Hamburg. Der frühere Fußball-Nationalspieler hat in der Alten Oberpostdirektion mit einem Partner die etwas andere Patisserie konzipiert.
Marcell Jansen hat sich vor einigen Jahren irgendwann kurz nach seinem Wechsel zum HSV das erste Mal intensiv mit Gluten beschäftigt. Beim Ausradeln nach den Spielen hatte der frühere Fußball-Nationalspieler stets höhere Übersäuerungswerte der Muskulatur als seine Kollegen. Er besprach sich mit den Teamärzten des Bundesligaklubs, stellte seine Ernährung um und verzichtete auf das Klebereiweiß. „Nach zwei Wochen waren die Werte auf dem Niveau meiner Kollegen“, sagt Jansen. Zwar habe er keine Zöliakie in ausgeprägter Form, aber Gluten einfach nicht gut vertragen. Ein halbes Jahr später sei zudem seine Haut viel reiner geworden.
Es sind eigene Erfahrungen, die der 32-Jährige in seine neue Firma einbringt. An diesem Freitag feiert er mit seinem Geschäftspartner Dominic Krätz offiziell die Eröffnung der glutenfreien Pâtisserie Isabella. Etwa 40 Sitzplätze hat das Café in der Alten Oberpostdirektion am Stephansplatz. Das Know-how für die Produkte steuert dazu die Familie Krätz bei – ebenfalls aus persönlicher Betroffenheit.
Isabella-Törtchen zwischen 4,90 und 5,40 Euro
Im Jahr 2005 war bei der Mutter von Dominic Krätz Zöliakie diagnostiziert worden. Die damals 50-Jährige stellte ihre Ernährung um und fest, dass es bei einer Glutenunverträglichkeit erstens generell nur wenige Lebensmittel und zweitens eigentlich nur industriell gefertigte Ware gibt. Sie gab ihre Karriere in der Modebranche auf, machte eine Konditorprüfung und entwickelte ihre eigenen Rezepte. Auch ihr Mann Christof und die beiden Söhne Dominic und David stiegen in das Unternehmen ein. Im Juli 2015 eröffneten sie in Düsseldorf dann „Isabella Glutenfreie Pâtisserie“ – benannt nach ihrem Vornamen. „Viele Betroffene kamen zu uns, die Resonanz war sehr positiv“, sagt Dominic Krätz.
Einer der Gäste war Jansen. Der gebürtige Mönchengladbacher, der auch nach seinem Karriereende 2015 in der Hansestadt wohnt, fährt häufig in seine alte Heimat. „Über Freunde und meine Freundin bin ich dann zu Isabella gekommen“, sagt Jansen. Immer wieder ging es zum Frühstücken in das Düsseldorfer Geschäft: „Bei Isabella schmeckt es einfach gut. Ich war von dem Geschmackserlebnis und dem Konzept geflasht.“
Über dem Schnitt normaler Bäckereien
Immer wieder unterhielt er sich mit der Familie. Im vergangenen Sommer reifte die Entscheidung, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Der Jungunternehmer – Jansen hat mit einer Beteiligungsgesellschaft in sechs Firmen investiert – sitzt seit Ende 2016 mit seinem mitgegründeten Sanitätshaus Renovatio in der Alten Oberpostdirektion. So wurde er auf die leer werdende Caféfläche aufmerksam, schlug sie Familie Krätz als Standort vor. „Wir waren uns einig: Hamburg wäre für die Expansion perfekt“, sagt Krätz.
Der 31 Jahre alte Betriebswirt gründete zusammen mit Jansen die Hamburger Tochter des Unternehmens. Beide sind Geschäftsführer, um das Operative kümmert sich Krätz. „Wir wollen von Anfang an operativ eine schwarze Null schreiben“, sagt Krätz. Ende Januar eröffnete Isabella still und heimlich als Pop-up-Store, soll aber langfristig bleiben. Die Abläufe sollten sich in Ruhe einspielen, die drei Mitarbeiter wurden ausführlich über die Inhaltsstoffe geschult. Auch ohne Werbung habe man an guten Tagen bereits bis zu 70 Kunden gezählt. Der Durchschnittsbon liege dabei mit knapp 20 Euro weit über dem Schnitt normaler Bäckereien.
