Hamburg. Soheil A. hat eingeräumt, das gemeinsame Kind grausam ermordet zu haben. Seine Ex-Partnerin beschreibt ihn als impulsiv und brutal.

Als sie mit Ayesha schwanger war, fing alles an. Erst die Beschimpfungen und Beleidigungen, dann die Misshandlungen. Nach drei Monaten Schwangerschaft sei Sohail A. mit ihrem Mutterpass zum Ausländeramt gegangen – er habe sich als werdender Vater wohl ein dauerhaftes Bleiberecht erhofft. „Da hatte unsere Ehe für ihn seinen Zweck erfüllt“, sagt Lubna A. Doch seine Tochter Ayesha, die 2015 zur Welt kam, habe er „sehr, sehr geliebt“.

Zwei Jahre später, am 23. Oktober 2017, schlitzte der Vater mit einem Küchenmesser die Kehle seiner geliebten Tochter auf und enthauptete sie nahezu. Seit Mittwoch steht der abgelehnte Asylbewerber aus Pakistan wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen vor dem Landgericht. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Sohail A. mit der Tat Lubna A. abstrafen wollte: dafür, dass sie eine frühere Strafanzeige gegen ihn nicht zurückgezogen und ihm das Mädchen nicht überlassen hatte. Der 34-Jährige hat die Tat eingeräumt. Doch er bestreitet, seine Tochter aus „Wut und Rache“ ermordet zu haben.

Ayeshas Mutter trifft nicht direkt auf den Soheil A.

Am Freitag hat Ayeshas Mutter als Zeugin ausgesagt. Eine Begegnung mit dem Angeklagten blieb ihr erspart: Sie saß in einem anderen Raum des Strafjustizgebäudes; von dort aus wurden Bild und Ton in den Gerichtssaal übertragen. Lubna A. (33) wirkte sehr beherrscht, berichtete differenziert vom Zusammenleben mit ihrem Ex-Partner.

Sie habe den ein Jahr älteren Mann 2014 kennengelernt, sagte Lubna A. Die nach islamischem Recht geschlossene Ehe sei arrangiert worden. Zunächst habe sie ihn als „sehr nett“ empfunden, später sei er herrisch und aggressiv geworden. Ihr damals fünf Jahre alter Sohn aus einer früheren Beziehung habe besonders unter seinen Stimmungsschwankungen leiden müssen – Sohail habe ihn immer wieder grundlos „wuchtig“ geohrfeigt. „Er hat ihn benutzt, um mich zu bestrafen“, so Lubna A. Seine Tochter hingegen sei sein Fixstern gewesen. „Er hatte immer Angst um sie.“

“Wenn er wütend war, verhielt er sich wie ein Irrer“

Die Zeugin zeichnete das Bild eines Mannes, der sich kaum im Griff hatte. „Wenn er wütend wurde, verhielt er sich wie ein Irrer“, sagte Lubna A. Einmal habe er ihr mit der Faust sechsmal in den Rücken geschlagen. Immer wieder habe er sie beleidigt, habe sie als „du Geschiedene“ oder „du Ungläubige“ beschimpft. Am 21. Februar 2017, während eines lapidaren Streits, habe er sie eine Minute lang gewürgt, da sei ihr Gesicht blau angelaufen. Nach einer weiteren Bedrohung habe sie Anzeige bei der Polizei erstattet. Danach habe sie ihm noch „eine letzte Chance gegeben.“

Es schien nicht viel zu nützen. Anfang Oktober setzte Sohail nach einem weiteren Streit Ayesha auf den Herd, hielt ihr ein Messer an den Hals und drohte sie umzubringen. Sie habe sich nicht mehr anders zu helfen gewusst, als das Jugendamt zu bitten, die Ausländerbehörde anzuschreiben – um die Abschiebung ihres Partners zu erwirken.

“Ohne Medikamente kann ich nicht einschlafen“

Am 23. Oktober bringt Lubna A. Ayesha gegen 13.30 Uhr nach Hause. Die Zweijährige weint, weil sie ihre Puppe vergessen hat. Sohail A. geht deshalb noch einmal zur Kita. Dann stellt er Lubna A. vor die Wahl: Entweder ziehe sie die Strafanzeige zurück oder überlasse ihm Ayesha für die Ausreise nach Pakistan – sonst werde er sie und ihren Sohn umbringen. Weil er ihr die Tochter nicht geben will, fährt die 33-Jährige nur mit ihrem Sohn zu ihren Eltern. Dann erstattet sie erneut Anzeige und fährt mit den Polizisten zur Wohnung am Wiedauweg (Neugraben-Fischbek). „Aus der Wohnung habe ich einen Schrei gehört. Die Polizei sagte mir, dass er mein Kind getötet hat.“. Daraufhin sei sie zusammengebrochen.

Als sie das erzählt, schüttelt ein Weinkrampf den Angeklagten – wie schon am Mittwoch. Die Verhandlung muss kurz unterbrochen werden. Auf die Frage des Richters, wie es ihr gehe, antwortet Lubna A. dann: „Sie können mir meine Tochter nicht zurückgeben. Ohne Medikamente kann ich nicht einschlafen. Mehr kann ich nicht sagen.“