Hamburg. Liam Colgan (29) feierte den Junggesellenabschied seines Bruders – und verschwand am Sonnabend spurlos

Wäre der Abend verlaufen wie geplant, hätten Liam Colgan und seine 17 Begleiter ihre feucht-fröhliche Kiez-Tour noch lange fortgesetzt. Erst besichtigte die Feiertruppe am Freitag eine Brauerei, dann zog sie weiter über die Reeperbahn, von einer Bar in die nächste – so, wie es sich für einen Junggesellenabschied eben gehört.

Doch es lief ganz und gar nicht wie geplant: Liam Colgan verschwand am Sonnabendmorgen spurlos. Der 29 Jahre alte Schotte ist seitdem nicht wieder aufgetaucht – obwohl die Polizei, seine Familie und inzwischen auch eine breite Öffentlichkeit fieberhaft nach ihm fahnden. Die Wasserschutzpolizei hat bereits die wenige Hundert Meter von seinem letzten bekannten Aufenthaltsort am Beatles-Platz entfernte Elbe abgesucht – bisher ohne Ergebnis. „Wir nehmen den Fall sehr ernst“, sagt Polizeisprecher Rene Schönhardt. Inzwischen ist auch das britische Außenministerium eingeschaltet.

Die Feiergäste waren am Freitag mit dem Flugzeug in Hamburg angekommen. In drei Wochen wollten sie die Hochzeit von Liams Bruder Eamonn mit seiner Verlobten Susan feiern und es zuvor auf dem Kiez krachen lassen. Liam Colgan hatte den Junggesellenabschied als Trauzeuge organisiert. Um kurz nach Mitternacht erreichte die Gruppe die Bar Hamborger Veermaster an der Ecke Reeperbahn/ Große Freiheit. Hier sahen seine Freunde Liam gegen 1.30 Uhr das letzte Mal. Aus unbekannten Gründen hatte er sich von ihnen entfernt, ohne dass es einem seiner Freunde oder Verwandten aufgefallen war. Wie sie durch Nachfragen beim Personal herausfanden, hatte er das Lokal wenige Minuten vor den anderen verlassen. Sein Freund Alan Pearson sagte der schottischen BBC später: „Das ist überhaupt nicht seine Art, einfach so zu gehen.“ Die Gruppe habe noch in der Nacht überall nach ihm gesucht – ohne Erfolg.

Am Sonntagmorgen erstatteten der Bruder und Freunde des Mannes – sie wohnen in einem Hostel an der Spaldingstraße – Anzeige auf der Wache am Steindamm. Geht es nicht um Kinder, hält sich die Polizei bei Vermisstenfällen mit Maßnahmen zunächst zurück. Denn Erwachsene haben das Recht abzutauchen – einfach so und ohne weitere Begründung. Anders agiert die Polizei jedoch, wenn bekannt ist, dass die Vermissten unter einer Erkrankung leiden, die medizinische Hilfe oder Medikamenteneinnahme erfordern. Im Fall des Schotten waren andere Gründe ausschlaggebend. „Er kennt sich nicht in Hamburg aus und hat überhaupt keine Bezugspunkte hier“, sagte ein Beamter. Weil man sofort angenommen habe, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte, habe die Polizei umfangreiche Fahndungsmaßnahmen eingeleitet: Beamten fragten alle Krankenhäuser ab, gingen bei Taxifahrern auf Spurensuche, sichteten Videomaterial aus Überwachungskameras, setzten Fährtenspürhunde ein. Zudem fuhren Streifenboote der Wasserschutzpolizei die Elbe ab.

Bruder und Vater sind in Hamburg geblieben

Vier Verwandte, darunter Liams Bruder Eamonn und sein Vater, sind in Hamburg geblieben. Sie wollen weiter nach dem Vermissten suchen und hoffen auf die Hilfe der Öffentlichkeit – medial hat der Vermisstenfall auch in Großbritannien bereits ein enormes Echo ausgelöst. Um die mit dem unbeabsichtigten Aufenthalt verbundenen Kosten zumindest teilweise zu decken, haben sie eine Spendenkampagne auf der Online-Spendenplattform GoFundMe gestartet. Allein in der ersten Stunde kamen fast 500 britische Pfund zusammen. In der Hoffnung auf Hinweise haben sie zudem eine Facebook-Seite eingerichtet, die seit Sonntag mehr als 2750-mal geteilt wurde.

Bevor Liam verschwand, trug er eine braune Lederjacke und einen grauen Kapuzenpullover. Er ist 1,82 Meter groß und hat rötliche Haare. Hinweise an die Polizei unter 428 656 789.