Hamburg. Allein 2017 wurden 150 Atomtransporte im Hafen abgewickelt. Damit wollen HHLA und Hapag-Lloyd nun Schluss machen.

Die Anmeldung von Atomtransporten gilt bundesweit aus Sicherheitsgründen als „Verschluss­sache“ und wird nur „für den Dienst­gebrauch“ kommuniziert. Deshalb erfahren die Hamburger in der Regel nichts davon, wenn strahlende Ladung in ihrem Hafen ankommt. Dabei ist Hamburg ein Drehkreuz für Uran. Praktisch wöchentlich werden hier Atomtransporte abgewickelt. Allein im vergangenen Jahr waren es rund 150.

Doch damit soll bald Schluss sein. Zwei der größten und wichtigsten Firmen des Hafens haben sich darauf verständigt, künftig auf den Umschlag von Kernbrennstoffen in Hamburg zu verzichten. Dem Abendblatt liegen entsprechende Schreiben der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) sowie der größten deutschen Reederei Hapag-Lloyd vor. Sie sind jeweils von zwei Vorstandsmitgliedern unterzeichnet. Darin teilen die Unternehmen mit, dass sie freiwillig darauf verzichten werden, „künftig Kernbrennstoffe im Sinne von Paragraf 2 Absatz 1 Atomgesetz in Hamburg umzuschlagen“.

Besonders Uranoxid wird im Hafen umgeschlagen

Dabei geht es vor allem um Uranoxid, aus dem später Brennstäbe für Atomreaktoren hergestellt werden sowie um das extrem giftige und stark ätzende Uranhexafluorid, aus dem in Zentrifugen spaltbares Material entsteht. Und es geht um bereits fertige Brennstäbe, die von Hamburg aus nach Frankreich oder in die Schweiz geliefert werden.

Aber auch die deutschen Kernkraftwerke Lingen und Gronau sowie Moskau und Västeras in Schweden sind Empfänger der strahlenden Materialien, wie aus einer Liste hervorgeht, die der Senat auf eine schriftliche Kleine Anfrage der Linken im März herausgegeben hat. Demnach hat allein die HHLA an ihren Terminals bis Mitte März dieses Jahres schon neunmal genehmigungspflichtige Kernbrennstoff-Ladungen umgeschlagen.

Frank Horch löste den jetzt zugesagten Verzicht aus

Auslöser für den jetzt zugesagten Verzicht des Unternehmens waren Gespräche von Wirtschaftssenator Frank Horch, der die HHLA und Hapag-Lloyd darum gebeten hatte, auf Atomtransporte zu verzichten. Hintergrund ist eine Vereinbarung, die SPD und Grüne im Koalitionsvertrag von 2015 getroffen haben.

Zwar sind der Transport und Umschlag von radioaktiven Stoffen eigentlich Sache des Bunds und können deshalb von Senat oder Bürgerschaft nicht einseitig beschränkt werden. Allerdings wollte die Regierung bei relevanten Unternehmen darauf hinwirken, im Wege der Selbstbeschränkung auf den Umschlag und seeseitigen Transport derartiger Stoffe im und durch den Hamburger Hafen zu verzichten.

HHLA bestätigt den Willen zum Verzicht auf strahlende Fracht

„Dem Senat ist es ein Anliegen, dass im Hamburger Hafen keine Kernbrennstoffe umgeschlagen werden. Wir sind gerne bereit, den Senat in dieser Hinsicht zu unterstützen“, sagte ein HHLA-Sprecher dem Abendblatt und bestätigte damit das Schreiben an die Behörde. Fast wortgleich ist der Brief, den Hapag-Lloyd an die Wirtschafts­behörde gerichtet hat.

Auch die Reederei will keine Kernbrennstoffe in Hamburg mehr umschlagen. Das bedeutet aber nicht, dass sie ganz und gar auf den Transport der radioaktiven Ladung verzichten wird. Es kann sogar passieren, dass ein Hapag-Lloyd-Schiff mit radioaktiver Ladung in den Hamburger Hafen einläuft. Nur abgeladen werden soll sie hier nicht mehr.

Hamburg geht einen anderen Weg als Bremen

Für Wirtschaftssenator Frank Horch ist das dennoch ein großer Erfolg. „Mit beiden Unternehmen hatten wir einen sehr konstruktiven Dialog zu dem Thema. Wir wollten erreichen, dass es einen freiwilligen Verzicht gibt. Das ist gelungen.“

Hamburg geht damit einen anderen Weg als die Stadt Bremen, die versucht hat, den Stopp der Atomtransporte gesetzlich zu regeln. Allerdings hat das Bremer Verwaltungsgericht die Verfassungskonformität des Bremer Gesetzes angezweifelt, weil gesetzliche Regelungen der Kernenergienutzung dem Bund vorbehalten sind – und Bremen folglich mit dem Alleingang möglicherweise gegen den Grundsatz der Bundestreue verstößt. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Fall jedoch noch nicht entschieden. „Hamburg ist durch die freiwillige Regelung weiter als Bremen“, heißt es aus der Wirtschaftsbehörde.

Private Unternehmen dürften schwerer umzustimmen sein

Die Gespräche mit der Hafenwirtschaft sind noch nicht abgeschlossen und werden fortgesetzt. „Wir werden mit den anderen betroffenen Hafenunternehmen nun ebenfalls Gespräche führen“, sagte Wirtschaftssenator Horch. Insbesondere mit dem zweiten großen Terminalbetreiber im Hamburger Hafen, Eurogate, redet er. Aber auch das Süd-West Terminal der Gruppe C. Steinweg dürfte der Senator auf dem Anrufzettel haben, da an dessen Kais ebenfalls radioaktive Ladung umgeschlagen wird.

Diese privaten Unternehmen zu einem Verzicht zu bewegen dürfte ihm schwerer fallen als bei den Firmen HHLA und Hapag-Lloyd. Denn bei den beiden Letzteren kann die Stadt Druck im Aufsichtsrat machen, weil sie beträchtliche Anteile an ihnen hält. Das Ziel bleibt aber bestehen: ein Ende für Atomtransporte in Hamburg.