Hamburg. Aufhebung des Denkmalschutzes aus „überwiegendem öffentlichen Interesse“. Kritik an „widersprüchlicher“ Begründung.

Der Senat hat den Abriss des denkmalgeschützten City-Hofs beschlossen. Laut Stadtentwicklungsbehörde wird der jetzt beschlossenen denkmalrechtlichen Abbruchgenehmigung im zweiten Quartal 2018 auch die baurechtliche Abbruchgenehmigung folgen. Schon Anfang 2019 könnte dann der Neubau genehmigt werden. Damit wäre das Ende der vier vernachlässigten Hochhäuser am Klosterwall besiegelt und der Weg frei für den Investor Aug. Prien. Denkmalschützer, Grundeigentümerverband und die CDU reagieren mit heftiger Kritik.

Auf immerhin elf Seiten begründeten die Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt und ihr Staatsrat Matthias Kock jetzt in dem Entwurf einer Entscheidungsvorlage für den Senat, die dem Abendblatt vorliegt, warum der Abriss des Denkmals aus „überwiegendem öffentlichen Interesse“ notwendig ist.

City-Hochhäuser "herausragend"?: Was denn nun?

Dabei preist Stapelfeldt zunächst aber die Vorzüge der 1955 bis 1956 gebauten vier Türme, die durch einen zweistöckigen Sockel mit Passagencharakter verbunden sind. „Aufgrund seiner Lage an bedeutenden Einfahrtstraßen in die Stadt“ sei der City-Hof „mit seiner hellen, unter der heutigen Bekleidung erhaltenen Fassadengestaltung ein leuchtendes Dokument des hoffnungsvollen Neubeginns und der Wirtschaftswunderzeit“, schreibt die Senatorin.

Die vier Hochhäuser präsentierten sich „aufgelockert“ und gewährten „großzügige Sichtbeziehungen zum Kontorhausviertel“. Diese „durchlässige Baukörpergliederung mit seinem hellen Fassadenmaterial“ setze einen „deutlichen und eigenständigen Kontrapunkt zum Kontorhausviertel“. Dadurch, wird im Papier festgestellt, „leistet der City-Hof einen herausragenden Beitrag zu Architektur und Städtebau der Nachkriegszeit in Hamburg“.

Gegenpol zum Kontorhausviertel?

Doch schon eine Seite später ist es vorbei mit den eben noch gelobten „großzügigen Blickbeziehungen auf das Kontorhausviertel“. Unter der Überschrift „Die Notwendigkeit des Abbruchs …“ gewährt jetzt „die in der Ansicht präsentierte aufgelockerte Gliederung eben nicht großzügige Sichtbeziehungen“ zum Weltkulturerbe nebenan, vielmehr seien diese Blickachsen auf die Backsteinbüros durch die massive, zweigeschossige Sockelzone „weitgehend verstellt“.

Hamburg: Visualisierung des City-Hofes am Steintorwall
Hamburg: Visualisierung des City-Hofes am Steintorwall © www.bloomimages.de | www.bloomimages.de

Hinzu komme laut Stapelfeldt-Papier, dass der eben noch als schön aufgelockert bezeichnete Sockel mit den schlanken Hochhausscheiben „nicht genügend kritische Masse hat, um sich als eigene, quartiersbildende Kraft zu etablieren“. Mit anderen Worten: Die von Stapelfeldt als „eigenständiger Kontrapunkt“ gelobten luftigen Hochhäuser funktionieren jetzt eben wegen ihrer Luftigkeit plötzlich nicht mehr als Gegenpol zu den schweren Backsteinbauten des Kontorhausviertels und würden es deshalb auch nicht begrenzen und abrunden können. „In der Konsequenz führt dies dazu, dass sich City-Hof und Kontorhausviertel gegenseitig schwächen.“

Der von Aug. Prien projektierte Neubau könne das Gegengewicht zu den Kontorhäusern besser bilden, da er als „Blockrand“, also als durchgängiger massiver Riegel, geplant sei. Er würde „einen eindeutigen Abschluss finden und dem Stadtgrundriss mehr Prägnanz und historische Identität verleihen“.

