Hamburg. Am 22. Februar hat die Kulturbehörde Kritiker und Initiativen zum runden Tisch geladen. Eine zentrale Rolle hat Mieterin Stephanie Krawehl.

Derweil die Stadthöfe als künftiger Besuchermagnet im Zen­trum Hamburgs an Kontur gewinnen, nimmt der Protest gegen einen angeblich würdelosen Umgang mit der Geschichte des Gebäudeensembles nicht ab. Die Kulturbehörde geht jetzt auf die Kritiker zu und hat rund 30 Vertreter verschiedener Initiativen für den 22. Februar zu einem „Gespräch am runden Tisch“ geladen.

Daran teilnehmen wird auch die Buchhändlerin Stephanie Krawehl. Sie eröffnet in den Stadthöfen am 2. Mai einen „Lesesaal“ mit Café. Bestandteil der 250 Quadratmeter umfassenden Fläche wird außerdem der „Ort der Erinnerung“ sein. Bis zur Klärung der Inhalte dieser Gedenkstätte wird es dort eine vorläufige Ausstellung geben.

Möglichst einvernehmliche Gestaltung

Ziel des einberufenen Gesprächskreises ist die möglichst einvernehmliche Gestaltung einer Gedenkstätte. Diese soll an die Historie der Grundstücke nahe dem Rödingsmarkt erinnern: In dem Häuserkomplex Ecke Neuer Wall/Stadthausbrücke befanden sich von der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 bis zur Ausbombung zehn Jahre später das Polizeipräsidium sowie die Leitstellen von Gestapo und Kriminalpolizei. Dort geschah Unrecht zuhauf – und es wurde gefoltert.

Was jahrzehntelang wenig Interesse fand und sich lediglich auf zwei unscheinbaren Wandtafeln widerspiegelte, ruft nun Widerstand hervor. Am 30. Januar hatten sich fast 300 Demonstranten vor Ort versammelt. Dabei stehen die Baumaßnahmen vor der Vollendung. Auf dem Areal zwischen Großen Bleichen und Neuem Wall entsteht ein Quartier mit einem Hotel, fast 40 Geschäften, mehreren Restaurants, rund 15.000 Quadratmetern Bürofläche und 90 Wohnungen. Letztere sind praktisch fertig. Mit Ausnahme des Görtz-Palais am Neuen Wall 86 sollen die Bauarbeiten im Juni abgeschlossen sein.

Mit Protest nicht gerechnet?

Nach Art der Hackeschen Höfe in Berlin-Mitte sind acht Gebäude durch fünf individuell gestaltete Höfe miteinander verbunden. Zuvor war dort die Stadtentwicklungsbehörde ansässig. Unter dem Strich investiert die Hamburger Quantum AG rund 250 Millionen Euro in das Ensemble. Bei einem Ortstermin des Abendblatts am gestrigen Mittwoch war der Fortschritt zu erkennen.

Mit dem Protest war offensichtlich nicht gerechnet worden – zumindest nicht in dieser geballten Form. Der Widerstand mit unverändert hochsensiblem Inhalt stößt auch im Ausland auf Interesse. Ebenso wie das Architekturmagazin „Dezeen“ in den USA berichtete der „Guardian“ in England darüber. Die britische Zeitung zeigte ein Foto des künftigen Eingangs an der Stadthausbrücke. Aufmachung und Schriftart der Begrüßung dort, so meinen Kritiker, ähnele in der Gestaltung an die Tore früherer Konzentrationslager.

„Gestaltung ist instinktlos“

„Diese Gestaltung ist instinktlos“, meint Wolfgang Kopitzsch, in Personalunion Hamburger Landes- und Bundesvorsitzender des „Arbeitskreises ehemals verfolgter und inhaftierter Sozialdemokraten“ (AVS) innerhalb der SPD. „Die Debatte um diese Beschilderung nehmen wir natürlich wahr“, entgegnet Enno Isermann im Namen der Behörde für Kultur und Medien, „wir wären jedoch nicht auf die Idee gekommen, einen solchen Vergleich herzustellen.“

So werden Besucher
künftig von
der Stadthausbrücke auf das Gelände
der Stadthöfe gelangen.
Kritiker
monieren Ähnlichkeit
mit Eingängen
zu Konzentrationslagern
So werden Besucher künftig von der Stadthausbrücke auf das Gelände der Stadthöfe gelangen. Kritiker monieren Ähnlichkeit mit Eingängen zu Konzentrationslagern © HA | Mark Sandten

Den Schritt der Stadt, mit einem Brief der Staatsrätin Jana Schiedek zum großen Gespräch zu laden, begrüßt Kopitzsch dagegen. „Endlich kommt ein Prozess des Dialogs in Gang“, sagt er. „Bisher haben wir keinerlei Informationen über Inhalte und Räumlichkeiten der künftigen Gedenkstätte.“

Eine zentrale Rolle hat Stephanie Krawehl inne. Seit sieben Jahren betreibt sie die Buchhandlung „Lesesaal“ in Eimsbüttel. Damit ist Ende Februar Schluss. Die Literaturwissenschaftlerin machte sich unabhängig von ihrem Buchgeschäft einen Namen in der Kulturszene. Sie organisierte Veranstaltungen im „Jüdischen Salon“ am Grindelhof und beteiligte sich mit einem Büchertisch am Lohseplatz. Von dort hatten die Nazis Menschen in Konzen­trationslager deportiert.

Mietpreis von einem Euro

In den denkmalgeschützten Stadthöfen soll die Erinnerung an Gräueltaten auf dem Gelände mehrfach aufrechterhalten werden. Auf der Brückenarkade, einer Fleetüberquerung, sind Informationen über die mehr als 200-jährige Baugeschichte des Gebäudekomplexes geplant. Thematisiert werden die Bombardements von 1943. In der angeblich von früheren Häftlingen „Seufzergang“ genannten Unterführung soll es Hinweistafeln mit Informationen geben.

Hauptort des Gedenkens ist der „Ort der Erinnerung“ – mit Schaufenstern zur Stadthausbrücke hin. „Wir wollen der Geschichte markant Rechnung tragen“, sagt Stephanie Krawehl. Auf insgesamt 250 Quadratmetern werden die Buchhandlung, ein Café mit 25 Sitzplätzen und die Gedenkstätte untergebracht. Inhalt und Umsetzung soll mit Beratung des Beirates erfolgen. Konkretes soll am 22. Februar vereinbart werden. Fest steht, dass Investor Quantum das Projekt Gedenkstätte komplett finanziell trägt. Frau Krawehl erhält die Fläche zum symbolischen Mietpreis von einem Euro pro Monat.