ST. PAULI Wegen Schulden stehen viele der Häuser des 53-Jährigen unter Zwangsverwaltung. In Kürze wird das “Albers-Eck“ versteigert.

St. Pauli, sagte Claus Becker einmal, ist der fruchtbare Acker Hamburgs. Das meinte er auch in Bezug auf seine Immobiliengeschäfte. Jetzt erlebt der Kiez-Schwärmer, Gründer des Erotic Art Museums und Eigentümer von etwa 35 Häusern auf St. Pauli eine schlimme Zeit der Dürre. Viele der Häuser des 53-Jährigen stehen unter Zwangsverwaltung. Stück für Stück werden sie zwangsversteigert, weil die Gläubiger Geld sehen wollen. Es soll um etwa 600 000 Euro Schulden gehen, die bei Beckers Hauptgläubigern fällig seien. Darunter die Deutsche Hypothekenbank und die Haspa. Am 17. Oktober, um 9.30 Uhr, kommt deswegen im vierten Stock des Ziviljustizgebäudes, Sievekingplatz 1, Zimmer 939 des Amtsgerichtes Hamburg erneut das "Albers-Eck" unter den Hammer. Genauer gesagt, ein 368 Quadratmeter großes Grundstück, zum Hans-Albers-Platz hin bebaut mit einem dreigeschossigen Gebäude aus dem Jahr 1890 - und zur Querstraße mit einem viergeschossigen Gebäude aus dem Jahr 1872. Die 680 Quadratmeter Nutzfläche würden mit "Gaststätten" und "Beherbergungsgewerbe" ausgefüllt. Das Haus am Albers-Platz sei in völlig verbrauchtem, für eine Nutzung ungeeigneten Zustand, während das Haus in der Querstraße noch ordentlich sei. Bis Anfang 2003 stünden beide Gebäude leer. Im April sollten beide Häuser schon einmal versteigert werden. Für eine Million Euro. Doch niemand bezahlte so viel für die marode Bausubstanz. Bei der erneuten Versteigerung im Oktober, angesetzt auf Drängen der Gläubiger, wird der Verkehrswert deswegen mit gerade noch 532 000 Euro angegeben. "Wenn jemand über eine Million Euro bezahlt, wäre ich nicht unzufrieden", sagte Becker noch im Fe-bruar. Danach war kaum mehr von ihm zu hören. Der Sohn eines Klempnermeisters aus Flensburg, der mit seinen Visionen für St. Pauli und einem Immobilienbesitz im geschätzten Wert von 50 Millionen Euro schnell zum Kronprinzen auf dem Kiez avancierte, steht nun also vor den Trümmern seines kleinen Kiez-Reiches. Er selbst äußerte sich gegenüber dem Abendblatt nicht zu seiner Situation. Zu Versteigerungsterminen erscheint er nicht. Auf die Frage, ob er pleite sei, antwortete er der "Bild"-Zeitung einmal: "Ich habe zu viele Immobilien, als dass ich das sagen könnte." Sein Scheitern auf dem Kiez, insbesondere auf dem Hans-Albers-Platz lastet er den Behörden an. Alle hätten sich gegen seine Pläne quer gestellt. Die waren nicht gerade unbescheiden. Auf dem brachliegenden Grundstück an der Bernhard-Nocht-Straße, gleich neben der "Washington-Bar", wollte Becker ein Musical-Theater mit 3000 Sitzen bauen. Am Nobistor schwebte ihm ein Vergnügungszentrum mit acht Kinos, Restaurants, Travestie-Show und Zirkus Roncalli auf dem Dach vor. Geworden ist aus all dem nichts. Was nicht darüber hinwegtäuschen soll, dass es Claus Becker nicht ernst meinte. Dass er sich zum Beispiel wie kein anderer für den Hans-Albers-Platz eingesetzt hat, bestreiten nicht mal seine ärgsten Feinde. Die hat er sich in erster Linie mit seinen Sanierungen auf dem Kiez geschaffen. 1982 hatte Becker zusammen mit Freunden die "Hansa Treuhand Schiffbeteiligungs GmbH" gegründet. Mit Erfolg: Nach drei Jahren stieg Becker mit einer beträchtlichen Abfindung aus dem Schifffahrtsgeschäft aus und steckte sein Geld in die Sanierung von Altbauten. Zuerst in Eppendorf und Winterhude und dann auf St. Pauli. Dort warfen ihm St. Paulianer "Luxussanierung" auf Kosten der armen Mieterschaft vor, die Becker nach deren Meinung vom Kiez vertreiben wollte. "Weltfremd", nannte Becker solche Vorwürfe. Nun schweigt Claus Becker. Selbst in der Kanzlei seines Anwalts Guido Gemoll ist er selten zu sehen: "Herr Becker ist für uns ein Phantom", sagt eine Angestellte. Wie es also weitergehen wird mit dem Rest der Becker-Immobilien, ob das Erotic Art Museum oder das Restaurant "Erich" Hamburg erhalten bleiben, ist noch völlig ungewiss. Gewiss ist aber, das Claus Becker Hamburg enttäuscht den Rücken kehren wird. Nach Duisburg, Köln oder Berlin, denn da sei die Zukunft, hat Becker einmal gesagt.