Hamburg. Hamburger Traditionsgeschäft verzeichnet Umsatzrückgang nach Umzug an Großen Burstah. Inzwischen kommen Kunden wieder.
Für Arno Schmidt war es kein leichter Abschied, aber inzwischen gewinnt er dem neuen Standort seines Unternehmens immer mehr ab. Vor einem halben Jahr war das traditionsreiche Wäschehaus Möhring nach sechs Jahrzehnten am Neuen Wall an den Großen Burstah umgezogen, ins Nikolai Quartier. „Unsere neue Ladenfläche ist deutlich attraktiver, weil sie weniger verwinkelt ist“, sagt Inhaber Schmidt, der das Unternehmen seit mehr als 30 Jahren führt.
Im Erdgeschoss gibt es auf 400 Quadratmetern von Unterhemden bis Küchentüchern das gesamte Wäschesortiment. Im Basement ist die neue Bettenabteilung untergebracht mit überraschender Panoramasicht auf Fleet und historische U-3-Brückenkonstruktion. Der neue Möhring-Blick. „Das hat doch ein bisschen was von New Yorker Industriecharme“, sagt Schmidt.
Kraftakt für ein kleines Traditionsgeschäft
Inzwischen haben sich auch die Kunden umgewöhnt. Trotzdem, und da ist Inhaber Schmidt hanseatisch-korrekter Kaufmann, ist so ein Ortswechsel natürlich ein Kraftakt für ein kleines Traditionsgeschäft. „Wir waren uns darüber im Klaren, dass ein Umzug nicht ohne Umsatzverluste vonstattengehen kann“, sagt der 77-Jährige. Ein Minus zwischen 30 und 35 Prozent sei einkalkuliert gewesen.
Auslöser des Umzugs waren die Mietforderungen des Besitzers des Stammsitzes am Neuen Wall. Dass er und seine beiden Mitgesellschafter nach dem Auslaufen des Mietvertrags das Risiko des Neuanfangs eingegangen sind, sagt Schmidt, habe etwas mit Leidenschaft zu tun und mit Verantwortung. Tradition verpflichtet eben. „Wir sind nicht spurlos verschwunden. Wir legen Spuren.“ Er mag solche Sätze. Schon vor gut einem Jahr hatte der Seniorchef den Betten-Experten Sven Olsson an Bord geholt.
Fahrradtaxi-Shuttle wurde eingerichtet
Er soll im Laufe des Jahres die Geschäftsführung des Betriebs mit 215 Jahren Geschichte in Hamburg übernehmen. Schmidt will kürzer treten und beratend tätig sein. „Wir vertragen uns gut“, sagt Olsson (54), der neue Kundengruppen gewinnen und einen leistungsfähigen Online-Shop aufbauen soll. An den Eigentumsverhältnissen ändert sich zunächst nichts.
Zusammen haben Schmidt und Olsson schon den Umzug gemanagt mit Ausverkauf am Neuen Wall, Einrichtung des neuen Ladens und Eröffnung am Großen Burstah. Um den Möhring-Stammkunden die Umgewöhnung zu erleichtern gab es ein Fahrradtaxi-Shuttle vom alten zum neuen Standort. Und einen Wäsche-Notdienst in der zweiwöchigen Übergangsphase. „Das wurde auch prompt genutzt“, sagt Schmidt. Schon am ersten Tag stand ein Herr mit „akutem Wäsche-Notstand“ im neuen Laden. „Er hatte am Abend ein Rendezvouz und nicht die passende Unterwäsche.“ Ehrensache, dass man bei Möhring Abhilfe schaffen konnte. Wäsche wird hier mit Hingabe behandelt, nicht nur schnöde verkauft.
Erste Zeit war eine Durststrecke
Das kann nicht darüber hinweg täuschen, dass die erste Zeit am neuen Standort eine Durststrecke war. Nicht selten sah man in den vergangenen Monaten Mitarbeiterinnen im leeren Laden stehen. Insgesamt sind es 13, dazu ein Auszubildender. Konkrete Umsatzzahlen will das Geschäftsführer-Duo nicht preisgeben. Da bitte man um Verständnis. „Aber inzwischen kommen die Kunden wieder“, sagt Sven Olsson. Der Boulevard zwischen Rathaus und Rödingsmarkt ist allerdings nicht das, was man im Branchensprech eine 1a-Lage nennt.
Eher eine Einkaufsgegend mit Potenzial. Die Einrichtungskette Habitat – auch ein Neuzugang vom Neuen Wall – ist schon da, die Schmuckgalerie Hilde Leiss, Optiker Schütt, eine Apotheke, einige Geschäfte für Waren des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel, Drogerieartikel, Blumen und die Funke Mediengruppe mit der Geschäftsstelle des Hamburger Abendblatts.
Es könnten deutlich mehr Kunden sein
„Mit uns hat sich die Frequenz bei den anderen Einzelhändlern erhöht“, sagt Arno Schmidt selbstbewusst. Neben den Kunden, die schon seit Generation ihre Tafeln mit Tischwäsche von Möhring decken, in Seiden-Pyjamas der Premiumklasse schlafen und wissen, dass ein Waschlappen eigentlich Seiftuch heißt, kommen Käufer aus den umliegenden Büros oder schauen während eines Stadtbummel vorbei. Nicht unwichtig ist auch die Bushaltestelle direkt vor der Tür, an der Pendler auf sechs verschiedene Linien warten.
Trotzdem könnten es deutlich mehr Kunden sein. Schon 2015 haben sich deshalb die Geschäftsleute in einem Business Improvement District (BID) Nikolai Quartier zusammengeschlossen, um den Standort zu stärken. Bis Mitte nächsten Jahres sollen Projektmittel in Höhe von 9,3 Millionen Euro verbaut worden sein. „Die Interessengemeinschaft ist sehr aktiv“, sagt Geschäftsführer Olsson, aber es gebe noch eine Reihe von Forderungen. Unter anderem müsse die Straßenbeleuchtung im Großen Burstah verbessert werden. „In den Wintermonaten ist das ein dunkles Loch.“
Chance für die Zukunft
Für Inhaber Schmidt war der Umzug der richtige Schritt,. Denn, auch das hatte er immer betont, die geringere Miete gibt dem ältesten Fachgeschäft der Stadt eine Chance für die Zukunft. Der Vertrag ist für zehn Jahre unterschrieben. Parallel haben die Geschäftsführer weitere Pläne. Mit anderen Hamburger Einzelhändlern wollen sie ihre Präsenz öffentlichkeitswirksam ausbauen. „Wir haben ein Drittel des Wegs geschafft“, sagt Arno Schmidt, „zwei Drittel haben wir noch vor uns.“