Hamburg. Mit 69.000 Mitgliedern vereint der Fitnessclub die meisten Sporttreibenden in Hamburg, rund 78 Prozent von ihnen sind Frauen
Die 18 Frauen und Männer, die am Abend des 11. Oktober 1977 in einer Barmbeker Kneipe beim Bier zusammensaßen, hatten – wie sich erst viele Jahre später herausstellen sollte – eine revolutionäre Idee. Sie gründeten den gemeinnützigen Club Sportspaß, um für Mitgliedsbeiträge von nur zehn D-Mark „Menschen, die jahrelang nicht in der Sporthalle waren, wieder für den Sport zu begeistern“, wie es in der ersten Vereinsmitteilung hieß. In der „Info Nummer eins“ stellte der Initiator und erste Vorsitzende Peter Lesser aber auch die bange Frage: „Wie viele kommen zum Start am 26. und 27. November 1977?“
Es waren zunächst wenige, die sich zu den Kursen Skigymnastik, Volleyball für Anfänger, Gymnastik mit Schlankheitsfahrplan und Ballspiele für Gymnastikmuffel in der Turnhalle Koppel 98 in der Nähe des Hauptbahnhofs einfanden. Heute brät dort die Restaurantkette Peter Pane Burger. Trainiert wurde nur am Wochenende und nur im Winter. Fitnessstudios gab es damals in Deutschland nicht, und der Begriff „Freizeitsportler“ hatte den Klang eines Schimpfwortes.
40 Jahre später bewegt Sportspaß Massen, vor allem junge Frauen. 78 Prozent der Mitglieder sind weiblich. 1650 Kurse werden wöchentlich in den sieben Hamburger Sportzentren angeboten, 2015 zählte der Verein 75.000 Mitglieder, bis heute Rekord. 240 Mitarbeiter und Trainer werden von einem neunköpfigen Betriebsrat vertreten, der Umsatz stieg auf rund elf Millionen Euro. Miete und Betriebskosten der Sportstätten betragen etwa fünf Millionen. Geschäftsführer Jürgen Hering (66) blickt allerdings nicht sorgenfrei in die Zukunft: „Es wird im härter werdenden Wettbewerb mit den Fitnessketten und ihren Dumpingpreisen nicht leicht, unsere personalintensiven Qualitätsstandards zu kleinen Preisen auch in den nächsten Jahren aufrechtzuerhalten.“ Der Verein will nun im nächsten Jahr den günstigsten Beitrag von 9,30 auf 9,90 Euro im Monat anheben, da die Rücklagen für Instandhaltung und Modernisierung weitgehend aufgezehrt sind.
In den vergangenen zwei Jahren verlor Sportspaß rund 6000 Mitglieder – besonders in der umkämpften Altersgruppe von 18 bis 35 Jahren. Insgesamt 69.000 sind es heute. Die Fluktuationsrate bei den Mitgliedern liegt mit 24 Prozent über der anderer Clubs (unter 20 Prozent), aber unter der kommerzieller Fitnesseinrichtungen (über 30 Prozent). Jedes Jahr muss Sportspaß rund 18.500 Austritte kompensieren, was zuletzt nicht mehr vollständig gelang. Zum Vergleich: Der Eimsbütteler Turnverband (ETV) ist mit 13.500 Mitgliedern Hamburgs zweitgrößter Sportverein. Die Fußballclubs HSV (77.200/davon 71.000 Supporter) und FC St. Pauli (25.600/17.000 Supporter) haben zwar mehr Mitglieder, aber weniger Sporttreibende. Hering: „Wir müssen jedes Jahr einen kompletten Großverein ersetzen. Das bleibt eine Herausforderung.“
Um sich in der Fitnesshochburg Hamburg besser im Markt behaupten zu können – 18,5 Prozent der Bewohner sind in mehr als 330 Studios aktiv, mehr als anderswo im Land –, war Sportspaß Ende 2016 aus dem Hamburger Sportbund (HSB) und den angeschlossenen Fachverbänden ausgetreten, um zugunsten von Investitionen an Verbandsabgaben zu sparen. Per Saldo sind das heute 150.000 Euro. „Wir haben vom HSB kaum profitiert“, sagt Hering. Ernsthafte Bemühungen des HSB um eine Rückkehr in den organisierten Sport habe es nicht gegeben, eine Beitragskommission des Sportbundes verwarf Überlegungen, Großvereinen Rabatte bei den Beiträgen einzuräumen.
Dass der HSB von der Stadt für den nächsten Sportfördervertrag (2019/ 2020) – bei einem Mitgliederverlust von rund 18 Prozent nach dem Austritt von Sportspaß – eine Aufstockung der Zuwendungen um vier auf rund 14 Millionen Euro fordert, stößt bei Hering auf wenig Verständnis: „Zieht man Supporter, den Betriebs- und Hochschulsport ab, hat der HSB noch etwa 380.000 Vereinssportler. Sportspaß hat mehr Mitglieder als alle Hamburger Fußballvereine ohne Supporter zusammen. Auch wir brauchen Geld für die Instandhaltung unserer vereinseigenen Anlagen.“ Hering will dafür das Gespräch mit der Stadt suchen. „Der Senat wirbt für sein Programm ,ActiveCity‘“, sagt er, „wir aktivieren mehr Hamburger als jeder andere Verein. Das sollte honoriert werden.“ Damit es Sportspaß auch in 40 Jahren noch gibt.