Hamburg. Nur München ist noch verstopfter. Eine Straße gehört zu den verkehrsreichsten in Deutschland. Warum es noch schlimmer wird.
Neues aus der Freien und Staustadt Hamburg: Einer aktuellen Verkehrsstudie zufolge hat hier jeder Autofahrer im vergangenen Jahr durchschnittlich 44 Stunden im Stau gestanden. Das entspricht einem Anteil von 26 Prozent an der gesamten Fahrzeit – und fünf Stunden mehr als im Jahr 2016.
Nach der Studie, die vom Verkehrsdatenanbieter „Inrix“ vorgelegt wurde, belegt Hamburg damit in Deutschland den unrühmlichen zweiten Platz. Nur in München verlieren die Autofahrer mit 51 Stunden noch mehr Zeit im Stau. Als Grund für die chronisch verstopften Straßen in Hamburg gibt „Inrix“ die große Zahl an Baustellen an, etwa am Wallringtunnel. Nicht nur die City ist betroffen: Den Poppenbütteler Weg in Hummelsbüttel (56.000 Fahrzeuge täglich) zählt die Studie zu den zehn verkehrsreichsten Straßen.
In Zukunft wird es noch mehr Staus geben
Das Ergebnis deckt sich mit Verkehrsanalysen des ADAC. „Das Stauproblem wird in Zukunft noch größer“, sagt ADAC-Sprecher Christian Hieff. Mit dem Ausbau der A7 südlich des Elbtunnels und dem Bau der A26 (Hafenquerspange) drohen neue Stauschwerpunkte. „Innerstädtisch werden wir noch die nächsten zehn Jahre in dem Tempo weitermachen, um die Versäumnisse der Vergangenheit aufzuholen. Daher ist so schnell keine Besserung in Sicht.“
Die Stauprobleme seien von SDP und Grünen hausgemacht, sagt CDU-Verkehrsexperte Dennis Thering: „Die katastrophale Baustellenkoordinierung und die Verlegung von Fahrradwegen auf Hauptverkehrsstraßen sind Gift für den Verkehrsfluss. Hamburg steuert auf einen Verkehrskollaps zu.“
Aber: Wurden vor 2011 rund 50 Millionen Euro in das Straßennetz investiert, hat die SPD nach eigenen Angaben die Mittel für die Straßeninstandsetzung inzwischen verdoppelt. Die Staus führen auch zu hohen wirtschaftlichen Kosten. In Hamburg sind das laut Inrix 3,5 Milliarden Euro pro Jahr. Dieser Wert setzt sich etwa aus dem erhöhten Benzinverbrauch zusammen und beispielsweise der längeren Lieferzeit von Waren. Ein kleiner Trost: Beim Stau-Weltmeister Los Angeles stehen Autofahrer jährlich 102 Stunden lang still.
Nachverdichtung in Hamburg mit wachsenden Bevölkerungszahlen und mehr Mobilität führen zwangsläufig zu höherem Verkehrsaufkommen, so Christian Hieff, ADAC-Sprecher. Lösen könne man das Stauproblem nicht, aber in richtige Bahnen lenken, und zwar durch eine gute Baustellenkoordination. Hamburg sei dabei auf einem guten Weg. Was nicht passieren dürfe: Dass wie in der Vergangenheit auf der A7 und A1 gleichzeitig große Baustellen eingerichtet werden. Hieff: „Damit werden alle Verkehrsadern gleichzeitig gekappt, der Stau ist vorprogrammiert.“
Doppelt so viele Baustellen wie noch vor 20 Jahren
Mehr als zwei Drittel der Staus auf den Autobahnen entstünden laut ADAC allein durch die Baustellen auf der A7. Hinzu kämen innerstädtische Bauarbeiten zur Instandhaltung und Verbesserung der Infrastruktur. „Heute gibt es doppelt so viele Baustellen wie noch vor 20 Jahren“, so Hieff. Hamburg habe zu lange gewartet, um die maroden Straßen zu sanieren.
