St. Georg. Eine der drei Töchter der Gründer will sich ihr Erbe auszahlen lassen. Die nächsten zwei Spielzeiten sind aber gesichert.
Würden sie es mitbekommen, würden Telse und Paul-Wilhelm Grell sich wohl im Grabe umdrehen. Der seit Jahren schwelende Erbschaftsstreit unter ihren drei Töchtern führt jetzt dazu, dass „ihr“ Hansa-Theater zwangsversteigert werden soll. Eine entsprechende Mitteilung machte das Amtsgericht St. Georg im amtlichen Anzeiger. Paul-Wilhelm Grell, ein Bierbrauer, hatte das Haus am 4. März 1894 am Steindamm als Programmbühne mit Ausschank eröffnet. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Familie das 1943 komplett zerstörte Varieté in kleinerer Form wieder aufgebaut und 1945 als erstes Hamburger Theater wiedereröffnet.
Schon damals befanden sich auch mehrere benachbarte Wohn- und Geschäftshäuser im Familienbesitz. Der sogenannte Hansa-Block umfasst fünf Immobilien am Steindamm und an der Bremer Reihe. Bis auf ein Gebäude aus den 1960er-Jahren wurden die Häuser zwischen 1877 und 1886 errichtet und sind heute denkmalgeschützt. Alle sind durch das Theater miteinander verwoben und werden daher bei der Zwangsversteigerung als wirtschaftliche Einheit betrachtet – was das Ganze kompliziert und für potenzielle Interessenten nicht gerade attraktiv macht.
Theaterbetrieb soll fortgeführt werden
Der Theaterbetrieb soll laut amtlichem Anzeiger fortgeführt werden, die Theaternutzung sei bei der Wertermittlung zugrunde gelegt worden. Tatsächlich sind die Räumlichkeiten eng mit den umstehenden Gebäuden verflochten. So befinden sich in dem sechsgeschossigen Wohn- und Geschäftshaus am Steindamm 15 neben zwei Ladengeschäften und zehn Wohnungen im Kellergeschoss die sanitären Einrichtungen des Theaters. Auf dem Grundstück an der Bremer Reihe 20/20a steht – hinter dem Vorderhaus mit zwei Gewerbeflächen und elf Wohnungen – ein Hinterhaus, in dem das Lager und die Werkstatt des Theaters sowie die Künstlergarderoben untergebracht sind. Und am Steindamm 17 schließlich befinden sich neben zwei Ladengeschäften und 17 Wohnungen der Theatersaal sowie die Büroflächen des Varietés.
Der Gesamtverkehrswert des Hansa-Block beläuft sich laut amtlichem Anzeiger auf 22,7 Millionen Euro für alle Grundstücke. Davon entfallen jeweils knapp drei Millionen Euro auf die Grundstücke am Steindamm 15 und an der Bremer Reihe 20 und 20a. Für das Grundstück mit dem Theater (Steindamm 17) wurden rund 4,5 Millionen Euro aufgerufen, und für das am Steindamm 11–13 zehn Millionen Euro.
Dritte Schwester hat schon lange kein Interesse mehr
Telse-Hedwig Grell, die die Immobilien – ebenso wie ihre Schwester Gisela Baldermann – unbedingt behalten und das Theater fortführen möchte, würde am liebsten nur dieses Haus verkaufen. „Mit dem Erlös könnten wir unserer Schwester den von ihr geforderten Teil am Erbe auszahlen.“ Im Gegensatz zu ihren Geschwistern hat die dritte Schwester offenbar schon lange kein Interesse mehr an dem Familienbesitz. Bereits 2014 hatte sie vor Gericht eine Zwangsversteigerung der Immobilien beantragt, um sich ihr Drittel auszahlen lassen zu können. „Meine Schwester wird durch ihre Anwälte feindselig und falsch beraten“, so Telse-Hedwig Grell, die den festgelegten Gesamtwert von knapp 23 Millionen Euro für „irrsinnig hoch“ hält.
In den vergangenen Tagen habe sie „mit aller Kraft und voller Verzweiflung“ versucht, Interessenten für die Immobilie Steindamm 11–13 zu finden. „Wir brauchen einen wohlwollenden Käufer mit sozialer und kultureller Verantwortung“, sagt sie. Die zehn Millionen Euro wären gut angelegt, das Haus sei rentabel und gut vermietet. Ausgliedern aus dem Hansa-Block lässt es sich jedoch nicht. Der künftige Besitzer muss sich mit gewissen Gegebenheiten arrangieren – etwa mit der gemeinsamen Heizungsanlage und dem Durchgang zum Parkplatz, der über sein Grundstück führt.
Auch das Theaterinventar soll versteigert werden
Nicht nur die Gebäude, auch das Inventar des Theater soll laut amtlichem Anzeiger mit versteigert werden: die dunkelroten Plüschsessel, die Kronleuchter und die Tische mit Ruftasten für die Ober. Intendant Thomas Collien, der das 2001 wegen roter Zahlen geschlossene Theater nach acht Jahren mit Ulrich Waller wieder zum Leben erweckt hat, bleibt dennoch ruhig. „Wir sind gelassen“, sagt Thomas Collien. „Wir haben einen gültigen Vertrag für die nächsten zwei Spielzeiten, hoffen aber natürlich, auch darüber hinaus spielen zu können.“ Im kommenden März feiere das Hansa-Theater sein 125-jähriges Bestehen. Es wäre tragisch, wenn es sich dann nicht mehr im Besitz der Gründerfamilie befände.
Von der Zwangsversteigerung, die für den 3. Mai angesetzt ist, habe er nichts gewusst, so Collien, der durch das Abendblatt davon erfuhr. Er werde auf jeden Fall versuchen, sich mit weiteren Unterstützern um das Gebäude zu bewerben. „Wir haben jetzt zehn Jahre lang bewiesen, was wir ein Herz für das Hansa-Theater haben – und werden alles tun, um zu verhindern, dass diese nostalgische Hamburgensie ein Opfer von Spekulanten wird.“