Hamburg. Nach den ersten Sicherheitsüberprüfungen könnten Anfang Juni bereits Autos durch den Hightech-Tunnel fahren.
Plötzlich schlagen Flammen in die Höhe. Eisiger Nordwind drückt den Rauch Richtung Tunnelende. Die Beleuchtung wird greller, ein Blitzlicht zuckt über den Notausgängen, Bodenlampen gehen an, Lüfter wirbeln. Eine Frauenstimme mahnt via Lautsprecher, sich unverzüglich in Sicherheit zu begeben. Sie warnt vor Lebensgefahr, erst auf Deutsch, dann auf Englisch.
Welch Segen, dass es sich um eine Übung handelt. Der 560 Meter lange Tunnel auf der A 7 zwischen den Abfahrten Schnelsen und Stellingen ist praktisch fertig. Bis dort der Verkehr - wohl von Juni an - fließen wird, stehen umfangreiche Sicherheitstests auf dem Programm. In der Nacht von Sonnabend auf Sonntag, von 21.15 bis gegen zwei Uhr, wurden sechs Brände simuliert, je drei mit offenem Feuer sowie mit kaltem Rauch. Die Problemstellung: Wie rasch erkennt die Technik in der Betonröhre das Feuer? Wenn zum Beispiel ein Auto brennt?
Betriebsbeginn im Sommer
Die gute Nachricht: sehr schnell. In etwa fünf Sekunden hat das Videosystem mit einer speziellen Technik den Rauch registriert. Nach knapp 25 Sekunden sendet das Brandmeldekabel Warnsignale in die Überwachungszentrale. Damit werden die festgelegten Zeitfenster von 15 beziehungsweise 60 Sekunden unterschritten. Nach und nach folgen fünf weitere Versuche.
„Mit diesem Test hat der Tunnel Schnelsen einen Meilenstein erreicht“, sagt Christian Merl im Namen der Verkehrs- und Baustellenkoordination der Wirtschaftsbehörde. „Wir gehen von einem Betriebsbeginn im Sommer aus.“ Dann wird der Verkehr auf vier Spuren, jeweils zwei in jede Richtung, durch den Tunnel geleitet. Auf dem Gelände nebenan, dort, wo aktuell Autos fahren, soll bis Ende 2019 eine zweite Röhre entstehen. Nach Fertigstellung werden gen Norden und Süden je drei Spuren zur Verfügung stehen. Danach wird auf dem Deckel zwischen 90 und 100 Zentimeter Erde aufgeschichtet. Über dem Tunnel sollen später 41 Kleingärten entstehen.
Verkehr könnte am 3. Juni rollen
Intern kursiert folgender Wunschplan: Bis 17. April dieses Jahres wird der komplett fertige Tunnel übergeben. In den folgenden vier Wochen werden Sicherheit und Verkehrstechnik umfangreich überprüft. Anschließend sind 14 Tage Zeit für Nachbesserungen. Wenn alles funktioniert, könnte der Verkehr am 3. oder 4. Juni erstmals rollen. Da bisher eine Freigabe bis Ende Juni verkündet wurde, besteht noch ein ausreichender Zeitpuffer.
Die Brandversuche dieses Wochenendes machen den Beteiligten Mut. „Insgesamt alles höchst zufriedenstellend“, bilanzierte Christian Sellheim um zwei Uhr nachts. Der Energieelektroniker und Diplom-Wirtschaftsingenieur koordinierte als Oberbauleiter Betriebstechnik des Tunnels Schnelsen die Testversuche. Zur vorgeschriebenen Sicherheitsbelehrung am Sonnabend um 18.45 Uhr fanden sich 60 Personen in der Baubaracke an der Straße Jungborn ein. Neben den beteiligten Bauunternehmen und mehreren Behörden waren auch die Feuerwehr und die Polizei zur Stelle.
Notfalls hätte die Polizei Vollsperrung veranlasst
„Keine besonderen Vorkommnisse“, teilte Hauptkommissar Holger Winkler von der Verkehrstechnik der Polizei mit. Gemeinsam mit seinem Kollegen Carsten Heinrichs war er Zeuge, wie die Rettungsmaschinerie tadellos ablief – organisiert mit guter deutscher Akkuratesse.
Alles war perfekt geplant: ein Rädchen griff ins andere. Vorsichtshalber hatte die Polizei den Verkehr auf der Autobahn in jede Richtung auf eine Spur verengt. Im Falle eines Falles wäre eine Komplettsperrung der A 7 so unkompliziert und zügig möglich gewesen. War sie jedoch nicht. Weil tatsächlich alles nach Plan lief.
Im neuen Tunnel ist Hightech zu Hause. Für die fertige Röhre wurden 5000 Tonnen Stahl und 33.000 Kubikmeter Beton verbaut. Dieser Beton entspricht etwa 5000 Lkw-Ladungen. Für die Röhre nebenan wird noch einmal die gleiche Menge benötigt. Es gibt 24 Strahllüfter, 73 elektronisch angesteuerte Verkehrsschilder und 37 Verkehrszeichenbrücken.
Im Abstand von 60 Metern wurden Fluchttüren eingebaut. Es stehen 15 Hydranten zur Verfügung, die mithilfe einer Druckerhöhungsanlage bis zu 1200 Liter Wasser pro Minute freigeben können. 35.000 Datenpunkte, Lampen, Brandmelder und so weiter können erfasst und einzeln angesteuert und überprüft werden.
Was sehr theoretisch klingt, beeindruckte in der Nacht zum Sonntag sehr praktisch. Kaum hatte ein Mitarbeiter der Firma Siemens 20 Liter Benzin in vier schwarzen Feuerschalen mit einem langen Stab entzündet, loderten die Flammen. Kameras und feine Sensoren merkten das binnen weniger Sekunden. Damit ist ein Teilstück auf dem Weg zu einem möglichst sicheren Tunnel geschafft.