Hamburg. Andreas Breitner, Direktor des Verbands Norddeutscher Wohnungsunternehmen, verlangt ein schärferes Strafrecht gegen Miethaie.

Seine Stimme in der Immobilienwirtschaft hat Gewicht. An­dreas Breitner, Direktor des Verbands Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), vertritt in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern über 300 Wohnungsgenossenschaften und Gesellschaften. Der Anteil am Mietwohnungsmarkt in Hamburg liegt bei 43 Prozent.

Herr Breitner, wir wundern uns. Ausgerechnet ein Verband der Wohnungswirtschaft, der wie kein anderer im Norden für preisgünstigen Wohnraum steht, kämpft gegen die Mietpreisbremse. Wie ist das zu erklären?

Andreas Breitner: Mietpreisbremse klingt sexy und toll. Wer will nicht den Anstieg der Mietpreise bremsen? Aber der gute Klang eines Namens reicht nicht. Die Mietpreisbremse schafft keine einzige Wohnung. Die richtige Lösung für einen friedlichen Wohnungsmarkt ist das Bauen.

Ihre Parteigenossen, die sich gerade in der Großen Koalition für eine Verschärfung der Mietpreisbremse starkmachen, werden Sie damit kaum überzeugen.

Breitner: Mag sein. Das ändert aber nichts an den Fakten. Wenn Sie heute in Eimsbüttel eine Wohnung neu vermieten, haben Sie mindestens 50 Bewerber. Wenn Sie sagen, ich biete diese Wohnung 2 Euro günstiger den Quadratmeter an, haben Sie 80 Bewerber. Am Ende kann aber nur einer die Wohnung bekommen. Und der Vermieter wird sich fast immer für denjenigen entscheiden, von dem er glaubt, dass er sich die Wohnung dauerhaft leisten kann. Die anderen gehen leer aus. Daher weckt die Mietpreisbremse eine Erwartung, der sie nicht gerecht wird. Wir haben auf diesem Wohnungsmarkt eben kein Nachfrage-, sondern ein Angebotsproblem.

Vermieter, die die Marktlage hemmungslos ausnutzen und horrende Mieten verlangen, werden diese Botschaft mit Freude lesen.

Breitner: Eben nicht. Denn genau diese schwarzen Schafe müssen wir zur Rechenschaft ziehen. Aber nicht mit der Mietpreisbremse. Auch wenn sie nun verschärft oder wie wir fürchten verschlimmbessert wird, wird sie genau dieses Problem nicht lösen. Wir brauchen eine Verschärfung des Strafrechts. Wie der Mieterverein zu Hamburg fordern wir, dass der Para­graf 5 im Wirtschaftsstrafgesetz, der die Mietpreisüberhöhung sanktioniert, überarbeitet wird. Bislang ist die Regelung ein zahnloser Tiger. Noch steht der Mieter in der Bringschuld und muss beweisen, dass er aufgrund fehlender anderer Offerten auf das teure Mietangebot angewiesen ist. In der Realität ist das kaum umsetzbar. Hier muss der Gesetzgeber ran, denn die schwarzen Schafe handeln unsozial und schaden dem Image der gesamten Branche.

Dass vor allem Neubaumieten immer weiter steigen, liegt auch an den immer höheren Grundstückspreisen ...

Breitner: Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass die Stadt ihre Grundstücke verstärkt an Investoren abgibt, die wie unsere Mitglieder für preisgünstigen Wohnraum sorgen. Die Hansestadt Lübeck rabattiert städtische Grundstücke zum Zwecke des sozialen Wohnungsbaus mit 60 Prozent. Das finden wir gut. In Hamburg wird bei der Vergabe von Grundstücken eine Vielzahl von Kriterien berücksichtigt – die künftige Miete aber ist nicht dabei. Das finden wir schlecht.

Die Europäische Union findet das womöglich aber gar nicht gut. Die EU achtet sehr auf den Markt und hat etwas gegen Beihilfen.

Breitner: Die EU wird oft als Totschlagargument genutzt. Die Lübecker Entscheidung ist vom Land Schleswig-Holstein auch auf das EU-Beihilferecht geprüft worden. Sie ist konform. Da darf also die eine Hansestadt ruhig von der anderen lernen.

