Hamburg. Seit Ende März verkehren die grünen Züge zwischen Hamburg und Köln. Das Abendblatt hat das Angebot genutzt und bewertet.

Die Fahrt beginnt holprig. „Die Bereitstellung des FlixTrains X20 verzögert sich um etwa zehn Minuten“, tönt eine blecherne Stimme aus den Lautsprechern. Die Blicke der wartenden Passagiere auf Gleis 12 des Altonaer Bahnhofs richten sich wieder auf die Smartphone-Displays. Was soll man machen? Dann, ziemlich exakt nach der angekündigten Verzögerung, rollt der knallgrüne Zug ein. „Wir mussten einen ICE der Deutschen Bahn vorlassen“, wird Zugführer Peter Kleinschmidt später erklären. Jetzt hat er einiges zu tun, damit es bei der Abfahrt schnell geht. Kleinschmidt, in grüner Wetterjacke statt Bahner-Uniform, ist allein zuständig für zehn Waggons. Außer ihm gibt es noch den Lokführer und einen Mitarbeiter in der Snackbar. Abpfiff, der Zug fährt.

Abendblatt-Reporterin Hanna-Lotte Mikuteit im grünen Zug nach Köln
Abendblatt-Reporterin Hanna-Lotte Mikuteit im grünen Zug nach Köln © HA | Klaus Bodig

Seit Ende März pendelt der neue Fernzug fünfmal die Woche zwischen Hamburg und Köln und zurück. Mit Ticketpreisen ab 9,99 Euro kann man das neue Angebot als Kampfansage an den Platzhirsch Deutsche Bahn sehen. Dahinter steht das Start-up FlixMobility, das mit dem FlixBus in den vergangenen fünf Jahren den Fernverkehr aufgemischt hat und nach diversen Zukäufen eine Monopolstellung in dem europaweit wachsenden Markt hält. Allein 2017 hat das Unternehmen 40 Millionen Fahrgäste befördert.

Und es sollen mehr werden. „Unser Ziel muss es sein, noch mehr Menschen vom Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel zu überzeugen. Die Vernetzung der beiden Verkehrsträger Fernbus und Schiene ergänzt sich hier perfekt und ist Teil eines nachhaltigen Konzepts für die Mobilität der Zukunft, wie wir sie uns vorstellen“, sagt André Schwämmlein, Gründer und Geschäftsführer von FlixMobility.

Ehemalige Liegewagen

Die Toiletten sind sauber, funktionieren aber ganz ohne Automatik
Die Toiletten sind sauber, funktionieren aber ganz ohne Automatik © HA | Klaus Bodig

Langsam rollt der grüne Zug durch Hamburg. Am Hauptbahnhof wird es richtig voll. Die Waggons, die von dem Nürnberger Unternehmen Bahn Touristik Express betrieben werden, sind schon einige Jahrzehnte auf den Gleisen. Bevor sie zum FlixTrain wurden, fuhren sie auf der Strecke für den ehemaligen ebenfalls privaten HKX. FlixTrain hat für den Start des Angebots einen einstelligen Millionenbetrag investiert. Teilweise werden ehemalige Liegewagen eingesetzt. Alles ist deutlich gebraucht, teilweise sind die Sitze geflickt, aber es ist sauber. Auch die Toiletten, noch ganz ohne Automatik.

Joud Nahhas marschiert mit Tochter Ami, vier Freundinnen und viel Gepäck durch den schmalen Gang, auf der Suche nach einem freien Sechserabteil. Sitzplatzreservierungen gibt es bislang nicht. Die jungen Frauen wollen nach einem Ausflug in den Norden zurück nach Köln. Auch bei der Hinfahrt hatten sie sich für den FlixTrain entschieden. „Ich habe für beide Fahrten zusammen 25 Euro bezahlt. Das ist sehr o. k.“, sagt Ranin Barake, nachdem schließlich alle Platz gefunden haben. Jetzt ist das einzige Problem, dass die versprochenen Steckdosen zum Laden der Smartphones noch nicht überall eingebaut sind. Problemlösung à la FlixTrain: In der Snackbar werden gegen Pfand kostenfrei Powerbanks mit sechs Anschlüssen verliehen.

Start war insgesamt positiv

Auch Fahrräder können im FlixTrain mitgenommen werden
Auch Fahrräder können im FlixTrain mitgenommen werden © HA | Klaus Bodig

Mit 160 Kilometern pro Stunde geht es Richtung Osnabrück. Schneller kann die Deutsche Bahn mit ihren IC auf der Strecke auch nicht fahren. Torsten Staude und Oliver Pauw fahren 3,5 Stunden bis nach Duisburg, dort steigen sie nach Krefeld um. Auch sie haben sich wegen des günstigen Preises für den FlixTrain entschieden und loben jetzt die ruhige Atmosphäre im Zug. „Und man kann sogar noch die Fenster öffnen“, sagt Oliver Pauw. „Das ist so schön nostalgisch.“ Auch andere Reisende stören sich nicht an der leicht abgerockten Ausstattung der Waggons. „Dafür zahle ich ja auch weniger“, sagt der Hamburger Carl Kruttke, der samt Fahrrad zum Studienstart nach Münster unterwegs ist.

Mehr als 500 der 600 Sitzplätze sind an diesem Apriltag nach Ostern verkauft. Kaum ein Reisender ist älter als 40 Jahre. Der Start war insgesamt positiv. Die Auslastung der Zugverbindung liege im Schnitt bei mehr als 80 Prozent, heißt es bei FlixTrain. Allerdings haben noch nicht alle Reisenden verstanden, dass DB-Tickets nicht gelten. Auch bei dieser Fahrt mussten laut Zugführer Kleinschmidt 20 Passagiere nachlösen. Das wird teuer, denn der Höchstpreis wird fällig. Auf der Strecke Hamburg–Köln sind es satte 65 Euro. Noch für diesen Monat hat FlixTrain eine Verbindung von Stuttgart nach Berlin angekündigt, die vom Sommer an zweimal am Tag eingesetzt werden soll. Dann sind 28 Ziele mit dem grünen Zug erreichbar, auch die Integration in das Fernbusnetz soll verbessert werden. Für 2019 will sich das Unternehmen für weitere Trassen bewerben.

Ein Problem wird bleiben

Ein Problem wird allerdings auch in Zukunft bleiben: Weil Deutsche Bahn und FlixTrain auf denselben Gleisen unterwegs sind, hängen Verspätungen von vielen Faktoren ab – auch von Verzögerungen bei den DB-Zügen. Bei der Testfahrt war es eine Baustelle bei Osnabrück, die den FlixTrain weitere Minuten kostet. Aber Zugführer Kleinschmidt bleibt optimistisch, als er in Münster den Zug zu Weiterfahrt abpfeift. „Bis Köln holen wir das auf.“

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