Hamburg. Kitas blieben geschlossen, der Müll wurde nicht abgeholt – und an der Staatsoper fiel eine Vorstellung aus.

Drei Stunden nach dem Aufritt von ver.di-Chef Frank Bsirske in Hamburg bildeten sich am Besenbinderhof Menschenschlangen. Während einige Gewerkschaftsmitglieder mit dem Slogan „Wir sind es wert“ auf dem Platz standen, warteten andere darauf, bis sie an der Reihe waren. Dann konnten sie sich für das Streikgeld registrieren lassen, dessen Höhe vom Mitgliedsbeitrag abhängig ist.

Keiner der Streikenden aus dem öffentlichen Dienst kam am Donnerstag zum bloßen Zeitvertreib zum Hamburger Gewerkschaftshaus. „Dieser Warnstreik ist vielmehr notwendig, weil der Arbeitgeber noch immer kein Angebot vorgelegt hat“, ärgerte sich Sabine Lafrenz, Betriebsrätin bei der Elbkinder Vereinigung Hamburger Kitas gGmbH.

Insgesamt 4000 Streikende allein in Hamburg

Das städtische Unternehmen in privater Rechtsform wurde am Donnerstag genauso bestreikt wie die Stadtreinigung, das Schauspielhaus und die Staatsoper, die Hamburg Port Authority, der Zoll, das Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrografie (BSH) und einige öffentliche Bücherhallen. Die Staatsoper musste deswegen die Vorstellung „Illusionen – wie Schwanensee“ absagen. Darüber hinaus wurden 35 von 186 Elbkinder-Kitas geschlossen.

Insgesamt traten rund 4000 Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in Hamburg in den Ausstand. „Die Resonanz übertrifft unsere Erwartungen“, sagte Björn Krings, Sprecher des ver.di-Landesverbandes. Auch in Niedersachsen und Schleswig-Holstein wurde für mehr Geld im öffentlichen Dienst gestreikt. Die Gewerkschaft will erreichen, dass die bundesweit rund 2,3 Millionen Tarif­be­schäftigten – darunter 25.000 in Hamburg – sechs Prozent mehr Lohn und Gehalt bekommen, mindestens aber 200 Euro pro Monat mehr.

Viele Kunden waren auf Müllabfuhrstreik eingestellt

Um 6 Uhr beginnt bei der Hamburger Müllabfuhr der Dienst. Normalerweise. Doch am Donnerstag erschienen rund 35 Prozent der 3000 Mitarbeiter nicht zur Arbeit – sie beteiligten sich am Streik, hieß es bei der Stadtreinigung. Zahlreiche Kunden der zwölf Recylinghöfe hatten sich allerdings schon im Vorfeld auf den Warnstreik eingestellt. Zum geöffneten Recylinghof an der Rahlau in Wandsbek kamen an dem Morgen um 10 Uhr deutlich weniger Kunden als sonst.

Am Krähenweg in Niendorf lief der Recycling-Betrieb ganz normal. Es habe bislang keinerlei Einschränkungen gegeben, sagte eine Mitarbeiterin am Vormittag. Sie selbst komme von einem anderen Standort ebenso wie mehrere Kollegen, die an diesem Tag am Krähenweg arbeiteten. An diesem Morgen sei etwas weniger los als sonst, sagte sie, weil viele damit gerechnet hätten, dass geschlossen sei. Kunde Carsten Göring aus Schnelsen beispielsweise war froh, dass er seine drei Säcke Grünzeug problemlos abgeben konnte. Eine weitere Kundin sagte: „Ich habe von den Streiks bei der Müllabfuhr gehört, habe die Streikenden dann auf der Straße gesehen.“ Da sie ihren freien Tag hatte, sei sie mit dem Sperrmüll zum Recylinghof gefahren und konnte ihn „zum Glück“ abgeben. Am heutigen Freitag wollen Mitarbeiter der Stadtreinigung ihren Ausstand fortsetzen. Weitere Streiks in anderen öffentlichen Betrieben sind für heute nicht geplant.

70 Prozent der Kitas boten einen Notbesetzung an

8 Uhr, Elbkinder-Kita Rauchstraße in Wandsbek. Diese Einrichtung bot eine Notbesetzung an – wie rund 70 Prozent aller Kindertagesstätten. Von 37 Erzieherinnen waren 18 anwesend. Zwei betroffene Mütter äußerten sich kritisch zum eintägigen Warnstreik: „Wir Eltern müssen jetzt zusammenhalten.“ Eine andere Mutter sagte: „Der Streik und die damit verbunden Forderungen sind grenzwertig. Wenn das mit dem Streik bei heute bleibt, wäre das in Ordnung.“

Nach Betriebsratsangaben zählen die Elbkinder-Kitas rund 6500 Mitarbeiter. „Angesichts der gestiegenen Kosten in Hamburg ist das Einkommen vieler Kollegen zu gering“, klagte Betriebsrätin Lafrentz. Eine Sozialpädagogin aus der Kita Berzeliusstraße betonte, angesichts des gegenwärtigen Lohnniveaus sei es schwer, dringend notwendiges Fachpersonal zu finden.

In Hannover gingen 10.000 Beschäftigte auf die Straße

Gestreikt wurde auch bei der Hamburg Port Authority (HPA), der Hafenbehörde. Der Schwerpunkt lag in einem Bereich, der für die Steuerung von Brücken und Schleusen zuständig ist. „Beeinträchtigungen sind mir zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt“, betonte aber HPA-Sprecher Kai Gerullis.

„Die Verweigerung der Arbeitgeber steht im krassen Gegensatz zur wirtschaftlichen Lage im Lande“, hatte der Gewerkschaftsvorsitzende Frank Bsirske bei der Hamburger Auftaktkundgebung um 8 Uhr vor dem Sitz der Arbeitgeberverbände gesagt. Gerade der Fachkräftemangel erfordere verbesserte Arbeitsbedingungen, sagte Bsirske, der anschließend weiter nach Hannover fuhr. Dort kamen rund 10.000 Teilnehmer zu einer landesweiten Protestkundgebung. In Schleswig-Holstein legten etwa 5000 Beschäftigte die Arbeit nieder; betroffen waren auch die Schleusen am Nord-Ostsee-Kanal.