Hamburg setzt bei der Vergabe auf eine Konzeptausschreibung. Investoren müssen bei ihren Angeboten für städtische Grundstücke aufzeigen, wie sie etwa für eine gute Infrastruktur sorgen wollen, etwa durch eine Kita oder eine Ampel. Der Senat sagt, dass dieses Konzept überzeugen muss, keinesfalls würde immer der Höchstbietende den Zuschlag bekommen.

Breitner: Wir beobachten, dass alle Kaufinteressenten sich enorm anstrengen, um die hohen Konzeptvorgaben zu erfüllen – und am Ende macht dann nur noch der Preis den Unterschied aus. Das halten wir für falsch. Wenn wir weiter unsere Verpflichtung für bezahlbaren Wohnraum erfüllen sollen, muss die Stadt uns entgegenkommen. Grundstücke könnten beispielsweise an Unternehmen vergeben werden, die 20 oder 30 Jahre eine Miete garantieren, die deutlich unter dem Mietspiegel liegt. In Hamburg wurden seit 2011 fast 40.000 Wohnungen neu gebaut, und dennoch wird es für Normalverdiener immer schwieriger, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Das lässt den Schluss zu, dass der Bau von Wohnungen allein nicht reicht. Es müssen die richtigen Unternehmen bauen: die VNW-Mitgliedsunternehmen beispielsweise. Der Senat hat die Probleme erkannt und versucht durch geeignete Instrumente entgegenzusteuern. Zukünftig werden Mietbegrenzungskonzepte bei der Grundstücksvergabe berücksichtigt.

Was wünschen Sie sich noch von der Stadt?

Breitner: Schnellere Baugenehmigungen. Der Senat kann nachweisen, dass die Verfahren nur sechs oder neun Monate dauern. Dennoch erlebe ich immer wieder bei Richtfesten, dass der Vorstand der Genossenschaft erklärt, dass man das Grundstück schon vor sechs, sieben oder acht Jahren erworben habe, um es schnell zu bebauen.

Was ist zu tun?

Breitner: Wir müssen die Genehmigungsverfahren möglichst bundesweit vereinheitlichen. Wenn ich in Hamburg das exakt gleiche Haus wie in Bremen bauen will, läuft das komplette Genehmigungsverfahren hier an der Elbe wieder an. Hilfreich wäre eine einheitlichere Bauordnung und Typengenehmigungen. Es kann nicht sein, dass wir von Bundesland zu Bundesland mit unterschied­lichem Baurecht konfrontiert werden. Mehr Vereinheitlichung spart Zeit und senkt die Kosten. Auch der ehemalige Bürgermeister Olaf Scholz hält es für völlig in Ordnung, wenn sich ein Haus in einem Stadtteil aus Straße A in einem anderen Stadtteil in der Straße B wiederholt. Das sehe ich genauso.

Aber ein Stadtbild, wo ein Haus dem anderen gleicht, kann doch niemand ernsthaft wollen.

Breitner: Ich gebe zu, das ist ein schmaler Grat. Aber ausgerechnet die Häuser aus der Gründerzeit, die jetzt als klassische Altbauwohnungen so nachgefragt werden, sind in Wahrheit die Vorläufer des seriellen Bauens. Die Grundrisse ähneln einander. Nur die Fassaden sind unterschiedlich gestaltet.

Wie sehr macht Ihnen der Handwerkermangel zu schaffen?

Breitner: Wenn ein Mitgliedsunternehmen früher ein Projekt ausgeschrieben hatte, bekam es in der Regel mehrere Angebote, unter denen es wählen konnte. Derzeit meldet sich oftmals nur ein Bauunternehmen oder ein Handwerker. Früher lautete die Frage: „Was kostet es?“ Heute fragt man: „Wann können Sie anfangen?“ Entsprechend hoch sind die Preise.

Viele Bürger sorgen sich, dass zwar überall Wohnungen gebaut werden, aber die Schulen fehlen. In der neuen Mitte Altona schlagen Eltern Alarm und fordern vom Senat, keine Wohnbauflächen zu vergeben, solange kein adäquater Schulbau erfolgt.

kann man die Wohnungswirtschaft nicht verantwortlich machen. Unsere Mitgliedsunternehmen kümmern sich um Wohnungen, auch deren Umfeld, machen aber keine Schulplanung. Allerdings finde auch ich es ärgerlich und bedauerlich, wenn der Bau von Schulen nicht mit dem Tempo des Wohnungsbaus mithalten kann. Nur wohnen allein reicht nicht.

Viele Experten prophezeien ein Ende des Wohnungsbaubooms, wenn die Zinsen weiter steigen sollten.

