Hamburg. Der Eimsbütteler Turnverband steckt 16,3 Millionen Euro in die Neu- und Umgestaltung seiner Anlage am Lokstedter Steindamm.

Kinder warten mit ihren Müttern, zum Teil auch Vätern, auf den Fluren, im Treppenhaus herrscht Hochbetrieb, das Bistro am Eingang ist voll besetzt. Kinderturnen für Kleine und Größere steht nachmittags auf dem Programm, später füllen Erwachsene die Studios und Hallen. Im Angebot sind Fitness, Fechten, Floorball, Judo und vieles mehr. Alltag im Hauptgebäude des Eimsbütteler Turnverbandes (ETV) an der Bundesstraße 96.

„Wir stoßen an die Grenzen unserer räumlichen Kapazitäten“, sagt der Vorsitzende Frank Fechner. Für Fußball und Kindersport gibt es bereits Aufnahmestopps und Wartelisten. Mit 14.957 Mitgliedern in 21 Abteilungen, rund 50.000 Quadratmetern Sportfläche ist der ETV Hamburgs größter Breitensportverein und einer der fünf größten Deutschlands. Als Fechner (55) vor 13 Jahren hier als Geschäftsführer begann, zählte der Club 9600 Mitglieder.

Planungen sind abgeschlossen

Hamburg wächst, parallel dazu die Zahl der Sporttreibenden und mit ihnen die Nachfrage nach Vereinsangeboten. Allein in Lokstedt, dem unmittelbaren Einzugsgebiet des ETV, entstehen bis Ende 2020 rund 2000 neue Wohnungen, die gleiche Menge wurde in den vergangenen sechs Jahren fertiggestellt. Die Clubs reagieren. Bauanträge ihrer Vereine in einer Gesamthöhe von 50 Millionen Euro liegen dieses Jahr dem Hamburger Sportbund (HSB) zur Bezuschussung vor. Auch hier steht der ETV mit an der Spitze. Für 16,3 Millionen Euro will der Club jetzt auf seiner Tennis- und Fußballanlage am Lokstedter Steindamm 77, Höhe Veilchenweg, das „Sportzentrum Hoheluft“ errichten. Mehr Geld investierte bisher kein Hamburger Verein in seine Zukunft.

Die umfangreichen Planungen sind abgeschlossen, der Diplom-Ingenieur und Architekt Markus Grandjean (54), seit August 2016 hauptamtlicher ETV-Vorstand für Sportanlagen und Projektentwicklung, hat das Vorhaben auf den Weg gebracht. Der Bauantrag soll im April gestellt, mit den Arbeiten im Oktober begonnen werden.

Zusätzliche 7815 Quadratmeter

Läuft alles planmäßig, verfügt der ETV vom Sommer 2020 an in seinem multifunktionalen Neubau über zusätzliche 7815 Quadratmeter Bruttogeschossfläche. Vorgesehen sind auf drei Stockwerken, die in 1,20 Metern Höhe auf eine Tiefgarage (85 Stellplätze, Ladestationen für E-Autos und E-Bikes) gesetzt werden: eine Bewegungs-Kindertagesstätte (120 Plätze/sieben Gruppen), eine Kinderbewegungs-, Boulder- (Klettern ohne Seil) und Einfeldhalle, vier Gymnastikräume, ein Fitnessstudio, Gastronomie, auf dem Dach noch Saunen, eine Außensportfläche und eine Photovoltaikanlage.

Die Zahl der Tennisplätze wird von heute elf auf dann zwölf erweitert, dazu entstehen ein neues Kunstrasen-Kleinspielfeld (35 mal 20 Meter), auch als Aufwärmplatz nutzbar, und ein Pavillon, gedacht als Imbiss oder Kiosk. Im Winter können künftig drei Tennisaußenplätze dank entsprechender technischer Vorrichtungen für eine Traglufthalle bespielt werden, zwei Courts werden in der kalten Jahreszeit für Hallenhockey hergerichtet und temporär überdacht.

