Der Hamburger Architekt Mathias Hein findet den Backstein-Plan richtig und gelungen. Welche Chancen der Neubau bietet.
Da ist sie wieder: die Macht der Bilder! Jetzt stehen sie sich gegenüber wie Rivalen im Ring. Hier die schneeweiß animierten Riegel der Nachkriegshochhäuser mit ihrem spröden Charme der 1950er – dort der Wettbewerbssieger für den Neubau mit seiner dezenten Backstein-Anmutung. Die Kommentare der vergangenen Tage zur geplanten Neubebauung am Klosterwall arbeiten sich im Wesentlichen an diesen Abziehbildern ab.
Im Kern der Entscheidung geht es aber darum, dass sich zwei städtebauliche Prinzipien gegenüberstehen: einerseits der bestehende City-Hof mit seiner dem Kontorhausviertel plakativ entgegengesetzten Kammstruktur und andererseits der Vorschlag einer städtebaulich sensiblen Ergänzung des Weltkulturerbes Kontorhausviertel mit einer Blockrandbebauung auf dem lang gestreckten Grundstück zwischen Steinstraße und Deichtorplatz.
Der Entwurf bietet Chancen, die man ergreifen sollte
Zum bestehenden City-Hof ist in den vergangenen Jahren eigentlich alles gesagt worden. Der nun konkret vorliegende Gegenentwurf zu dieser seit 60 Jahren bestehenden Bebauung verdient es, differenziert betrachtet und bewertet zu werden.
Durch die vielfach kritisierte durchgehende Bebauung erhält das Kontorhausviertel einen klar definierten Abschluss nach Osten und zum achtspurigen Klosterwall. Das ist kein Selbstzweck, sondern die logische Antwort auf die real existierende städtebauliche Situation. Gleichzeitig wird der Komplex aber Richtung Süden erweitert. Und hier passiert nun Erstaunliches: Die Einfahrt vom Deichtorplatz, der über Jahrzehnte gar kein Platz, sondern eine Straßenwüste der nach dem Krieg propagierten autogerechten Stadt ist, wird verengt und durch einen Kopfbau akzentuiert. Dahinter entsteht tatsächlich ein neuer öffentlicher Platzraum zwischen Chilehaus, Sprinkenhof und Neubau. Dieser neue Quartiersplatz könnte durch eine Ergänzung des Bauer-Verlagsgebäudes noch weiterentwickelt werden.
In jedem Fall ergibt sich an dieser Stelle endlich ein würdiger Außenraum vor der Spitze des Hamburger Wahrzeichens Chilehaus. Dieser bildet die Überleitung zum Burchardplatz, der dann vielleicht endlich auch umgestaltet werden wird, statt weiterhin ein Dasein als Blechabstellfläche zu fristen. Das alles sind Chancen, die jetzt ergriffen werden können.
Gebt dem Neuen eine Chance
Die Architektur folgt nun konsequent den Gestaltungsvorgaben der großen Kontorhausblöcke. Traufhöhen und Staffelgeschosse werden übernommen und in moderne Fassadengestaltung übertragen, die trotz maßstäblicher Einheitlichkeit eine erstaunliche Vielfalt und Differenzierung im Detail aufweist. Dazu kommen Richtungswechsel der Fassadenfluchten, unterschiedliche Farbnuancen des Klinkermaterials sowie die kluge Nutzung der Erdgeschosse.
Wer das alles nicht mag – okay. Mein Fazit lautet: Der solitärhafte städtebauliche Antagonismus des City-Hofs hat sich gegenüber der Kraft des Kontorhausviertels in 60 Jahren nicht behaupten können. Gebt dem neuen Ansatz eine Chance!