Dundee/Hamburg . Seit dem frühen Sonnabendmorgen ist Liam aus Inverness verschwunden. Polizei hat Öffentlichkeitsfahndung gestartet.

Das Schlimmste ist das Nichtstun, das Warten auf eine Nachricht aus Hamburg. Eamonn Colgan war am Montag aus der Hansestadt zurück ins schottische Dundee geflogen und saß gestern schon wieder auf gepackten Koffern. „Ich will am Mittwoch wieder nach Hamburg und weiter nach meinem Bruder suchen“, sagte er am Dienstag dem Abendblatt.

Der vermisste Liam Colgan
Der vermisste Liam Colgan © Privat/Polizei Hamburg

Seit dem frühen Sonnabendmorgen wird, wie berichtet, sein jüngerer Bruder Liam nach einer Kieztour vermisst. Ruhig zu Hause auf Nachrichten aus Deutschland warten, das kann Eamonn derzeit nicht. „Wir sind alle in großer Sorge“, sagt der 33-Jährige. Er möchte zurück an den Ort, an dem sein Bruder verschwand. „Ich möchte gucken, ob unsere Zettel, die wir verteilt und überall aufgehängt haben, noch hängen, und ich möchte mit den Polizisten in direktem Kontakt stehen und weiter versuchen ihn zu finden“, sagt er.

Eamonn will er Plakataktion starten

Eamonn will in Hamburg zudem eine Plakataktion starten, um möglichst viele Menschen auf das Verschwinden seines Bruders aufmerksam zu machen. „Vielleicht hat irgendjemand eine Ahnung, was passiert ist.“ Gemeinsam mit rund 17 Freunden und Verwandten waren die Brüder vom schottischen Edinburgh nach Hamburg geflogen, um hier – wie so viele Briten jedes Wochenende – Junggesellenabschied zu feiern. Als „best man“ seines Bruders, also Trauzeuge, war Liam, der in Inverness als Postbeamter für die „ Royal Mail“ arbeitet, für die Organisation dieses Hamburg-Wochenendes unter Männern zuständig.

Eines der letzten Fotos von Liam Colgan
Eines der letzten Fotos von Liam Colgan © privat/Polizei Hamburg

Doch der feucht-fröhliche Abend endete im Drama. „Nach Mitternacht waren wir nur noch zu fünft im Lokal Hamborger Veermaster an der Reeperbahn“, sagt Eamonn Colgan. Gegen 1.30 Uhr habe sein Bruder ohne sich zu verabschieden das Lokal verlassen. Seitdem ist der 29-Jährige verschwunden. Britischen Zeitungen gegenüber hatte ein Freund der Brüder, Alan Pearson, gesagt: „Gegen Ende unseres Abends wurde Liam von unserer Gruppe getrennt, aber niemand hat es zu dem Zeitpunkt wirklich mitbekommen, was ja auch in der Natur des Abends liegt. Wir konnten nicht alle im Auge behalten.“

Der Bruder flog zurück nach Schottland

Die Freunde hatten die Polizei verständigt, nachdem Liam auch am Sonnabendnachmittag nicht aufgetaucht war, obwohl er für den Nachmittag noch Pläne hatte. Gleich am Sonntagmorgen haben auch die Freunde und Verwandten die Suche aufgenommen, sie haben unter anderem mit Mitarbeitern des Hamborger Veermasters auf dem Kiez gesprochen. Pearson: „Er hat offenbar nur wenige Minuten vor uns die Bar verlassen.“ Was in solchen Vermisstenfällen häufig gesagt wird, trifft wohl auch auf Liam zu: Es sei gar nicht seine Art, einfach so zu verschwinden, so Bruder Eamonn. „Je mehr Zeit vergeht, desto besorgter sind wir“, sagt Eamonn, der wieder nach Hause zu seiner Verlobten Susan und den beiden Kindern flog.

Die Eltern der beiden Brüder warten im schottischen Inverness auf gute Nachrichten aus Hamburg. „Wir befürchten aber leider das Schlimmste“, sagt Eamonn. Und doch hat er noch Hoffnung und mag vielleicht auch daher nicht sagen, was aus seiner für den 2. März geplanten Hochzeit wird. Die rückt derzeit ohnehin in den Hintergrund. „Wenn Liam nicht gefunden wird, können wir nicht einfach so weitermachen, als sei nichts geschehen“, sagt Eamonn.

Handyortung wegen leeren Akkus nicht möglich

Die Suche nach Liam Colgan ist ungewöhnlich schwierig. Ein Trumpf, den die Polizei bei der Suche nach Vermissten häufig hat, ist in seinem Fall völlig nutzlos: Die Ortung seines Handys. Als Liam Colgan das Lokal Hamborger Veermaster verließ, war es nämlich aus. Der Akku war bereits leer, als der Schotte im Lokal feierte. Nun versucht die Polizei herauszufinden, ob die Kredit- oder EC-Karte des 29-Jährigen nach seinem Verschwinden eingesetzt wurde. „Wir arbeiten hier die ganze Palette der Möglichkeiten ab“, sagt ein Beamter.

Vor allem die Öffentlichkeitsfahndung, die am Dienstag offiziell startete, soll die Polizei weiterbringen. Doch bis Redaktionsschluss waren keine Hinweise eingegangen. Weitere Suchmaßnahmen, wie der Einsatz von Spürhunden, den es kurz nach Beginn der Fahndung nach dem Mann gegeben hatte, wurden beendet – die Polizei hat keinen Ansatz, wo sie suchen sollte. Nun halten Polizisten im Streifendienst Ausschau nach dem Schotten. Das gilt auch für die Wasserschutzpolizei, die mit ihren Booten auf der Elbe Höhe Hafenrand Streife fährt.

Kurz nach Liams Verschwinden hatten bereits Beamte der Wasserschutzpolizei die Elbe nach ihm abgesucht. Inzwischen ist auch das britische Außenministerium eingeschaltet. Bevor Liam verschwand, trug er eine braune Lederjacke und einen grauen Kapuzenpullover, einen Strohhut und eine blaue Jeanshose. Er ist 1,82 Meter groß, schlank und hat rötliche Haare und trug einen Dreitagebart. Hinweise bitte an die Polizei unter der Rufnummer 040/428 65 67 89 oder an jede andere Polizeidienststelle. Die Verwandten haben eine Facebook-Seite („help find liam“) eingerichtet, die bereits mehr als 2750-mal geteilt wurde.

Der Fall erinnert an das Schicksal von Timo Kraus. Der HSV-Manager war im Januar 2017 nach einer Feier auf dem Kiez verschwunden und elf Wochen später tot aus der Elbe geborgen worden.