Das Erzbistum setzt seine unselige Fehlerkette fort. Es hilft nur ein Moratorium

Hamburg ist eine solidarische Stadt und eine Stadt des bürgerlichen Engagements zugleich: Spektakuläre Retteraktionen künden davon, dass den Menschen ihr Gemeinwesen wichtig ist und sie Verantwortung eben nicht wegdelegieren: Rettet St. Nikolai, rettet den FC St. Pauli oder rettet die Stadtteilküche Pottkieker – Hamburger mischen sich ein, sie mischen mit, und manchmal mischen sie auch auf. So kritisch mag man im Erzbistum das Engagement derer sehen, die in der neu gegründeten Schulgenossenschaft alle 21 Schulen der katholischen Kirche retten wollen. Doch diese Retteraktion unterscheidet sich langsam von vielen anderen in der Stadtgeschichte: Es drängt sich der Eindruck auf, die Kirchen wolle ihre Schulen gar nicht retten lassen. Es wäre die erste Retteraktion, die nicht als Hilfe, sondern als Bedrohung wahrgenommen würde.

Anders lässt sich kaum erklären, warum die Kirchenleitung gestern nicht nur engagierte Christen, sondern auch die Politik verprellt hat: Überraschend sagte das Erzbistum die Sitzung des Schulausschusses der Bürgerschaft ab. Zwar ist durchaus verständlich, dass das Erzbistum auf Vertraulichkeit drängt und über die Äußerungen der SPD und Grünen-Fraktion vom Vortage verärgert ist. Die Ermahnung, „ernsthafte und vernünftige“ Lösungen mit der neuen Schulgenossenschaft zu suchen, war eine deutliche Ansage. Aber in der Sache gerechtfertigt: Denn die Stadt zahlt 85 Prozent der Kosten des Schulbetriebs. Sie darf als wichtigster Finanzier die Kirche nicht nur in die Pflicht, sondern auch ins Gebet nehmen.

Die Kommunikationsstrategie des Erzbistums wächst sich zum Desaster aus. Die überraschende Ankündigung der Schulschließungen im Januar hat auch Wohlmeinende verstört – und in der Defensive, als Reaktion auf die breite Kritik, geht immer mehr schief. Es erinnert an den alten Satz von Johann Wolfgang von Goethe: „Wer das erste Knopfloch verfehlt, kommt mit dem Zuknöpfen nicht zurande.“

Immer weiter schlingert die Kirche in die Krise. Und sie wird nur herausfinden, wenn das Erzbistum seine gesamte Strategie hinterfragt, auf den Status quo ante zurückkehrt und, wie im Übrigen auch vom Senat gefordert, die Schulschließung unter ein Moratorium stellt. Das mögen manche als Gesichtsverlust werten, aber in dieser Krise droht die Kirche nicht nur ihr Gesicht, sondern sich selbst zu verlieren.

Es geht längst nicht mehr nur um die acht von der Schließung bedrohten Schulen, sondern um die 13 Schulen, die das Bistum doch weiterentwickeln will. Auch ihnen hat der Träger in den vergangenen Wochen geschadet: Wer wird sein Kind bei einem Träger anmelden, der so agiert? Wer wird als Lehrer dort arbeiten wollen, wenn man so mit ihm umgeht? Wer soll als Politiker die Schulen unterstützen, wenn man die ausgestreckte Hand nicht ergreift? Um es klar zu sagen: Die Kirche droht in wenigen Wochen zu verspielen, was diese Schulen in Jahrzehnten an Reputation erworben haben.

Längst ist die Schulschließung kein lokales Thema mehr. Dass der Nuntius des Papstes die Schulgenossenschaftler zu einem langen Gespräch empfängt, muss den Handelnden im Erzbistum zu denken geben. Bei den Katholiken rumort es: Es gibt Kirchengemeinden, die für sechsstellige Summen Genossenschaftsanteile erwerben, verschiedene Kirchen werden am Freitag die Glocken aus Protest läuten. Die Christen sollten ihre Kirchenleitung ins Gebet nehmen – sie hat es bitter nötig.