tosca“-Finale der Italienischen Opernwochen mit Anja Harteros und Jonas Kaufmann.
Vor zwei Jahren eröffnete die Münchner Staatsoper ihre alljährlichen Festspiele mit einer fingerdick vergoldeten All-Star-„Tosca“: Anja Harteros in der Titelrolle, Jonas Kaufmann als Cavaradossi, Bryn Terfel als Scarpia, der Generalmusikdirektor Kirill Petrenko dirigierte. Prächtiger kann man das momentan kaum haben. Die ersten Italienischen Opernwochen – gut 38.000 Besucher, 90,4 Prozent Auslastung und im nächsten Jahr wieder – in der Hamburgischen Staatsoper? Die endeten jetzt mit Harteros und Kaufmann, zwei Publikumsmagneten weniger also.
So viel dazu, wer in der Opernhaus-Oberliga wen wann bekommt und was wie bietet, wenn es mal so richtig festspielhaft sein soll. Denn hier hätte es, bei aller Freude über den einmaligen Zwei-Sahnehäubchen-Besuch an den Dammtorstraße, durchaus noch besser gehen können.
Tosca: Intrige, Hass und Lügen vom Feinsten
Andererseits: „Tosca“, hach, „Tosca“; Oper as Oper can; Liebe, Drama, Intrige, Hass, Lügen, Leiden, Sterben vom Feinsten, mit Klößen im Hals an den herausragenden Stellen. Robert Carsens Inszenierung hat in ihren 18 Repertoire-Klassiker-Jahren nichts von ihrem Wesenskern als Laubsägearbeit verloren: Rampe für die Musik und die Stimmen zu sein. Da die Bühne derart karg ist, sollen doch bitte dort die Stimm-Sterne leuchten, von denen Cavaradossi singt, bevor ihn die Erschießungskommando-Kugeln niedermähen und Tosca sich von der Engelsburg ins Jenseits hinterherstürzt.
Eine Ausnahmesängerin wie Anja Harteros spürte auch beim Kurzgastieren natürlich, wo in diesem Wenig ihre Schlüsselszene ist: „Vissi d’arte“ im 2. Akt. Die Handlungszeit stand still, im Kegel des Scheinwerferlichts stand die Verkörperung von Kunst und Liebe und erzählte und beichtete, dass sie nicht anders könne, als so, hier, jetzt Tosca zu sein. Harteros sang jede ihrer Noten nicht nur, sie liebkoste sie, ummantelte sie mit funkelnder Leidenschaft, konnte sich kaum von ihnen trennen. Und musste es doch. Hinreißender, großartiger kann man das kaum haben.
Jonas Kaumann: charakterstarke Schale
Und sonst so? Jonas Kaufmann, gerade noch als konzertanter „Tristan“ neben Andris Nelsons in der Carnegie Hall, war vor allem: Jonas Kaufmann. Was heißen soll: charakterstarke Schale, zartmetallischer, effektvoll den Heldentenor abdunkelnder Kern. Die „Vittoria“-Rufe, als es mit Scarpia bergab zu gehen schien, waren fast schon furchterregend. Kaufmann sang auf sehr hohem Niveau feinst und routiniert, das letzte bisschen Herzblut behielt er aber für sich, auch und sogar in seinem leicht verhaltenen Bravour-Auftritt mit „E lucevan le stelle“.
Franco Vassallos Scarpia? Solide, frontal, konditionssicher. Alles keine justiziablen Nachteile, aber auch keine Argumente, um ihn als hinreißende Hassfigur ins Herz zu schließen. Und das Dirigat von Pier Giorgio Morandi war gerade mal Puccini von der Stange, eher rustikal statt elegant, eher grobkörnig statt hochglanzpoliert. Die Festspiel-Laune des Publikums trübte das nicht, der Ausnahme-Abend endet mit ausnehmend guter Laune.