Hamburg. Neue Ausstellung im Völkerkundemuseum zeigt viel Gutes, Schönes und Brauchbares – und natürlich geht es auch um Politik

Mit der Ausstellung „Flow of Forms – Forms of Flow“ gibt Barbara Plankensteiner, Direktorin des Museums für Völkerkunde, einen ersten Blick auf den neuen Kurs ihres Hauses frei. Hier werden zeitgenössische, meist urbane „Designgeschichten zwischen Afrika und Europa“ erzählt. Ländliche Traditionen aus bestimmten Kulturen vermitteln sich eher sekundär.


Die Ausstellung

Die Kuratorinnen Kerstin Pinther und Alexandra Weigand wollen im Völkerkundemuseum keine Überblicksausstellung zeigen, sondern aktuelle Designpraktiken aus Afrika und Europa vorstellen, die durch Zusammenarbeit, Adaption und Transformation geprägt sind. Einen roten Faden zu suchen ist vergeblich, da die Schau stattdessen Beispiele für bestimmte Designthemen präsentiert. Wer sich inspirieren lassen möchte, wer viel Neues und Sinnvolles im Hinblick auf Kreativität und nachhaltiges Wirtschaften erfahren will, ist hier goldrichtig.

Auch die politische Dimension von Design in Afrika wird an interessanten Beispielen deutlich. Lediglich der kleine historische Teil, der Fotos und Exponate aus der eigenen Sammlung vereint, ist schwach ausgeleuchtet, und die Verbindung zum Rest der Ausstellung erhellt sich kaum. Allerdings repräsentieren einige Stücke kulturelle Verflechtungsgeschichten aus früheren Zeiten.


Die Designer

Mehr als 40 Designer, Ingenieure, Grafiker und Theoretiker sind in der Schau vertreten. Zu sehen sind Möbel, Gebrauchsgegenstände, Stoffe, kreative Mode, Zeitschriften, Installationen, Architekturmodelle, Miniroboter oder Filme wie der des Produktdesigners Markus Kayser, der mit Solarenergie im 3-D-Druck-Verfahren Objekte aus marokkanischem Wüstensand herstellt.

Die Ausstellung bietet nur wenige Europäer auf, die mit afrikanischen Designern, Traditionen oder Produkten arbeiten. Einer ist der Italiener Paolo Cascone: Er gründete ein Designlabor, das auf der Zusammenarbeit europäischer und afrikanischer Studierender beruht. Im Zentrum stehen Projekte, die auf Teilhabe und Eigenbau beruhen – eine Reaktion auf den Mangel an Architekten- und Designausbildungsstätten vor Ort.

Muster gelten als typisch afrikanisch

Die Rotterdamer Designerin Simone Post stellt dagegen aus Ausschuss-Stoffen der in Afrika dominanten und deshalb umstrittenen niederländischen Firma Vlisco Teppiche und anderes her. Die Muster der Stoffe gelten als typisch afrikanisch, stammen in Wirklichkeit aber aus Indonesien – Post realisiert also eine weitere Transformation. Aufschlussreich ist das Kapitel über Formen von Kooperation und Partizipation, in dem der österreichische Social Designer Victor Papanek (1923–1998) zu Wort kommt. Er interessierte sich primär für Arbeits- und Gestaltungsformen, die durch Austausch und Dialog entstanden, außerdem für eine „nicht-kapitalistische Kreativität“. Im Zentrum seiner bis heute zukunftsweisenden Überlegungen standen die „wahren“ gesellschaftlichen Bedürfnisse, er kritisierte die Technikbesessenheit der Moderne und wollte nachhaltige Produkte, die Menschen selbst herstellen können.

Ein neuer Name für das Museum

Viel Kreativität ist durch den Umgang mit den lokalen Gegebenheiten entstanden, etwa durch die Suche nach Rohstoffen, die einfach zu beschaffen und zur Produktherstellung geeignet sind. Die Industriedesignerin Alafuro Sikoki-Coleman experimentiert mit den Fasern von Wasserhyazinthen, die in Nigeria die Flüsse unpassierbar und den Fischfang unmöglich machen. Im Rahmen ihres Projekts konnten sich die Frauen im Niger-Delta Geld dazuverdienen und ihre Flecht- und Webkünste einbringen. Geschaffen wurden Lampen, langlebige Stühle und Hocker.


Die Höhepunkte

Ästhetisch, sozial und materiell herausragend sind die Objekte des Designers Cheick Diallo aus Mali, der zur Eröffnung der Ausstellung angereist war. Ihm geht es einerseits um die Wiederaufwertung lokaler Handwerkstraditionen, andererseits darum, aus verfügbarem Material Gutes, Schönes, Brauchbares zu kreieren. In seiner Heimat Mali herrscht ein Materialmangel, den er als Herausforderung begriffen hat. Einige großartige Beispiele seiner Entwürfe sind in der Ausstellung zu sehen, darunter ein aus Eisenstangen gebogener Sessel, dessen lückenhafte Flächen zum Sitzen und Anlehnen aus geflochtenen und verwebten Fäden bestehen, die ursprünglich als Fischernetze dienten.

Ein zweites Prunkstück der Schau ist ein Schreibsekretär aus Buchenholz des südafrikanischen Designer-Duos Dokter and Misses, auf dessen Außenflächen schwarze Zeichensysteme aufgemalt wurden. Sie gehen auf orale und grafische Traditionen zurück.

„Flow of Forms – Forms of Flow“ Museum für Völkerkunde (U Hallerstr.), Rothenbaumchaussee 64, Di–So 10.00–18.00, Do bis 21.00, Eintritt 8,50,-/4,-; bis 19.8.