Hamburg . Weisser Ring bietet Menschen Hilfe an, die Zeugen der Bluttat am Bahnhof Jungfernstieg wurden. Große Anteilnahme der Bürger.
Am Hamburger Bahnhof Jungfernstieg herrscht reger Betrieb, Leute eilen von Bahnsteig zu Bahnsteig. Auch am Sonntag aber bleiben erneut viele Menschen stehen, verharren schweigend im Getöse der ein- und ausfahrenden S-Bahnen, manche legen Blumen nieder – an der Stelle, an der am Donnerstag eine Mutter (34) und ihre einjährige Tochter vor den Augen vieler Passanten erstochen worden waren. Das Mädchen starb noch auf dem Bahnsteig, seine Mutter wenig später im Krankenhaus. Der Täter, Ex-Freund der Mutter und Vater des Kindes, sitzt in Untersuchungshaft. Ihm wird zweifacher Mord vorgeworfen.
Weisser Ring bietet Hilfe
Tatzeugen können sich auch beim "Weissen Ring" melden, wenn sie Hilfe benötigen. Darauf wies die Opferorganisation am Sonntag hin. Selbstverständlich stelle der "Weisse Ring" auch Zeugen der Bluttat qualifizierte professionelle psychologische Unterstützung zur Verfügung.
Betroffene finden im Internet unter www.weisser-ring.de nach Eingabe ihrer Postleitzahl Ansprechpartner der regionalen Außenstellen. Alternativ können sie die bundesweit kostenlose Opfer-Telefonnummer 116006 wählen. Den Angaben zufolge betreut der "Weisse Ring" die Familie der getöteten Frau und die mittelbar Betroffenen in Hamburg und Mecklenburg.
Vater ersticht Kind und Mutter am Jungfernstieg
Noch viele offene Fragen
Der Innenausschuss der Hamburger Bürgerschaft soll sich bei seiner nächsten Sitzung im Mai mit dem Messerangriff befassen. Einen entsprechenden Antrag hat die CDU-Bürgerschaftsfraktion gestellt.
Es seien noch viele Fragen offen, teilte die Fraktion mit. Der mutmaßliche Täter aus Niger gehörte zu einer Gruppe von Migranten aus Afrika, die in Hamburg „Lampedusa-Gruppe“ genannt wird. Sie verurteilte am Sonntag den „brutalen Akt auf das Schärfste“ und sprach den Hinterbliebenen ihr Beileid aus. „Niemand hat das Recht, einem anderen Menschen das Leben zu nehmen, egal unter welchen Bedingungen.“ Als politische Bewegung gegen Rassismus stelle sich die Gruppe gegen diejenigen, die den Vorfall nun nutzen wollten, die Gruppe zu diskreditieren, teilte sie mit.
Der mutmaßliche Täter sei nur bis 2014 Gruppenmitglied gewesen. Dem 33-Jährigen, der 2013 eingereist war, war wegen seiner Vaterschaft eine Aufenthaltserlaubnis bis 2019 erteilt worden.
"Sehr bedrückend"
Am Sonnabend kniete eine Frau am Tatort auf dem Bahnsteig nieder und legte eine pinkfarbene Rose zu den vielen anderen Blumen, Kerzen, Stofftieren und Beileidskarten. „Wenn man hier so durchgeht, ist das sehr bedrückend“, sagte die Hamburgerin, selbst Mutter von vier Kindern.
Der Betreiber eines Kiosks auf dem Bahnsteig, Kamber Cengiz, berichtete: „Ich stehe noch immer unter Schock. Unfassbar“. Und schüttelte den Kopf. Seine Kollegin sei nach der Attacke aus dem Kiosk gerannt, um zu helfen. Er selbst sei hinter dem Tresen geblieben. Menschen hatten sich aus Angst in seinen kleinen Laden geflüchtet. Viele weinten, andere rannten in Richtung der Bahnhofsausgänge. Cengiz sah nach eigenem Bekunden auch den mutmaßlichen Täter wegrennen.
Streit um Sorgerecht
Der Verdächtige wurde kurz nach der Tat in der Einkaufsmeile Mönckebergstraße gefasst. Der Mann hatte nach Angaben eines Gerichtssprechers mit der Mutter um das Sorgerecht für die kleine Tochter gestritten. Bei einer Anhörung am Tag vor der Tat habe die Familienrichterin deutlich gemacht, dass sie vor dem Hintergrund der familiären Konfliktsituation den Antrag auf gemeinsames Sorgerecht ablehnen werde. Denn aus den Akten des Amtsgerichts soll hervorgehen, dass der 33-Jährige seine Ex-Freundin bedroht hat.
Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Nana Frombach, berichtete im „Hamburg Journal“ des NDR, dass die Mutter Anfang dieses Jahres deswegen Strafanzeige gegen den Vater gestellt habe. Daraufhin habe die Polizei eine sogenannte Gefährderansprache an den Mann gerichtet. Er habe die Bedrohung nicht ernst gemeint, soll der mutmaßliche Messerstecher damals den Beamten nach Angaben der Staatsanwaltschaft gesagt haben.
Beim Hafttermin am vergangenen Freitag hat sich der Beschuldigte nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht geäußert.
Zurück am Jungfernstieg: „Das geht ans Herz, weil es ein Kind war“, sagte eine Frau aus Barmbek, die Hand ihrer eigenen Tochter fest umklammert. „Für die Geschwister tut's mir leid“, fügte sie hinzu. Die getötete Mutter hinterlässt vier Kinder.
Der Verein „Kinder helfen Kindern“ des „Hamburger Abendblatt“ ruft zu einer Spendenaktion zu Gunsten der Geschwister auf.
Spenden für die Kinder der Ermordeten
Das Abendblatt möchte die Kinder unterstützen, die bei dem Familiendrama ihre Mutter verloren haben. Wer für die vier Geschwister spenden möchte, kann dies tun über den Abendblatt-Verein „Kinder helfen Kindern“; Stichwort: Familiendrama Jungfernstieg.
Spenden an den Abendblatt-Verein Kinder helfen Kindern e. V. IBAN: DE25 2005 0550 1 280 144 666 BIC: HASPDEHHXXX (Hamburger Sparkasse) Stichwort: Familiendrama Jungfernstieg