Hamburg. CDU-Fraktionschef Trepoll konterte Regierungserklärung: Kein Neustart, kein neuer Aufbruch, keine neuen Ideen. FDP fordert mehr Mut.

Regierungserklärungen abzugeben ist ein Privileg der Hamburger Bürgermeister, mit dem sie sehr sparsam umzugehen pflegen. Faustregel: Nicht mehr als eine pro Jahr. Umso mehr dient dieses Instrument zur Standortbestimmung – für die Regierung, aber auch für die Opposition.

Nachdem der neue Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) dem Parlament am Mittwoch in einer 35 Minuten langen Rede erstmals seine Vorstellung von Hamburg vorgetragen hatte (siehe unten), nutzte CDU-Fraktionschef ­André Trepoll die Gelegenheit zu einem Mix aus Generalabrechnung und Gegenentwurf, der mit Blick auf die Bürgerschaftswahl in zwei Jahren den Regierungsanspruch seiner Partei untermauerte: „Das werden wir 2020 ändern“ – mit diesem Satz beendete der Oppositionsführer gleich mehrfach die Kritik am rot-grünen Senat und deutete gleichzeitig seinen Anspruch auf die Bürgermeisterkandidatur an.

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„Kein von den Hamburgern erhoffter Neustart, kein neuer Aufbruch, keine neuen Ideen“, warf Trepoll Tschen­tscher vor und zitierte Helmut Schmidt: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“, habe der Altkanzler einst gesagt. „Ich füge hinzu“, so Trepoll, „wer gar keine Ideen für die Zukunft hat, dem hilft auch der Arzt nicht mehr“ – eine Anspielung auf Tschentscher, der promovierter Mediziner ist. Der Bürgermeister habe ein „rot-grünes Weiter-so“ präsentiert, dem die Christdemokraten ihr Konzept „Zurück in die Zukunft” gegenüberstellten – wiederum eine Anspielung auf die CDU-Regierungszeit im vergangenen Jahrzehnt.

Hamburg soll sicherste deutsche Großstadt werden

Konkret forderte Trepoll mehr wirtschaftliche Dynamik, damit Hamburg als Handelsmetropole „selbstverständlich unter den Top-drei-Regionen Deutschlands“ rangiere. „Dazu bedarf es dringend einer Ansiedlungspolitik, die den Namen auch verdient“, so Trepoll. Außerdem müsse die Digitalisierung stärker vorangetrieben werden: „Jedes Gewerbegebiet, jede Hafenfläche und jeder Stadtteil muss selbstverständlich über schnelles Internet verfügen.“

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Große Unterschiede gebe es in der Verkehrspolitik: „Rot-Grün setzt auf ideologische Verdrängung, Begrenzung, Überregulierung und Umerziehung, wir hingegen setzen auf intelligente Lösungen, auf den technischen Fortschritt.“ Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge lehne seine Partei ab, so der CDU-Fraktionschef, der zum Thema Innere Sicherheit sagte: „Meine Vision ist es, Hamburg zur sichersten Großstadt Deutschlands zu machen.“

Dazu müsse man deutlich mehr Polizeibeamte einstellen, für mehr Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten sorgen, einen „SOS-Dienst für mehr Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit“ in allen Bezirken einführen und die Rote Flora schließen. Scharf kritisierte er, dass Tschen­tscher kein Wort zum Thema Integration gesagt habe.

Beim Thema Wohnungsbau ging Trepoll mit der Idee in die Offensive, ein fünfjähriges „Mietpreis-Moratorium“ für die 130.000 Saga-Wohnungen zu erlassen: „Das entlastet nicht nur die Mieter der Saga, sondern den Mietermarkt in ganz Hamburg, da der Mietenspiegel dann nicht mehr so stark steigt.“

Tjarks: „Aufpassen, dass es einen nicht zerreißt“

Der neue SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf konterte energisch: Der Oppositionsführer habe ein „nie gekanntes Ausmaß an Selbstüberschätzung“ gezeigt und wirre Falschbehauptungen aufgestellt. Hamburg verzeichne die niedrigste Kriminalitätsrate seit 15 Jahren trotz 100.000 Einwohnern mehr. „Das ist doch ein riesiger Erfolg“, so Kienscherf. Während die CDU an der Polizei gespart habe, wolle der Senat 500 zusätzliche Polizisten einstellen. „Zurück in die Zukunft?“, fragte er mit Blick auf das CDU-Motto. „Die Hamburger würden sich schon freuen, wenn Sie mal in der Gegenwart ankommen.“

Leitartikel: Bei Tschentscher bleibt vieles vage

Auch Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks ging hart mit Trepoll ins Gericht: „Wenn man die Linke beim Wohnungsbau links überholen will und die AfD bei der inneren Sicherheit rechts, dann muss man aufpassen, dass es einen nicht zerreißt – insbesondere wenn man Bürgermeister-Kandidat werden will.“ Generell seien die CDU-Vorschläge nicht stimmig, so Tjarks, der darauf verwies, dass die Partei noch mehr Wohnungen bauen wolle als Rot-Grün (14.000 statt 10.000 pro Jahr), andererseits aber diverse Bauprojekte in den Bezirken blockiere. Tjarks deutete an, dass auf dem Kleinen Grasbrook im Hafen Forschungseinrichtungen entstehen könnten, nach dem Motto: „Vom Tor zur Welt zum Labor für die Welt.“

FDP-Fraktionschef Kruse fordert mehr Mut

Rhetorisch geschickt griff FDP-Fraktionschef Michael Kruse den Tschen­tscher-Satz „Hamburgs beste Tage liegen noch vor uns“ auf. „Wir unterstützen die positive Grundhaltung, die diese Aussage beinhaltet“, so Kruse, um dann zu kritisieren, dass Tschentschers Politik verhindere, dass die besten Tage noch kommen. „Das uninspirierte Weiter-so wird nicht reichen, um Hamburgs Potenziale voll auszuschöpfen.“ Nötig seien Trendwenden bei Digitalisierung, Wirtschaft, Verkehr und Bildung. „Damit Hamburgs beste Tage vor uns liegen, müssen Sie mutige Politik machen“, rief Kruse Tschentscher zu.

Der hamburgische FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Kruse.
Der hamburgische FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Kruse. © dpa

Mehr Mut forderte auch Linken-Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus vom Bürgermeister. „Alle Maßnahmen des Senats halten die Armutsquote nur stabil, und zwar auf sehr hohem Niveau. Zeigen Sie Biss, Herr Bürgermeister, machen Sie die Armutsbekämpfung zur Chefsache“, sagte Boeddinghaus. Ein kostenfreies Frühstück in den Kitas sei ein Weg, die nachhaltige Ausweitung sozialen Wohnungsbaus ein anderer.

AfD-Fraktionschef Jörn Kruse machte aus seiner Verehrung für Olaf Scholz kein Hehl, den er als „einen der besten Politiker, die die SPD überhaupt vorweisen kann“, bezeichnete. Dann sprach Kruse vor allem über das Thema Islam und die aus seiner Sicht integrationsfeindliche Rolle der Islamverbände. Ausführlich widmete er sich den „Merkel muss weg“-Demonstranten, deren Meinungsfreiheit eingeschränkt sei. Den Hinweis von Bürgerschafts-Vizepräsidentin Christiane Schneider, zum Thema zu reden, konterte Kruse mit dem Satz: „Was das Thema ist, müssen Sie mir schon überlassen.“