Tennisabteilung befürchtet Mitgliederschwund

Der Fußball-Kunstrasenplatz (96 mal 64 Meter) bleibt auf dem Gelände wie die Tennishalle (drei Plätze). Fußball und Tennis/Hockey sind mit 1150 Mitgliedern die größten Wettkampfsport-Abteilungen des ETV. An der südlichen Außenwand soll eine 39,6 Quadratmeter große LED-Fläche für das neue Quartier (und andere) werben. In den vier Jahren nach dem Einzug erwartet der Verein bis zu 3000 neue Mitglieder, die Hälfte im Bereich Fitness. Etwa 30 neue Arbeitsplätze dürften im „Sportzen­trum Hoheluft“ geschaffen werden, 19 davon in der Bewegungs-Kita.

„Das Projekt nötigt uns gehörigen Respekt ab, schließlich haben wir Bauten dieser Größenordnung noch nie umgesetzt“, sagt Fechner. Drei Millionen Euro Eigenmittel bringt der Club in die Finanzierung ein, Zuschüsse und zinslose Darlehen im Gesamtumfang von einer Million Euro will der HSB bereitstellen. Bankkredite über 6,7 Millionen Euro kommen hinzu. Die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (Basfi) streckt die 2,19 Millionen Euro für den Bau der in das Gebäude integrierten Kindertagesstätte vor; Rückzahlung in den nächsten 50 Jahren.

Politische Zusagen

Aus Sondermitteln der Bezirksversammlungen Eimsbüttel und Nord erwartet der ETV jeweils 200.000 Euro. Am Donnerstagabend beschloss die Bezirksversammlung Nord auf Antrag von SPD und Grünen einstimmig, ihren Teil beizusteuern. „Wie bei der Finanzierung des benachbarten Kunstrasenplatzes des SC Victoria erscheint es uns sinnvoll, mit einer frühzeitigen Beschlussfassung das Projekt nicht nur materiell zu unterstützen, sondern auch ein Signal an die anderen angefragten Stellen zu geben, dass das Sportzentrum vom Bezirk ausdrücklich gewünscht und unterstützt wird“, sagt Michael Werner-Boelz, Vorsitzender der Grünen-Bezirksfraktion.

„In Bezug auf die dann noch ausstehenden drei Millionen Euro wird sich die Hamburgische Bürgerschaft für eine Finanzierung einsetzen“, heißt weiter in einer Mitteilung des Vereins; was wohl bedeutet, dass es entsprechende politische Zusagen gibt. Die Zuwendungsanträge sind gestellt. Für die Rückzahlung der Gelder rechnet der ETV mit einer jährlichen Belastung (Tilgung und Zinsen) von 363.000 Euro für die nächsten 30 Jahre. Bei einem Jahresetat von rund elf Millionen Euro (Verein plus gemeinnützige GmbH für den Kita-Betrieb) scheint dies eine händelbare Herausforderung. Eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge ist momentan nicht angedacht.

Größtmögliche Transparenz

Im Herbst 2016 befasste sich der ETV erstmals mit dem Neubau am Lokstedter Steindamm. „Uns gehört die Anlage seit den 1920er-Jahren, doch sie wird nur sieben Monate im Jahr genutzt, und das auch nur halbtags, im Winter die halbe Anlage gar nicht. Diese Verschwendung von Ressourcen wollten und konnten wir uns nicht weiter leisten“, sagt Architekt Grandjean.

Größtmögliche Transparenz half, anfängliche Widerstände im Verein zu überwinden, die Interessen der Abteilungen flossen schließlich in die Planungen ein. Zwar befürchten die Tennisspieler weiter den Austritt vieler ihrer Mitglieder, wenn – während der zweiten Bauphase 2019 – die Außenplätze vorübergehend von elf auf sieben reduziert werden und das alte Vereinsheim abgerissen wird. Fechner bemüht sich bereits um Ausweichmöglichkeiten in und außerhalb Hamburgs.

Anwohnerproteste bislang ausgeblieben

Anwohnerproteste gab es bisher nicht. Sie sind nach Einschätzung des Vereins auch nicht zu erwarten. Das Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) als einziger direkter Nachbar begrüßt die Pläne und will die Räume mit nutzen. Ein Zugang vom UKE zum „Sportzentrum Hoheluft“ ist deshalb vorgesehen.

22YBPTMY.png