Hamburg. Gemeinsame Trägerschaft aller katholischen Schulen geplant. Schulgenossenschaft spricht von einem „entscheidenden ersten Schritt“.
Das Gespräch im Generalvikariat am Mariendom begann am späten Sonnabendnachmittag und dauerte gut drei Stunden. Anschließend klang Nikolas Hill zwar noch verschnupfter als vor dem Treffen, aber seine Erkältung war ihm egal. „Wir haben ein ausgesprochen positives Ergebnis erzielt“, sagte der Ex-Staatsrat (CDU) und Mitinitiator der Hamburger Schulgenossenschaft. Diese möchte den Erhalt aller 21 katholischen Schulen in Hamburg sicherstellen.
Das kann die Genossenschaft nun zusammen mit der Kirche tun: Wie Nikolas Hill sowie sein Mitstreiter Prof. Christian Bernzen mit Erzbischof Stefan Heße und Generalvikar Ansgar Thimm vereinbart haben, planen sie eine gemeinsame Trägerschaft aller katholischen Schulen in Hamburg. Es bestehe Einigkeit darin, das katholische Schulwesen „zukunftsfähig weiterzuentwickeln“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Beide Seiten sprachen von einem „guten und konstruktiven Gespräch“.
Ist das die Wende im Schulstreit, der von vielen Unterstützern der betroffenen Schulen geforderte „Aufbruch“? Konkret: Nimmt das Erzbistum mit der Vereinbarung nun Abstand von seinen Plänen, bis zu acht katholische Schulen zu schließen? „Nein, das ist erst einmal nicht so“, sagte Erzbistum-Sprecher Manfred Nielen auf Abendblatt-Nachfrage. „Sonst hätten wir es ja in die Erklärung geschrieben.“ Die Schulgenossenschaft sprach gleichwohl von einem „entscheidenden ersten Schritt“. In den kommenden Tagen sollen Gespräche mit Eltern, Lehrern und Schülern sowie Bistum und Stadt „intensiv fortgesetzt“ werden. Bis zum Beginn der Sommerferien am 5. Juli soll der Projektplan fertig sein. „Wir haben viel Arbeit vor uns. Aber darauf freuen wir uns“, sagte Hill.
Auf dem Rathausmarkt skandierten Eltern und Kinder
Die Genossenschaft will für den Erhalt der Schulen 10.000 Unterstützer gewinnen, die Anteile in Höhe von je 1000 Euro zeichnen. Die zehn Millionen Euro sollen eine Art Betriebskapital für die Genossenschaft sein. Bis jetzt hätten 1200 Menschen ihre Hilfe zugesagt, wodurch schon mit 2,5 Millionen Euro zu rechnen sei, sagte Hill.
Vor dem Treffen hatten etwa 3500 Menschen für den Erhalt der 21 Schulen des Erzbistums in Hamburg demonstriert. Sie bibberten in der Kälte, wippten auf und ab, hielten auf dem Rathausmarkt aber über eine Stunde lang die Stellung. Etwa ein Viertel der Teilnehmer waren Kinder und Jugendliche. „Wir sind laut, weil ihr unsere Schule klaut. Wir wollen bleiben, sonst muss der Bischof leiden“, riefen Zweit- und Drittklässler von der katholischen Schule Altona. Diese gehört zu den fünf katholischen Schulen, die das überschuldete Erzbistum in jedem Fall schließen will. Für drei weitere Schulen gilt eine Art Gnadenfrist, weil das Erzbistum prüft, ob sich diese Standorte etwa mit Unterstützung von Sponsoren doch weiterführen lassen.
Zu der Kundgebung hatten die Gesamtelternvertretung und die Initiative „Rettet 21“ aufgerufen. Mit Glocken und Trillerpfeifen zogen die Teilnehmer vom Gänsemarkt zum Rathausmarkt, viele hielten Plakate in die Höhe. Darauf stand etwa „Hände weg von meiner Bildung“, „Schule gleich Zukunft“, „Aufgeben ist keine Option“ und „Das Evangelium nach Ernst & Young“ – eine Anspielung auf eine von der Unternehmensberatung Ernst & Young erstellte Untersuchung, wonach sich die Überschuldung des Erzbistums auf 79 Millionen Euro beläuft.
Auf dem Rathausmarkt skandierten Eltern und Kinder minutenlang: „Aufbruch statt Abbruch“. „Ich bin stolz auf euch“, rief Jutta Spohrer, Mitgründerin der Initiative „Rettet 21“ den Teilnehmern von der Bühne aus zu. „Wir sind nicht gegen die Kirche. Wir wollen die Kirche erhalten.“ Dann stimmte sie das Lied „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind“ an, das die Teilnehmer lauthals mitsangen.
Henrik Lesaar von der Gesamtelternvertretung berichtete von einem Gespräch der Elternvertreter mit Stefan Heße am Freitag. „Wir haben den Eindruck gewonnen, dass der Erzbischof ernsthaft an einer Lösung des Problems interessiert ist“, sagte Lesaar.
„Wer heute katholische Schulen schließt, predigt morgen vor leeren Kirchenbänken“, rief Marie-Theres Kastner, Vorsitzende der katholischen Elternschaft Deutschlands. Sie forderte vom Erzbistum, die Beschlüsse zu den Schulschließungen vorerst auszusetzen. Das Hamburger Erzbistum habe nicht so viel Geld wie andere Erzbistümer, sagte Kastner. Aber: „Der Hamburger Erzbischof darf auch um Hilfe bitten. Das ist kein Zeichen von Schwäche.“
Hilfe von Erzbischöfen in Köln und München gefordert
Rainer Esser, Geschäftsführer des „Zeit“-Verlags, richtete einen Appell über Hamburg hinaus. „Wo ist die Solidarität der reichen Erzbischöfe in Köln und München?“, rief Esser. Er hoffe, dass andere Erzbischöfe „ihrem armen Bruder“ in Hamburg bald helfen werden. Esser sieht allerdings nicht nur die Kirche in der Pflicht: Auch Schulsenator Ties Rabe (SPD) müsse „seine Schatulle öffnen“. Das sieht auch Jutta Spohrer so. „Die Stadt Hamburg bezahlt uns seit Jahrzehnten zu wenig Geld“, rief sie.
Kurz vor dem Ende der Demonstration riefen die Veranstalter zum gemeinsamen Hüpfen auf – gegen die Kälte und als Zeichen des Aufbruchs. Dann stimmten sie erneut ein Lied an: „Großer Gott, wir loben dich.“