Hamburg. Erstmals liegt die Partei der “Grünen“ in einer Umfrage vor der CDU. Eine eigene Bürgermeisterkandidatin gilt als denkbar.
18 zu 16. Es sind nur zwei Zahlen, aber sie bringen das politische Gefüge in Hamburg kräftig durcheinander. Einer aktuellen Umfrage zufolge kämen die Grünen auf 18 Prozent der Stimmen, die CDU jedoch nur auf 16 Prozent. Erstmals liegt der Koalitionspartner der SPD (die auf 36 Prozent kommt, siehe unten) damit auf Platz zwei der Wählergunst, und es stellt sich die Frage: Wohin führt der Höhenflug der Grünen noch?
Die führenden Vertreter der Partei waren am Montag bemüht, den Ball flach zu halten. „Wir freuen uns sehr über dieses Kompliment für unsere Arbeit“, sagte die Landesvorsitzende Anna Gallina, betonte aber zugleich: „Am Ende zählen nicht Umfragewerte, sondern Wahlergebnisse. Deshalb gilt die Devise: weitermachen und nicht nachlassen.“
Die Demut speist sich auch aus leidvollen Erfahrungen: Ende 2010, nach dem von ihnen herbeigeführten Bruch der schwarz-grünen Koalition, hatten die Grünen in Umfragen sogar bei bis zu 21 Prozent gelegen, jeweils knapp hinter der CDU. Bei der Wahl Anfang 2011 landete die Öko-Partei dann jedoch bei nur 11,2 Prozent, mehr als zehn Punkte hinter der CDU – und in die Röhre guckten beide: Denn die SPD unter Olaf Scholz holte die absolute Mehrheit und regierte fortan allein.
Portion Ungenauigkeit
„Man sollte Umfrageergebnisse nicht überbewerten. Da liegt eine große Portion Ungenauigkeit drin“, sagte daher der grüne Umweltsenator Jens Kerstan. Ähnlich äußerte sich Fraktionschef Anjes Tjarks: Man nehme die Daten „als Ansporn, weiter konsequent auf harte Sacharbeit zu setzen“.
Dennoch stellt sich die Frage, warum nur die Grünen jetzt, mitten in der Legislatur, so kräftig hinzugewinnen. Ein Grund, der intern wie extern oft genannt wird, ist die geschickte Rollenverteilung und Besetzung von Themen: Hier die Wissenschaftssenatorin und Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank, die Optimismus und Aufbruchstimmung zu erzeugen und Menschen für sich einzunehmen vermag. Dort der bei Bedarf auch mal polternde Umweltsenator Kerstan, der bei ur-grünen Themen wie Diesel-Fahrverboten oder Kohleausstieg klare Kante zeigt.
Die richtigen Leute in den richtigen Ämtern
Dazwischen mit Fraktionschef Tjarks ein geschickter Vermittler als Scharnier zur SPD. „Bei uns Grünen haben die richtigen Leute die richtigen Ämter“, sagte der Verkehrsexperte Martin Bill, zugleich stellvertretender Landesvorsitzender. Und Kerstan meinte: „Wir haben durch engagiertes Eintreten für grüne Identitätsthemen viel für die Umwelt, für das Grün und die Lebensqualität in Hamburg erreicht.“
Fegebank sieht die Umfrage als ermutigenden Fingerzeig, was für Grüne in Hamburg möglich ist: „Wir stehen für Optimismus, haben erfolgreich Zukunftsthemen wie Wissenschaft und Forschung in den Fokus gerückt und kämpfen gleichzeitig für bessere Luft, weniger Lärm und den Erhalt der Natur in einer wachsenden Stadt. Dieser Mix wird offensichtlich honoriert.“
--- Viele kennen Peter Tschentscher nicht ---
Für Justizsenator Till Steffen liegt ein Rezept des Erfolgs in einer engen und guten Abstimmung der grünen Akteure untereinander. „Wir achten sehr darauf, dass wir beisammenbleiben.“ Zudem komme auch den Hamburger Grünen die Entwicklung der Bundespartei sehr entgegen. Während die Bundessprecher sich früher oft widersprochen hätten, arbeite das neue Duo Baerbock/Habeck eng und vertrauensvoll zusammen und spreche eine klarere und weniger abgehobene Sprache.
Fegebank zurückhaltend
Nachdem Fegebank zwischen dem Abgang von Olaf Scholz nach Berlin und der Wahl des neuen Bürgermeisters Peter Tschentscher im März für zwei Wochen mit sichtlicher Freude die Geschäfte des Senats geführt hatte, drängt sich im Angesicht der aktuellen Umfrage die Frage auf: Werden die Grünen 2020 erstmals eine eigene Bürgermeisterkandidatin nominieren?
Die Frage „ehrt uns“, sagte Parteichefin Gallina: „Katharina Fegebank hat im März gezeigt, dass sie die Stadt souverän regieren kann. Und natürlich könnten wir uns auch perspektivisch eine grüne Bürgermeisterin vorstellen.“ Fegebank selbst gibt sich zurückhaltend: „Wenn meine kurze Interimszeit an der Spitze des Senats Fantasien beflügelt hat, dass auch mal eine Frau und Grüne Erste Bürgermeisterin dieser Stadt werden kann, dann freut mich das. Aber diese Frage stellt sich zurzeit nicht ernsthaft. Wir sollten auf dem Teppich bleiben, auch wenn er gerade fliegt.“
Im Übrigen gelte für die Grünen: „Inhalte kommen vor Personen.“ Bill wird noch deutlicher. „Wir sollten jetzt nicht durchdrehen. Die SPD hat 18 Prozent mehr als wir Grüne.“ Da wäre es „wenig glaubwürdig“, eine Bürgermeisterkandidatin aufzustellen.
Bei der auf Platz drei verdrängten CDU waren Durchhalteparolen angesagt: „Die großen Unterschiede zweier Hamburg-Umfragen in kürzester Zeit zeigen die große Dynamik in Hamburgs aktueller Politiklandschaft“, sagte Fraktionschef André Trepoll. Er riet dem Regierungslager: „Denen, die sich bei Rot-Grün zu früh freuen und die sagen, dass wir keine Chance haben, antworte ich: Die werden wir nutzen.“