Hamburg. Angeber am Steuer, rasende Motorradfahrer und Besucher, die die Straßen zuparken. Anwohner des Hamburger Flughafens sind empört.

Das Coffee to Fly, das leicht erhöht neben dem Hamburger Flughafen liegt, zieht Tag für Tag viele Schaulustige an. Sogar an kühlen Sonntagen herrscht dort Hochbetrieb. Doch die Anwohner rund um die Holtkoppel – einer Sackgasse, an deren Ende sich Café und Aussichtsplattform befinden – stöhnen nicht nur über die Autos, die sich auf der Suche nach einem Parkplatz durch ihre Siedlung quälen. Mittlerweile haben auch Autoposer und Motorradfahrer das Coffee to Fly für sich entdeckt. Auf der Reise-Tipp-Plattform Tripadvisor warb ein Nutzer mit der „Gratis-Rennstrecke direkt vor der Tür“. Und auf der Fahrbahn zeugen schwarze, kringelförmige Gummispuren davon, dass hier oft sogenannte Burnouts – Biker-Stunts mit angezogener Bremse und heulendem Motor – gefahren werden.

Der Lärm dringe durch ihre Schallschutzfenster, sagt Anwohnerin Ilka P., die ihren Nachnamen aus Angst vor Ärger nicht veröffentlichen möchte. Und daran, bei gutem Wetter im Garten zu sitzen, sei gar nicht mehr zu denken. Mittlerweile überlegen sie und ihr Mann, das Haus, in dem sie seit 1980 wohnen, zu verkaufen.

Verkehrschaos ist auch ein Problem

Auch ihre Nachbarn Carsten und Susan B. sind enttäuscht – ihr Traum vom Häuschen mit Garten, in dem ihr Sohn groß werden kann, ist geplatzt. „Wir haben das Haus vor zwei Jahren im Winter gekauft, da war es ruhig“, sagen sie. An einem Sonntag im vergangenen Juli haben sie den Lärm in ihrem Garten mal gemessen. In der Zeit zwischen 17 und 21 Uhr wurden die in Wohn­gebieten zulässigen Grenzwerte von 50 Dezibel permanent weit überschritten, etwa 30-mal schlug das Messgerät bis zu 78 und mehr Dezibel aus, die Spitzenwerte lagen bei mehr als 91 Dezibel. „Man muss sich das einmal vorstellen: Wir leben direkt am Flughafen, aber wir reden nicht über den Lärm der Flugzeuge, sondern über den der Café-Besucher“, sagt Carsten B.

Die Lautstärke ist das eine Problem der Anwohner in der Langenhorner Einfamilienhaussiedlung. Das andere ist das Verkehrschaos. Es bahnt sich an diesem kühlen Sonntag schon an, als sich die Nachbarinnen Ilka und Susan von einer kleinen Seitenstraße aus auf den Weg zum etwa 300 Meter entfernten Coffee to Fly machen. An den Straßenrändern der Holtkoppel dicht an dicht geparkte Autos – die Halteverbotzonen, die bei Gegenverkehr Ausweichmöglichkeiten bieten sollen, sind längst zugeparkt. Schon fährt der erste Autofahrer rückwärts in die Einbahnstraße Westerode, um sein Auto dort am Straßenrand abzustellen. Manche Besucher reisen von weit her an: ein schwarzer Maserati aus Winsen an der Luhe, andere Autos kommen aus Ludwigslust, Vorpommern, Berlin oder Leverkusen.

Sogar Gehwege werden befahren

„An Sommertagen herrscht hier das reinste Chaos“, sagen die Nachbarinnen. Dann ersticke die Siedlung im Verkehr – sogar Gehwege würden befahren. Die Polizei zeige Präsenz, sei aber offenbar hilflos, Abschleppwagen kämen nicht durch. „Wenn hier mal was passiert, hat ein Rettungswagen keine Chance“, ist sich Ilka P. sicher.

