Hamburg. Firmen in der Region überraschen mit neuen Produkten. Wir prüfen, wie gut sie sind. Heute: Ein Trendgericht aus Kaltenkirchen.
Süßkartoffel-Pommes, Süßkartoffel-Chips, Süßkartoffel-Hanf-Bratlinge, Babybrei mit Süßkartoffel, Süßkartoffel-Pfanne – kein Zweifel: Die ursprünglich aus Südamerika stammende Knolle – vor zehn Jahren hierzulande noch ein Exot und nur in Ethnoläden mit gut sortierter Gemüseabteilung zu finden – hat die Mitte der deutschen Esstische erreicht. In so gut wie jedem Supermarkt sind die leicht süßlich schmeckenden Wurzeln inzwischen als Rohware zu haben. Und jeder Lebensmittelhersteller mit trendwacher Entwicklungs- und Marketingabteilung, so scheint es, macht mittlerweile irgendwas mit Süßkartoffeln.
Popp aus Kaltenkirchen auch. Der Feinkosthersteller hat im Herbst 2017 bei der Ernährungsfachmesse Anuga in Köln gleich zwei Süßkartoffel-Produkte präsentiert und dafür einen Innovationspreis eingeheimst: Ein Süßkartoffel-Gratin und Süßkartoffeln als Baked Potatoe mit Kräuterquark. Es sind sogenannte Convenience-Gerichte, die ohne großen Aufwand und bequem zuzubereiten sein sollen.
Guter Start
„Beide Produkte hatten einen guten Start mit sehr vielen Listungen im Handel“, sagt Popp-Marketingleiter Alexander Schmolling. In Rewe-Supermärkten sei das Gratin inzwischen bundesweit annähernd flächendeckend im Kühlregal, bei Edeka in Märkten in den Regionen Nord und Rhein/Ruhr, bei Kaufland und Penny ebenfalls deutschlandweit.
Auf der Papp-Verpackung in Popp-Rot prangt zwar das Logo der Kaltenkirchener, doch produziert wird das Gratin im Oldenburgischen, genauer im 300-Einwohner-Ort Addrup-Essen im Landkreis Cloppenburg. Das ist die Folge einer etwas komplizierten Firmenkonstruktion: Popp – 1920 in Dresden gegründet und seit 1960 in Kaltenkirchen ansässig –, gehört seit 1988 zu einer Unternehmensgruppe namens Wernsing Food Family.
Versammelte Kartoffelkompetenz
Das ist ein Lebensmittelkonzern mit 15 unterschiedlichen Marken, einer Milliarde Euro Jahresumsatz und 3550 Mitarbeitern. Dessen Keimzelle war ein Pommes-Hersteller eben in Addrup-Essen. Dort sitzt bis heute die versammelte Kartoffelkompetenz und -verarbeitung der gesamten Unternehmensgruppe. Und dort wurden die beiden neuen Produkte mit Süßkartoffeln, die aus den USA importiert werden, auch entwickelt.
„Anfangs war das etwas schwierig, weil eine Süßkartoffel schneller gar ist als eine normale Kartoffel. Wir haben erst einmal sehr viel ausprobiert“, sagt Christian Mackus, Ingenieur für Lebensmitteltechnologie und Leiter der Produktentwicklung in Addrup-Essen. Die unterschiedlichen Garzeiten sind insbesondere beim Gratin eine Herausforderung, denn es enthält neben 25 Prozent Süßkartoffeln eben auch 25 Prozent normale Kartoffeln sowie 15 Prozent des Wurzelgemüses Pastinake.
Handel ist „sehr offen“
Neben dem Gratin und der Baked Potatoe entwickelte Mackus’ Abteilung für Popp auch noch ein Püree aus Süß- und normalen Kartoffeln bis zur Marktreife. Das Püree aber konnte keinen festen Platz in den Energie fressenden Kühlregalen erobern und kam deshalb nur als Aktionsprodukt in den Handel. Ein kleiner Rückschlag, von dem man sich bei Popp aber nicht entmutigen lässt. „Es gibt mehrere weitere Süßkartoffel-Produkte, die derzeit in der Testphase sind“, sagt Produktmanagerin Bianca Magner, die in Kaltenkirchen unter anderem für Kartoffelspezialitäten zuständig ist.
Marketingchef Schmolling freut sich zwar, dass der Handel „sehr offen“ für die neuen kühlfrischen Convenience-Gerichte ist, sagt aber auch: „Wir wissen noch nicht, ob sich das Gratin tatsächlich durchsetzt.“ Das allerdings ist bei vielen neuen Lebensmitteln wenige Monate nach der Markteinführung so. Bei Popp gilt die Faustregel: Etwa 30 Prozent der derzeit gut 85 unterschiedlichen Produkte sind Klassiker, die schon sehr lange einen festen Platz im Handel und im Einkaufskorb der Verbraucher haben – und dem Unternehmen einen Basisumsatz garantieren. Die anderen 70 Prozent halten sich mehr oder weniger lang am Markt bevor sie irgendwann verschwinden. Also arbeitet Popp ständig an Neuerungen.
Ein gutes Dutzend Innovationen
Ein gutes Dutzend Innovationen kamen im vergangenen Jahr auf den Markt. Vier Sorten Hummus (Kichererbsenpüree) gehörten dazu, ein Cole-slaw (Krautsalat) und drei Gemüseaufstriche. Mit ihnen geht Deutschlands Marktführer in Sachen Brotaufstrich, der den Absatz binnen weniger Jahre auf 50 Millionen Packungen verdoppelt und seinen Marktanteil von 35 auf 40 Prozent erhöht hat, einen für ihn neuen Weg in diesem Segment: vegetarisch und vegan.
Anders als die meisten anderen Hersteller produziert Popp allerdings für das Kühlregal. Ob sich die Gemüseaufstrich-Kunden daran gewöhnen, muss sich erst noch zeigen. Die drei Sorten tragen jedenfalls wohlklingende Namen: Tomate-Grünkern, Rote Bete-Meerrettich und Karotte-Quinoa. Es sind Zutaten, die auch gerade sehr im Trend sind.
Der Abendblatt-Test – jeden Dienstag im Wirtschaftsteil. Alle bisherigen Folgen gibt es online unter www.abendblatt.de/testserie