Hamburg. Laut BUND war 2017 das lauteste Flugjahr seit 15 Jahren. Schuld sind besonders die Billig-Fluglinien, die am häufigsten verspätet sind.
Aus Sicht des Umweltverbandes BUND ist das Fazit eindeutig: 2017 war das lauteste Flugjahr seit 15 Jahren. Der von Starts und Landungen von und auf dem Flughafen Helmut Schmidt in Fuhlsbüttel erzeugte „Lärmteppich“ hat eine Ausdehnung von 14,7 Quadratkilometern erreicht. Zum Vergleich: Die räumliche Ausdehnung des Lärms in den verkehrsreichsten sechs Monaten eines Jahres hatte noch 2011 nur 11,2 Quadratkilometer betragen.
„Das vergangene Jahr hat einen doppelten Negativrekord gebracht, denn es hat auch eine deutlich Zunahme bei den Verspätungen gegeben“, sagte BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch. Nach Auswertung der Daten der Behörde für Umwelt und Energie kommt der BUND in seinem Fluglärmreport 2017 zu dem Ergebnis, dass 8404 Flüge in der Zeit zwischen 22 und 6 Uhr (der sogenannten gesetzlichen Nachtruhe) stattfanden – das entspricht 23 Starts oder Landungen pro Nacht. Vor sieben Jahren wurden nur 5155 Flüge registriert – 14,1 Flüge pro Nacht. Das bedeutet eine Steigerung der Nachtflugbewegungen um 63 Prozent seit 2011.
Nachtflüge um mehr als 100 Prozent gestiegen
Noch deutlicher ist der Anstieg der Flugzahlen außerhalb der offiziellen Betriebszeit des Flughafens, also zwischen 23 und 6 Uhr. Hier betrug der Zuwachs sogar 108 Prozent seit 2013: von 590 auf 1229 Flüge. Der Löwenanteil mit deutlich mehr als 1000 Flügen entfällt auf den Zeitraum zwischen 23 und 24 Uhr. Anders ausgedrückt: Während der Urlaubsmonate Juni, Juli, August und September wurde das Betriebszeitende von 23 Uhr nur in drei Nächten eingehalten. Während des gesamten Jahres 2017 war das nur in 66 Nächten der Fall.
„Die Belastung der Anwohner eilt von Rekord zu Rekord. 2016 war schon unerträglich, aber 2017 stellt alles klar in den Schatten“, sagte Martin Mosel, Sprecher des länderübergreifenden Arbeitskreises Luftverkehr des BUND. „Der Betrieb eines innerstädtischen Flughafens kann so nicht weitergehen.“ Allein im Juli 2017 gab es mit 62 Starts nach 23 Uhr mehr Nachtflugstarts als 2011 bis 2013 jeweils während des gesamten Jahres.
Billigflieger sind das Hauptproblem
„Die Billigflieger sind das Hauptproblem. Auf sie entfallen 79 Prozent der verspäteten Starts und Landungen“, sagte Mosel. „Die Billiglinien, die in Hamburg einen Anteil von 55 Prozent an allen Flugbewegungen haben, stehen unter Kostendruck, manche scheinen die Verspätungen aber auch zu einem Geschäftsmodell auszubauen.“ Bisweilen würden Maschinen um 21 Uhr auf Mallorca abheben, obwohl klar sei, dass sie nicht vor 23 Uhr in Fuhlsbüttel landen könnten. An der Spitze der „Übeltäter“ (Mosel) steht die Fluglinie Easyjet, die allein für 25 Prozent der Flüge nach 23 Uhr verantwortlich ist. Besonders auffällig ist der hohe Anteil von Starts mit mehr als 50 Prozent der Easyjet-Nachtflüge, die sich noch dazu nur auf die Destinationen London (Luton und Gatwick) und Edinburgh verteilen.
„Da es sich bei allen drei Verbindungen um Starts handelt, können diese Flugbewegungen nicht als unvermeidbar angesehen werden“, heißt es im Fluglärmreport. Allein die Unvermeidbarkeit wäre aber nach geltender Betriebserlaubnis die einzig akzeptable Begründung für eine Ausnahmegenehmigung.
Trotz Gesprächen: "Situation ist schlechter geworden"
Braasch und Mosel zeigten sich ernüchtert. „Seit 2014 sind viele Gespräche mit dem Flughafen und der Politik geführt worden. Das alles hat zu keinem Erfolg geführt. Im Gegenteil: Die Situation ist schlechter geworden“, sagte Braasch. Andere Flughäfen wie München oder Frankfurt gingen konsequenter gegen Verspätungen vor. Immerhin hatte die Lärmschutzbeauftragte des Senats Easyjet vor einigen Wochen zu einer Strafzahlung in Höhe von 468.000 Euro wegen der fortgesetzten nächtlichen Starts verpflichtet. „Das hat uns überrascht und gefreut“, sagte Mosel.
Der CDU-Verkehrspolitiker Dennis Thering warf der rot-grünen Koalition Untätigkeit vor. „Die neuen Rekordzahlen bei nächtlichen Verspätungen nach 23 Uhr zeigen deutlich, dass es mit netten Worten nicht mehr getan ist“, sagte der CDU-Politiker. Der Senat müsse „wirksame und spürbare Maßnahmen“ ergreifen. Durch die „rot-grüne Verweigerungshaltung“ beim Thema Fluglärm werde die Akzeptanz des innerstädtischen Flughafens „unnötigerweise immer weiter geschwächt“.
Der FDP-Umweltpolitiker Kurt Duwe warf dem BUND dagegen vor, „mit Halbwahrheiten zu hantieren“. So werde bei den Nachtflügen nicht einmal zwischen Touristenflügen und Organspendentransporten unterschieden.
Rot-Grün setzt auf erhöhte Gebühren und hartes Durchgreifen
„Wir können die Kritik an der Verspätungs- und Lärmsituation am Flughafen durchaus nachvollziehen“, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. Rot-Grün setze darauf, dass die erhöhten Landegebühren und das harte Durchgreifen mit Ordnungswidrigkeitsverfahren Schritt für Schritt Wirkung zeigten. „Dass sich die Verspätungslage weiter verschlechtert hat, ist nicht hinnehmbar“, sagte auch Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks. Rot-Grün habe die Fluglärmschutzbeauftragte gestärkt, so dass sie – bundesweit einmalig – Strafzahlungen und Gewinnabschöpfungen bei Fluglinien verhängen könne, die wiederholt die Nachtruhe nicht eingehalten haben.
Am Donnerstag lädt der Umweltausschuss der Bürgerschaft zusammen mit dem Wirtschafts- und Verkehrsausschuss zu einer Expertenanhörung zum Thema Fluglärm ein. Anlass ist die erfolgreiche Volkspetition des BUND, die sich für ein konsequentes Nachtflugverbot bereits von 22 Uhr an bis 6 Uhr morgens einsetzt, an Sonntagen zwischen 22 Uhr und 8 Uhr.