Bis vor zwei Jahren galt das 2004 eröffnete Coffee to Fly als Geheimtipp für Flugzeugbeobachter, sogenannte Planespotter. Doch als auf Internetseiten wie hamburg.de oder Tripadvisor mit dem Aussichtspunkt geworben wurde, als an Krohnstieg und Langenhorner Chaussee Wegweiser aufgestellt und dem Inhaber von 2009 an immer weitere Ausbauten genehmigt wurden, stieg der Besucherverkehr drastisch an. Auch nachts – wobei das Wort „Verkehr“ dann noch eine andere Bedeutung bekommt, wie der Kondomautomat beweist, der 2017 an der Holtkoppel illegal installiert wurde.

Thema in Ausschüssen

Was Ilka P. besonders ärgert: „Die letzte Erweiterungsgenehmigung für das Coffee to Fly wurde im Juni 2017 erteilt, obwohl es damals schon viele Anwohnerbeschwerden gab.“ Schon im Herbst 2016 hatte sie eine Bürgerinitiative gegründet. Ihre Forderung nach alternativen An- und Abfahrtsmöglichkeiten sowie die Sperrung der Zufahrtsmöglichkeit über die Holtkoppel hatten mehr als 200 Nachbarn unterschrieben.

Der Bezirk thematisierte das Pro­blem mehrfach in Ausschüssen – und reagierte. Er richtete Halteverbots­zonen ein, montierte die Hinweisschilder an Langenhorner Chaussee und Krohn­stieg ab und stellte zusätzliche Tempo-30-Schilder auf. Zudem gab es Geschwindigkeitskontrollen und die Soko „Autoposer“ übernahm. „Doch das hat bislang alles nichts gebracht“, sagt Nizar Müller von der CDU. Seine Partei beantragte daher eine Umleitung des Besucherverkehrs, Parkzonen für Anwohner und eine Zuwegung für Fußgänger und Radfahrer durch den Jugendpark einzurichten. Dies lehnte der Regionalausschuss in der vergangenen Woche ab, als die Holtkoppel wieder auf der Tagesordnung stand.

Weitere Einschränkung

Dabei haben auch die anderen Fraktionen erkannt, dass die Belastung für die Anwohner schwer erträglich ist. So fordert Ralf Lindenberg von der FDP Hamburg-Nord, die Zu- und Abfahrt zum Coffee to Fly zu verlegen. Und Carmen Wilckens von den Grünen hat eine umfangreiche Anfrage zum Thema Coffee to Fly an den Senat gestellt. Das alles scheint langsam zu wirken. Die Polizei will jetzt verschärft gegen das Verkehrschaos rund um die Holtkoppel vorgehen. Unter anderem soll im gesamten Quartier schon bald rund um die Uhr ein eingeschränktes Halteverbot gelten – eine Ausnahme gilt nur für den Bereich vor und hinter dem Café, wo Parken auch künftig erlaubt ist.

Damit dürfen Anwohner künftig nur noch zum Be- und Entladen vor ihr Haus fahren. Sofern sie ihr Auto nicht auf dem eigenen Grundstück abstellen können, müssen sie die Parkzonen nutzen, die an Wrangel- und Holtkoppel eigens dafür eingerichtet werden sollen. Dass in der Siedlung, in der es bis vor zwei Jahren keine Parkprobleme gab, Nachbarn ihr Auto jetzt weit entfernt von zu Hause abstellen müssten, sei „eine weitere Einschränkung auf Kosten der Café-Besucher“, findet Ilka P.

Wichtige Attraktion am Flughafen

Bezirksamtsleiter Harald Rösler (SPD) hält die Kritik an den Auswirkungen des Coffee to Fly für übertrieben. „Das Café mit Aussichtsplattform und öffentlichen Toiletten ist eine wichtige Attraktion am Flughafen“, sagt er. Lärm- und Parkprobleme gebe es nur zu Spitzenzeiten. Dennoch will der Bezirk weitere 50 bis 70 Parkplätze schaffen – entweder auf Privatgrund oder an der Holtkoppel selbst. Fragt sich nur, ob das im Sinne der Anwohner ist. Oder in dem des Coffee to Fly. Dessen Betreiber reagierte auf Abendblatt-Anfrage nicht.

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