Mittlerweile investiere Hamburg so viel wie seit Jahren nicht mehr in den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur, sagt Martin Bill, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen Bürgerschaftsfraktion. Genau: Allein für den Ausbau und Erhaltung an Autobahnen hat die Stadt 2007 130 Millionen und 2017 185 Millionen Euro investiert. „Mit der Zunahme an Baustellen sind auch Beeinträchtigungen im Verkehr verbunden“, so Bill. Der Senat erarbeite zukunftsweisende Projekte, um den Verkehr flüssiger zu gestalten. Dazu gehören unter anderem „intelligente Verkehrssteuerung und –lenkung“. Am wichtigsten bleibe aber der Umstieg vom Auto auf das Rad oder den öffentlichen Nahverkehr.
Rad und Bahn nehmen und den Stau umfahren
Martin Bill: „Das hat den Vorteil des Zeitgewinns, der Schonung der Nerven und durch die Bewegung der Förderung der Gesundheit. Und die Allgemeinheit profitiert auch vom Umstieg: Lärm- und Luftbelastungen nehmen ab und auf den Straßen gibt es mehr Platz und damit weniger Staus.“ In dieser Legislaturperiode sollen noch 500 Kilometer Fahrbahn instandgesetzt werden, sagt Martina Koeppen, SPD-Verkehrsexpertin. Die neue digitale Baustellenkoordinierung sorge zudem dafür, dass Baumaßnahmen künftig besser aufeinander abgestimmt sind. Aber klar sei auch: „Baustellen, die niemand merkt, gibt es nicht.“
Im weltweiten Vergleich schneidet Hamburg noch gut ab. So folgen auf Los Angeles Moskau und New York City mit jeweils 91 Stunden im Stau. Im Vergleich der verkehrsreichsten Länder belegt Deutschland Platz 11. Insgesamt umfasst die Analyse den Angaben zufolge das Stauaufkommen von 1360 Städten in 38 Ländern.
So funktioniert die Verkehrsanalyse
Nach Angaben von „Inrix“ wurden Daten aus 300 Millionen unterschiedlichen Quellen ausgewertet. Die "Traffic Scorecard" von "Inrix" ist die umfangreichste Staustudie der Welt. Im Bundesgebeit wurden 73 Städten und großen Ballungsräumen analysiert. Die Kosten, die Staus für deutsche Autofahrer direkt und indirekt verursachten, beliefen sich den Angaben zufolge auf 80 Milliarden Euro. Umgerechnet sind das 1770 Euro für jeden Fahrer. In Würzburg leide die Wirtschaft am meisten: Dort verlieren Autofahrer tagsüber – also außerhalb der Pendlerzeiten am Morgen und frühen Abend – so viel Zeit in Staus wie nirgendwo sonst in Deutschland. Dies habe Auswirkungen auf Geschäfte, Handwerker und den Lieferverkehr
Leicht verbessert hat sich die Lage in Frankfurt, das im bundesweiten Vergleich mit 36 Staustunden auf dem achten Rang liegt. Hier sank die durchschnittliche Stauzeit um zwei Stunden. Wiesbaden kommt mit 32 Staustunden auf den zwölften, Darmstadt mit 26 Stunden auf den 24. Platz.
Die Top-Ten der Verstopfung
Rang | Stadt /Region | Stauzeit 2017 | Vorjahreswert |
1 | München | 51 Stunden | 47 Stunden |
2 | Hamburg | 44 Stunden | 39 Stunden |
3 | Berlin | 44 Stunden | 38 Stunden |
4 | Stuttgart | 44 Stunden | 44 Stunden |
5 | Ruhrgebiet | 40 Stunden | 35 Stunden |
6 | Köln | 40 Stunden | 45 Stunden |
7 | Heilbronn | 38 Stunden | 45 Stunden |
8 | Frankfurt | 36 Stunden | 38 Stunden |
9 | Würzburg | 35 Stunden | 33 Stunden |
10 | Karlsruhe | 34 Stunden | 29 Stunden |