Breitner: Dann kriegen wir ein Riesenproblem. Die Baukosten sind seit dem Jahr 2000 um 50 Prozent gestiegen, die Lebenshaltungskosten um 27 Prozent. Wenn die Zinsen steigen sollten, müssen wir massiv an die Baukosten ran. Die alte Bundesregierung hatte eine Baukostensenkungskommission eingerichtet. Leider ist kein einziger Vorschlag umgesetzt worden.

Was ist aus Ihrer Sicht zu tun?

Breitner: Wir müssen offen und ehrlich darüber reden, wer die öffentliche Infrastruktur erstellt. Ist der Bauherr auch noch für die Renaturierung eines Baches verantwortlich? Müssen unsere Mitgliedsunternehmen eine Kita mitbauen? Wie gehen wir mit den energetischen Standards um? Wir wollen diese Standards nicht senken. Aber eine weitere Erhöhung ist nicht mehr bezahlbar. Nehmen Sie das Thema Gebäudedämmung und die damit verbundene Energieeinsparung. Wir haben jetzt das Maximale herausgeholt und zahlen dafür einen hohen Preis. Mehr geht nicht, wenn wir nicht auch noch das Öffnen der Fenster verbieten wollen.

Die Flüchtlinge verschärfen in Hamburg den Wohnungsmarkt gerade im preiswerten Segment. Wie beobachten Sie diese Entwicklung?

Breitner: Mit großer Sorge. Ich war kürzlich bei einem unserer Mitglieder in Strasburg im Landkreis Vorpommern-Greifswald. Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft hat mit Unterstützung des Kreises 20 Wohnungen für Flüchtlinge hergerichtet. Jetzt stehen 18 leer, und eine Wohnung wird gerade leergezogen. Der Grund: Die Flüchtlinge ziehen in Metropolen wie Hamburg. Das geht so nicht. Unsere Mitglieder müssen sich auf eine längerfristige Planung verlassen können.

Was ist zu tun?

Breitner: Wir brauchen zum Beispiel auch in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern eine befristete Wohnortzuweisung für Flüchtlinge wie in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen. Dort bekommen diese ihre staatliche Unterstützung nur an dem ihnen zugewiesenen Wohnort.

Flüchtlingsorganisationen wie Pro Asyl halten das für einen Verstoß gegen das Recht auf Freizügigkeit und damit gegen die Genfer Flüchtlingskonvention.

Breitner: Das halte ich für übertrieben. Ein Staat, der Flüchtlingen Obhut bietet und sie alimentiert, dafür viele Steuergelder aufwendet, kann diese individuelle Hilfe doch an Bedingungen knüpfen. Außerdem wäre das eine Regelung, von der alle Seiten profitieren würden. Die ländlichen Räume tun etwas gegen die für sie oft negative demografische Entwicklung. Auch werden dort oft Arbeitsplätze angeboten, die für Flüchtlinge geeignet sind. Zudem können sich die Flüchtlinge sehr viel besser integrieren, als wenn sie sich nur unter ihren Landsleuten in den Metropolen bewegen. In den großen Städten wiederum wird der Wohnungsmarkt entlastet.

Mit dem Projekt „Wem gehört Hamburg?“ will das gemeinnützige Recherchezentrum Correctiv für mehr Trans­parenz auf dem Wohnungsmarkt sorgen. Auch der Mieterverein zu Hamburg ist beteiligt. Dafür hat Correctiv einen sogenannten Crowd-Newsroom entwickelt. Auf einer Online-Plattform können Mieter in wenigen Schritten mitteilen, wem ihre Wohnung gehört. Bürger können dort auch eventuelle Probleme mit ihren Vermietern schildern. Die Seite ist bis Anfang Mai offen und unter www.wem-gehoert-hamburg.de erreichbar. Die Plattform ist ein geschützter Raum. Die Informationen werden vertraulich als Redaktionsgeheimnis behandelt. Daten werden nicht veröffentlicht oder an Dritte weitergegeben. Ganz wichtig: Es geht nicht darum, Vermieter an eine Art Pranger zu stellen – ihre weitaus überwiegende Zahl arbeitet seriös – sondern um die schwarzen Schafe der Branche.

Am 10. April (18:30 Uhr) stellt Correctiv das Projekt beim Mieterverein zu Hamburg (Beim Strohhause 20) vor, Anmeldungen (kostenlos) im Internet über die Adresse wem-gehoert-hamburg.de