Hamburg. Umweltsenator appelliert an Hamburger: Gewässer in Gefahr. Kläranlagen können Schmerzmittel oder Hormone nicht vollständig entfernen.

Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) hat an die Hamburger appelliert, abgelaufene Medikamente nicht in der Spüle oder Toilette zu entsorgen. Schon niedrige Konzentrationen im Abwasser hätten Auswirkungen auf die Gewässer, warnte Kerstan. „Medikamente gehören in den Restmüll!“ Hier würden sie bei hohen Temperaturen verbrannt, die Wirkstoffe zerstört.

Bei einer Umfrage im Auftrag von Umweltbehörde und Hamburg Wasser hatten 44 Prozent der Befragten in der Hansestadt angegeben, mindestens ein altes Medikament pro Jahr über das Abwasser zu entsorgen. Jeder Zehnte gab sogar zu, dies mit mehr als zehn Arzneimitteln pro Jahr zu tun – am häufigsten die über 60-Jährigen.

Umgerechnet 28.000 Tabletten im Abwasser – pro Tag

In Deutschland werden jährlich 30.000 Tonnen Medikamente verkauft. Rund die Hälfte der 2300 Wirkstoffe gilt als toxisch oder als schwer abbaubar. Dazu gehören unter anderem Schmerzmittel wie Diclofenac und Hormone. "Selbst modernste Kläranlagen könnten diese Stoffe nicht vollständig aus dem Abwasser beseitigen", sagt Nathalie Leroy, Geschäftsführerin von Hamburg Wasser. Pro Tag werden in Hamburg 350.000 Kubikmeter Wasser gereinigt.

So wurden bei Stichproben zum Nachweis von Diclofenac pro Liter behandeltem Abwasser Werte zwischen zwei und drei Mikrogramm gemessen – etwa ein Zehntausendstel der in einer Tablette enthaltenen Wirkstoffmenge (25 Milligramm). Auf die Gesamtwassermenge hochgerechnet, entspricht das 28.000 Tabletten, die täglich im Abwasser landen.

Bisher keine Gesundheitsgefahr für Menschen

„Für uns Menschen ergeben sich bisher keine gesundheitlichen Gefahren“, so Kerstan. „Aber auch Niedrigst-Konzentrationen haben Auswirkungen auf die Gewässerökologie und die unerwarteten Effekte durch die Wechselwirkung zwischen verschiedenen Wirkstoffen, die sogenannten Cocktaileffekte, sind längst noch nicht ausreichend bekannt.“ Obgleich eine akute Gefährdung für Menschen nicht bestehe, müsse aus Vorsorgegründen gehandelt und eine weitere Anreicherung dieser Spurenstoffe in unseren Gewässern verhindert werden.

„Wir können nicht darauf warten, dass die Pharmaindustrie biologisch abbaubare Medikamente erfindet oder die Kläranlagen entsprechend aufgerüstet werden können“, so Leroy. Das hieße, Verschmutzungen quasi zu akzeptieren. „Der einfachste, kostengünstigste und effektivste Weg zu sauberem Wasser ist, es weniger zu verunreinigen als bisher.“

Kampagne "Unser Wasser soll sauber bleiben" startet

Das sei vor allem wegen des bevorstehenden demografischen Wandels wichtig. Einer Studie zufolge nehme der Medikamentenkonsum bis zum Jahr 2045 um 70 Prozent zu – und steige von heute 30.000 auf dann 50.000 Tonnen. Das liege daran, dass der Anteil der über 65-Jährigen bis dahin von heute 27 auf 36 Prozent steige – und Menschen dieser Altersgruppe 20- bis 25-mal so viele Medikamente einnähmen wie jüngere.

Da nur ein geändertes Verhalten bei der Entsorgung von Arzneimitteln eine Entlastung der Gewässer bewirken kann, starten Hamburg Wasser und die Umweltbehörde mit der Apothekenkammer zum heutigen Weltwassertag eine Informationskampagne. Unter dem Motto „Unser Wasser soll sauber bleiben“ können Interessierte über das Internet, durch Flyer oder Vorortgespräche in den Apotheken alles Wissenswerte über Medikamente erfahren.