Täglich zehn verschiedene Törtchen
Im Angebot sind täglich zehn verschiedene Törtchen. Für einen White Chocolate Cheesecake, einen Schokodom auf Crème brulée oder eine Maracujamoussetarte werden zwischen 4,90 und 5,40 Euro fällig. „Preislich liegen wir trotz glutenfreier und häufig veganer und laktosefreier Rohstoffe nicht höher als eine konventionelle Patisserie“, sagt Krätz. Glutenfreie Produkte sind schon im Einkauf teuer, kosten teilweise ein Vielfaches. Zudem werde häufig Bioqualität verwendet. Ein Brötchen bei Isabella liegt zwischen 1,30 und 1,80 Euro. Erhältlich sind Varianten mit Rosinen, Körnern und Schokolade. Es gibt fünf Brote, deren 500-Gramm-Laib 5,90 bis 6,90 Euro kostet.
Glutenfreie Biomehle
Alle Produkte werden täglich per Kühltransport aus dem Westen gen Norden gefahren. Einmal in der Woche erhält übrigens auch die Bullerei von TV-Koch Tim Mälzer Ware. In der familieneigenen Patisserie in Düsseldorf, die jetzt vier Geschäfte beliefert, werden ausschließlich glutenfreie Biomehle verwendet. Das ist ein Unterschied zu bisherigen Angeboten in Hamburg. So bietet die Biokonditorei Eichel an der Osterstraße täglich eine wechselnde Auswahl an glutenfreien Produkten.
Sechs bis zehn Torten aus Buchweizen in den Geschmacksrichtungen Cashew-Kirsch, Himbeer oder Apfel gibt es ebenso wie Brownies und eine Sachertorte – im Unterschied zum Original ohne Butter und vegan. Rund 100 seiner 270 Rezepte könne er auch ohne Gluten herstellen, sagt Konditormeister Christof Eichel. „Einen Käsekuchen kann ich auch glutenfrei machen.“ Vorrätig seien zudem stets vier bis fünf Gebäcksorten wie Kokosmakronen, Mandelhörnchen und Buchweizenschokonusskekse. Allerdings gebe es bei seinen Produkten stets den Hinweis „Kann Spuren von Gluten enthalten“ – weil in dem Betrieb auch normales Mehl verarbeitet wird.
Isabella erwägt eine To-go-Filiale in Hamburg
Ausschließlich glutenfreies Mehl verwendet Flour Rebels. Rund 75 Produkte gibt es, die ausschließlich in Onlineshop oder auf „Aida“-Schiffen erhältlich sind. Vor gut einem Jahr ging die Backstube in Quickborn an den Start, mittlerweile habe man rund 1500 Kunden. „Es läuft wunderbar, als ob die Leute darauf gewartet hätten“, sagt Katrin Reichelt, Mutter von Gründerin Katinka Reichelt: „Das wächst permanent, jeden Monat werden es mehr Kunden.“
„Wir wollen wachsen“, sagt auch Jansen. „Ende dieses Jahres könnten wir uns noch ein To-go-Geschäft in Hamburg vorstellen.“ Im Düsseldorfer Geschäft war Jansen schon mit früheren Profikollegen aus Dortmund und Mönchengladbach. Zwar betont er immer wieder, wie überzeugt er von Qualität und Wirkung der Isabella-Produkte sei, Wunder sollte man aber nicht erwarten. So könnten sie den Abstieg seines HSV aus der Bundesliga wohl nicht verhindern, sagt der HSV-Aufsichtsrat mit einem Augenzwinkern: „Sonst würde ich die Produkte mit der Schubkarre ins Volksparkstadion fahren.“
Isabella Glutenfreie Pâtisserie, Stephansplatz 1–3, Öffnungszeiten: montags bis sonnabends 8.30–18 Uhr.