Hamburg . Wie Eamonn Colgan aus Schottland verzweifelt nach seinem Bruder Liam sucht. Der ist seit fünf Tagen nach einer Kieztour verschwunden.
Hier vor dem „Hamborger Veermaster“ an der Reeperbahn hat Eamonn Colgan seinen jüngeren Bruder Liam zuletzt gesehen. Fünf Tage später steht der Schotte wieder vor dem Lokal, in dem er in der Nacht zu Sonnabend noch fröhlich seinen Junggesellenabschied gefeiert hat. Er gibt Interviews – sogar ein Team der britischen BBC aus London ist angereist. Eamonn Colgan ist mit seiner Verlobten Susan und zwei weiteren Freunden aus dem schottischen Dundee nach Hamburg zurückgekehrt, um weiter nach seinem vermissten Bruder zu suchen.
Mehr als 500 Plakate lässt Eamonn Colgan derzeit drucken, um sie rund um die Reeperbahn und auch in anderen Stadtteilen in den kommenden Tagen aufzuhängen. Er will am liebsten solange in Hamburg bleiben, bis sein Bruder wieder da ist.
„Wir haben jedenfalls keinen Rückflug gebucht“, sagt er. Der 33-Jährige hofft, mit der Plakatierungsaktion seinen vier Jahre jüngeren Bruder Liam zu finden. Der wird seit Sonnabend 1.30 Uhr nach einer Kieztour vermisst. Mit rund 18 Freunden und Verwandten aus Schottland hatten die Brüder den Junggesellenabschied von Eamonn gefeiert.
Gerade einmal einen Tag hatte Eamonn es nach seiner Rückkehr aus Hamburg am Montag zu Hause in Schottland ausgehalten. Doch zu Hause konnte er nicht viel tun tun, um seinen Bruder wiederzufinden. Dieses Nichtstun ist nichts für ihn.
Er denkt, er ließe seinen Bruder im Stich
Am schlimmsten war der Rückflug am Montag ohne seinen kleinen Bruder. „Es fühlte sich an, als ließe ich meinen Bruder im Stich“, sagt Eamonn. Er will aktiv sein und nicht nur warten müssen. In den kommenden Tagen will der Schotte aus Dundee Plakate aufhängen.
Er hat sich am Nachmittag in der Innenstadtwache an der Caffamacherreihe mit Beamten getroffen, um sich über den Stand der Suche und der getroffenen Maßnahmen zu informieren. Immerhin sind zehn Hinweise eingegangen von Menschen, die Liam Colgan gesehen haben wollen. „Es handelt sich um verschiedene Orte, an denen man den Gesuchten erkannt haben will“, sagt eine Polizistin. Beamte seien unterwegs, um abzuklären, ob die Örtlichkeiten passten, und ob es tatsächlich Liam Colgan gewesen sein kann. Eine heiße Spur war nicht unter den Hinweisen.
Die Polizei wertet zudem Aufnahmen aus den Überwachungskameras aus. Auf einer Sequenz soll Liam Colgan in der Nacht seines Verschwindens zu sehen sein.
„Wir versuchen, meinen Bruder über Facebook ausfindig zu machen. Inzwischen weiß ja die ganze Welt übers Internet darüber Bescheid. Wir probieren es über diese Plakataktion, und die Hamburger Polizei gibt sich große Mühe, meinen Bruder zu finden“, sagt Eamonn in die Kamera des BBC-Teams. Das Verschwinden des 29-Jährigen beschäftigt auch die Menschen zu Hause. „Dieser Fall ist in Großbritannien eine große Sache“, sagt BBC-Reporter Daniel Rosney aus London.
Der Bruder des Vermissten ist Polizist
Vom schottischen Edinburgh aus waren Eamonn und Liam Colgan mit Freunden und Verwandten nach Hamburg zum Feiern geflogen. Als „best man“, also Trauzeuge, hatte Liam die Reise organisiert. Er hatte die Unterkunft besorgt, für das Essen und die Party gesorgt. Doch der Junggesellenabschied endete tragisch: Um 1.30 Uhr wurde Liam das letzte Mal gesehen. Seitdem fehlt von ihm jede Spur. Die Polizei hatte Suchhunde eingesetzt, die Wasserschutzpolizei war im Einsatz. Bislang alles erfolglos. Bei einer Wasserleiche, die heute gefunden wurde, handelt es sich nicht um den Schotten.
„Wir wollen mehr von den Beamten erfahren, die Polizei aber auch nicht von ihrer Arbeit abhalten“, sagt Eamonn Colgan, der zu Hause in Dundee ebenfalls als Polizist arbeitet.
Nichte vermisst ihren beliebten Onkel Liam
Wenn er mit Journalisten spricht und beschäftigt ist, ist er gefasst, bis die Sprache auf seinen kleinen Bruder kommt. Dann füllen sich seine braunen Augen mit Tränen. Was ist Liam für ein Typ? „Ein Familienmensch. Einer, der viele Freunde hat und beliebt ist und der sich um seine Nichten kümmert“, sagt Eamonn Colgan. Seine Töchter Evye, 2, und Zara, 9, sind zu Hause bei seinen Schwiegereltern. „Vor allem Zara ist verzweifelt und vermisst ihren Onkel sehr“, sagt Eamonns Verlobte Susan. „Liam kümmert sich viel um sie.“
Eamonn Colgan will optimistisch bleiben. „Vielleicht hat er irgendeine Verletzung am Kopf und ist verwirrt und hat daher noch keinen Kontakt zu uns aufgenommen. Wir haben keinen Grund anzunehmen, dass er nicht zu uns zurück will.“ Liam sei seiner Familie sehr nah. Er bliebe nicht absichtlich weg. „Vielleicht hat ihm jemand auch etwas angetan“, so Eamonn Colgan. Auch dass er in die Elbe gestürzt sei, sei eine Möglichkeit.
"So ist wenigstens einer hier bei Liam"
Freunde und Verwandte zu Hause seien sehr besorgt. „Für die ist es noch schlimmer als für mich, weil sie mehr Zeit zum Nachdenken haben, was passiert sein kann. Ich handele und bin abgelenkt.“ Hier in Hamburg fühlt er sich besser. „So ist wenigstens einer hier bei Liam, denn irgendwo in Hamburg ist er ja.“