Hamburg. Der Bundespräsident und seine Frau besuchen zwei neu errichtete Einzelhandelsschulen und die Jugendberufsagentur in Hamburg.
Der Bundespräsident duckt sich, taucht unter eine Ablage mit Schnittlauch und Petersilie – und nimmt die Süßigkeiten ins Visier. In dieser Hauswirtschaftsküche werden Lebensmittel verkostet, hat er gerade erfahren. „Aber mit der Schokolade fängt es an“, ruft Frank-Walter Steinmeier (SPD) und lacht schallend. Dann bricht er ein Stück von der Tafel ab, auch seine Frau Elke Büdenbendergreift zu, beide gucken genießerisch und posieren für die Fotografen, beobachtet von zehn Berufsschülern, die gegenüber den Journalisten eindeutig in der Unterzahl sind.
Hamburg bei sonnigem Wetter, wissbegierige junge Menschen und dann noch Schokolade – es gibt unangenehmere Termine für ein Staatsoberhaupt. Deshalb lassen Steinmeier und seine Gattin bei ihrem Besuch in der Berufsschule Anckelmannstraße am Dienstag auch den großen Medienandrang fröhlich über sich ergehen.
Höchster technischer Standard
Das Präsidentenpaar hat die Schirmherrschaft für die „Woche der beruflichen Bildung“ (vom 16. bis zum 20. April) übernommen. Auf der Rundreise durch die Republik ist Hamburg nach Berlin die zweite Station der beiden – „und das nicht ganz zufällig“, wie Steinmeier sagt. Sie seien gekommen, „weil wir wissen, dass hier in Hamburg engagiert gearbeitet wird für die Verbesserung der beruflichen Ausbildung“, erklärt der Bundespräsident. „Und was könnte aussagekräftiger sein als diese Schule hier.“
Der Schulstandort Anckelmannstraße in Borgfelde ist neu, sieht schick aus, ist damit aber nur bedingt repräsentativ. Rund 70 Millionen Euro hat der Senat in das Zentrum für die Ausbildung im Einzelhandel investiert. In den beiden Gebäuden lernen seit November 2017 etwa 4000 Schüler. Ehemals vier getrennte Berufsschulen sind hier zur Berufsschule Anckelmannstraße und zur Berufsschule für Wirtschaft und Handel Hamburg-Mitte fusioniert. Damit ist das Schulentwicklungsprogramm des Senats abgeschlossen, nach dem der Unterricht zu verwandten Ausbildungsberufen an bestimmten Standorten zusammengeführt werden sollte, um dort die Expertise der Lehrer zu bündeln.
„Diese Schule ist ausgestattet mit dem höchsten technischen Standard, den wir an deutschen Berufsschulen kennen“, lobt Steinmeier. Deutschland sei „wirtschaftlich stark, wenn wir eine Balance haben zwischen der beruflichen Ausbildung und der akademischen Ausbildung“, sagt er. „Wir sind auch unterwegs, um den Eltern zu sagen: Aufstieg durch Bildung, das funktioniert nicht nur über Abitur und Studium. Auch eine gute berufliche Ausbildung kann Aufstieg bedeuten.“
Frau Büdenbender übernimmt die Führung
Seine Frau pflichtet ihm bei. Sie hoffe, dass sich künftig auch noch mehr Lehrer für Berufsschulen begeistern ließen, so Elke Büdenbender. Ihren Mann oft hinter sich, übernimmt sie in den Gesprächen mit den Schülern immer wieder die Führung, fragt die Auszubildenden in der Hauswirtschaftsküche, was sie über die Produktion von Lebensmitteln, fairen Handel und gesunde Ernährung lernen – und warum sie Schokolade verkosten. Letzteres hat wenig mit Schlemmerei zu tun, erfährt das Präsidentenpaar. Vielmehr sollen die Azubis ihre Kunden gut beraten können, zu Inhaltsstoffen und Allergenen, aber auch zum Geschmack. „Sehr sympathisch und sehr interessiert“ seien Steinmeier und Büdenbender, sagt Schülerin Janina Bredow, die im zweiten Ausbildungsjahr ist.
Aufregung herrscht zeitweise auch auf dem Schulhof, wo Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) vor die Presse tritt, umlagert von Schülern. Moderne Räume sorgten für eine gute Stimmung, sagt er. „Hier ist richtig Spirit.“ Dann dreht er sich zu den Azubis um: „Na, wollen wir ein Selfie machen?“ Gut 20 Schüler wollen. Der Bürgermeister wird von seiner Frau Eva-Maria begleitet. Auch Schulsenator Ties Rabe (SPD) ist beim Besuch des Bundespräsidenten dabei, später stößt noch Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) dazu.
Steinmeier ist von der Hauswirtschaftsküche in den Raum nebenan gewechselt. Statt einer Tafel hängt dort ein Touchscreen. Darauf lassen sich nicht nur Präsentationen ansehen und Internetseiten aufrufen, sondern auch Ergebnisse handschriftlich festhalten. Diese digitalen Tafelbilder können die Schüler via Internet auch zu Hause aufrufen.
58 Mitarbeiter unterstützen die Jugendlichen
Thematisch geht es gerade wieder um Schokolade. „Anbau“, „Länder“ und „Kinderarbeit“ haben die Azubis auf den Bildschirm geschrieben. Steinmeier setzt sich zu einer Gruppe an den Tisch: „Und – haben Sie schon etwas Beunruhigendes herausgefunden über die Anbaumethoden?“, will der Bundespräsident wissen. Das sei erst Thema der nächsten Stunde, lautet die Antwort.
Am Nachmittag besichtigen Steinmeier und seine Frau die Jugendberufsagentur (JBA) in Wandsbek. Nach dem Motto „Kein Abschluss ohne Anschluss“ unterstützen dort 58 Mitarbeiter Jugendliche und junge Erwachsene bei der Suche nach einer Ausbildung oder einem Studium. Welchen Eindruck er von der JBA habe, fragt ein Reporter den Bundespräsidenten. Steinmeier holt Luft – da hat seine Frau schon geantwortet: „Toll!“