Hamburg. Neue Technik soll Hamburgs S-Bahn-System deutlich verbessern. Erste Hamburger Teststrecke für autonom fahrende Bahnen geplant.

Die S-Bahn Hamburg setzt auf moderne Technik, um für die Zukunft gut aufgestellt zu sein. „Wir stehen vor zahlreichen Herausforderungen, und wer den Kunden ein zuverlässiges Produkt bieten möchte, muss investieren“, sagte S-Bahn-Chef Kay Uwe Arnecke dem Abendblatt.

S-Bahn Stellwerk; das moderne Stellwerk in Ohlsdorf; Fahrdienstleiterin Ines Lorenzen lok, ug
S-Bahn Stellwerk; das moderne Stellwerk in Ohlsdorf; Fahrdienstleiterin Ines Lorenzen lok, ug © Andreas Laible | Andreas Laible

Noch unterhält die S-Bahn 17 Stellwerke überwiegend aus den 70er-Jahren, über die Signale und Weichen an der Strecke bedient werden. Diese seien störanfällig und veraltet, so Arnecke. Deshalb setzt Arnecke auf elektronische Stellwerke, die per Computertechnik gesteuert werden. „Diese sind sehr zuverlässig, weniger wartungsintensiv und wirtschaftlicher“, so Arnecke. Bislang gibt es davon nur jeweils eines in Bergedorf und Ohlsdorf. Im Laufe der 2020er-Jahre plant die S-Bahn nach Abendblatt-Informationen deshalb, auch die 15 weiteren Stellwerke durch elektronische Stellwerke zu ersetzen. Dafür würden Standorte zusammengelegt. Die Kosten für den Neubau liegen im oberen zweistelligen Millionenbereich. Derzeit werden elektronische Stellwerke für die Standorte zwischen Altona und Wedel konkret geplant.

Erste Teststrecke für autonom fahrende Bahnen geplant

Die Planungen von Arnecke, der seit fast zehn Jahren die Geschicke der Deutschen-Bahn-Tochter lenkt, gehen aber noch deutlich weiter. „Für die Zukunft der Hamburger S-Bahn brauchen wir den Einsatz des europäischen Zug­beeinflussungssystems ETCS.“ Dafür werden Datenträger entlang der Strecke eingebaut, die den jeweiligen Standort des Zuges an die Stellwerke übertragen. Im Gefahrenfall wird der Zug automatisch zum Halten gebracht. „Das ETCS-System sorgt dafür, dass der Mindest­abstand zwischen den Zügen eingehalten wird. Das heißt, es würden letztendlich auch keine Signale mehr gebraucht“, so Arnecke. Zudem sorge das System für einen zügigeren Betriebsablauf und wäre für das Hamburger S-Bahn-Netz ein großer Gewinn, weil es deutlich weniger störungsanfällig als die bisherigen Signalanlagen sei. Auch würde die Kapazität des Netzes steigen, sodass mehr Züge eingesetzt werden können, sagte Arnecke.

Diese Technik wird auch auf einem Teilabschnitt der neuen ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Berlin und München eingesetzt. Für Hamburg werden Kosten derzeit noch ermittelt. Der S-Bahn-Chef setzt dabei auf Unterstützung vom Hamburger Senat sowie vom Bund. Denn in ihrem Koalitionsvertrag haben CDU und SPD festgehalten, die Digitalisierung der Schiene, auch auf hoch belasteten S-Bahn-Strecken, voranzutreiben und den Ausbau der europäischen Leit- und Sicherungstechnik ETCS, elektronischer Stellwerke und Umrüstung der Lokomotiven durch den Bund zu unterstützen.

Teststrecke für autonomes Fahren

Außerdem plant die S-Bahn, anlässlich des ITS-Weltkongresses im Jahr 2021 in Hamburg, eine erste Teststrecke für automatisch fahrende S-Bahnen einzurichten. Auch dafür sei der Einsatz der ETCS-Technik notwendig, sagte Arnecke.

Allein bis Mitte der 2020er-Jahre rechnet die S-Bahn in Hamburg mit einem weiteren Anstieg der Fahrgastzahlen von aktuell rund 750.000 auf bis zu 900.000 pro Tag. Schon jetzt müsse aufgrund der großen Nachfrage gehandelt werden, sagte Arnecke. Deshalb sollen zum Fahrplanwechsel im Dezember 2018 die Kapazitäten erweitert werden. Dann tritt auch der neue Verkehrsvertrag zwischen der Stadt und der S-Bahn in Kraft. Das Verkehrsunternehmen hat für weitere 15 Jahre den Zuschlag erhalten, das S-Bahn-Netz in Hamburg zu betreiben. So sollen auf der stark frequentierten Linie S 3 zwischen Elbgaustraße und Neugraben zur Hauptverkehrszeit alle Züge mit jeweils neun Wagen statt mit sechs Wagen fahren. Die eingesetzten Langzüge sollen dann Platz für bis zu 1500 Fahrgäste bieten.

Immer mehr Fahrgäste

Für die S 1 zum Flughafen gibt es nach Abendblatt-Informationen ebenfalls Planungen, die zum Fahrplanwechsel im Dezember 2019 realisiert werden könnten. Anstatt der einst prognostizierten 3,5 Millionen Fahrgäste pro Jahr wird in diesem Jahr mit rund 7,5 Millionen gerechnet. Bislang fährt die S 1 mit sechs Wagen bis nach Ohlsdorf, dort werden drei Wagen in Richtung Flughafen abgekoppelt, drei Wagen fahren weiter nach Poppenbüttel. Der Plan: Die S 1 könnte mit sechs Wagen vom Hauptbahnhof zum Flughafen als eigenständige Linie fahren, um die Kapazitäten zu erhöhen.