CDU: Skandalöse Argumentation

Die CDU bezeichnet die Argumentation des Senats als „skandalös und widersprüchlich“. „Die Vorlage zeigt auf, dass es weder aus denkmalpflegerischer noch aus städtebaulicher Sicht eine Notwendigkeit für den Abriss gibt“, so der kulturpolitische Sprecher Dietrich Wersich. Seine Partei hoffe, dass es durch den Bürgermeisterwechsel zu einer „Denkpause“ und zu einer „klügeren Entscheidung“ komme. Der City-Hof müsse erhalten werden.

Ulf Hellmann-Sieg vom Grundeigentümerverband kritisiert einen weiteren Punkt. „Es ist höchst problematisch, ein denkmalgeschütztes Haus mit der Maßgabe Neubau zu verkaufen, wenn für den Abriss noch gar keine Genehmigung vorliegt.“ Die Vorlage der Senatorin sei als Begründung „überhaupt nicht geeignet“. Sie stelle „nur zwei einander sich ausschließende Betrachtungen gegeneinander. „Warum die eine wahrer sein soll als die andere, begründet sie nicht“, so Hellmann-Sieg.

Auch Kristina Sassenscheidt, Vorsitzende des Denkmalvereins, beanstandet das Papier: „Die Drucksache belegt in ihrer ganzen Mehrdeutigkeit aufs Neue, dass es hier nicht um eine ehrliche fachliche Abwägung geht, sondern um die Durchsetzung einer politischen Entscheidung. Der Senat missbraucht die städtebaulichen Argumente, um das geltende Denkmalschutzgesetz auszuhebeln. Die Wirkung auf private Eigentümer, aber auch auf die Glaubwürdigkeit der Politik ist fatal.“

Vergleich von Neubau und aktuellem City-Hof „schräg“

Die Behörde begründet die widersprüchlichen Aussagen in der Entscheidungsvorlage mit dem „politischen Abwägungsprozess, der je nach Einzelfall einmal diesen und einmal jenen Belang zurückstellt“. Das sei „ein normaler demokratischer Vorgang“.

Schon im März 2016 hatte der Senat das 1,8 Hektar große Grundstück Prien anhand gegeben mit der Maßgabe, die zwölfgeschossigen Punkthäuser durch einen massiven Riegel mit einem Hotel, Büroflächen, etwa 135 Mietwohnungen sowie Flächen für Einzelhandel, Kultur und eine Kita zu ersetzen. Zuvor war bei einem Wettbewerbsverfahren das Hamburger Büro GMP, das mit dem Bauunternehmen Hochtief die Gebäude sanieren und dort mehr als 300 Wohnungen schaffen wollte, wegen eines Formfehlers ausgeschlossen worden.

"Widerspruch zum Denkmalschutz"

Senatorin Stapelfeldt bringt allerdings noch eine Reihe technischer Argumente, die gegen die alten Türme und für einen Neubau sprächen. So genüge die Parkgarage unter dem Sockel den technischen Bestimmungen nicht mehr. Auch sei die innen liegende City-Hof-Passage „introvertiert und nach außen kaum wahrnehmbar“.

Weiter führe die aufgelockerte, offene Gliederung des Denkmals dazu, dass sich „keine geschützten Orte finden“. Das Fehlen lärmabgewandter Gebäudeseiten mache es unmöglich, im alten City-Hof Wohnungen zu genehmigen. Ihre Erstellung aber sei „eines der derzeit drängendsten Probleme“ der Stadt.

„Hier ist die Vergleichsbasis schräg“, sagte Hellmann-Sieg. „Stapelfeldt stellt den Neubau von Prien gegen die unrenovierten Bestandsbauten. Die korrekte Vergleichsbasis aber wäre der Wettbewerbs-Entwurf von Volkwin Marg, der den City-Hof saniert und dabei nicht nur die Parkgarage auf Stand bringt, sondern auch Wohnungen vorsieht und zeigt, dass sie genehmigungsfähig sind.“ Der Senats-Entscheid widerspreche dem Hamburger Denkmalschutzgesetz von 2013, das der Stadt eine Vorbildfunktion im Umgang mit Denkmälern zuweist.