Hamburg. Im April wählt Hamburg-Nord die Nachfolge von Harald Rösler. Mit Petra Wichmann-Reiß wurde jetzt die erste Bewerberin bekannt.
Die Erwartungen wurden entsprechend geschürt: Auf der Einladung stand der Name Katja Suding, und der Ort, an den die Freien Demokraten zum Pressegespräch luden, war das beliebte Ristorante Mario in Eppendorf. Dort wollten sie bekannt geben, welchen Kandidaten für den Bezirksamtsleiterposten sie unterstützen. Die Bewerbungsfrist für die im Sommer aus Altersgründen frei werdende Stelle von Harald Rösler war vergangene Woche abgelaufen.
Vor einer stimmungsvollen Venedig-Kulisse, die jedoch wenig mit Hamburg-Nord zu tun hatte, wurde die Wunschkandidatin der FDP (die im Bezirk Hamburg-Nord zwar rund 300 Mitglieder, in der Bezirksversammlung aber nur Gruppen-Status hat) vorgestellt: Petra Wichmann-Reiß, Jahrgang 1957 und seit 2002 in der Partei, wo sie es zur stellvertretenden Bezirksvorsitzenden der FDP Hamburg-Nord (seit 2009) und zur stellvertretenden Landesvorsitzenden der FDP Hamburg (2011 bis 2013) brachte. „Ich habe schon viel mit Frau Wichmann-Reiß zusammen gearbeitet und schätze ihren politischen Sachverstand und ihre Durchsetzungsfähigkeit“, sagte Katja Suding, Bundestagsabgeordnete der Liberalen.
"Personeller Neuanfang" in Hamburg-Nord
Und Claus-Joachim Dieckow, Sprecher der FDP-Gruppe in der Bezirksversammlung, ergänzte: „Ein Bezirksamtsleiter darf dem Senat nicht allzu hörig sein, sondern muss ihm auch mal die Stirn bieten.“ In der Vergangenheit wären zu wenig vom Senat bereitgestellte Mittel für die Kinder- und Jugend- sowie die Seniorenhilfe im Bezirk angekommen. „Wir brauchen jemanden mit Elan und Ideen. Petra Wichmann-Reiß ist eine durchsetzungsfähige Frau mit dem nötigen Blick von außen.“
„Wir brauchen einen personellen Neuanfang in Hamburg-Nord“, sagte Robert Bläsing, Vorsitzender der dortigen FDP. Petra Wichmann-Reiß sei als „liberale Frau mit Verwaltungs- und Politikerfahrung“ genau die Richtige für „eine lebendige Demokratie in dem von Rot-Grün regierten Bezirk“.
Die Kandidatin ist Fachanwältin für Medizinrecht
Petra Wichmann-Reiß freute sich über die Unterstützung ihrer Partei. „Damit habe ich nicht gerechnet“, sagte die Medizinrechtlerin, die Volkswirtschaft und Jura studiert hat. Als Angestellte im öffentlichen Dienst hatte sie in den 80er- und 90er-Jahren unter anderem im Allgemeinen Krankenhaus (heute Asklepios Klinik) St. Georg, an der Frauenklinik Finkenau, der Juristischen Fakultät der Uni Hamburg und in der Baubehörde gearbeitet. Als Fachanwältin für Medizinrecht hat sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin in den Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zur Elbphilharmonie und zu Yagmur mitgearbeitet.
Im Bezirk Hamburg-Nord sei sie eng verwurzelt, sagt die gebürtige Blankeneserin, die seit 30 Jahren in Hohenfelde lebt. Als größte Herausforderung an der Spitze des Bezirks sehe sie insbesondere die Kinder- und Jugendhilfe, aber auch die Unterstützung der älter werdenden Bevölkerung. „Neben Mobilität innerhalb und außerhalb der Quartiere sowie neuen Wohnformen geht es vor allem um Sicherheit im öffentlichen Raum.“
So müsse wieder ein Bezirklicher Ordnungsdienst (BOD) den Hinweisen aus Bevölkerung und Bezirkspolitik nachgehen. „Das Bezirksamt als bürgernahe Verwaltung darf nicht wegschauen und muss dafür Sorge tragen, dass Hamburg-Nord ein Bezirk bleibt, in dem es sich gut leben, wohnen und arbeiten lässt.“
Am Freitag werden die Bewerbungen gesichtet
Dass sich FDP-Kandidatin Wichmann-Reiß gegen die anderen Bewerber durchsetzen wird, ist nach Ansicht von Thomas Domres, dem SPD-Vorsitzenden von Hamburg-Nord, wegen mangelnder Führungserfahrung eher unwahrscheinlich. „Bei 1200 Beschäftigten ist Learning by Doing nicht drin. Führung muss gekonnt sein, nicht gewollt.“ Einen „eigenen“ Kandidaten hat die rot-grüne Bezirksregierung noch nicht. „Wir kennen die Bewerber noch nicht“, so Michael-Werner Boelz, Vorsitzender der Grünen in Hamburg-Nord.
Am Freitag treffen sich die Fraktionsvorsitzenden des Bezirks, um die Bewerbungen zu sichten. Dann werden die Kandidaten ausgesucht, die ab Ende Februar zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden. Erst dann wollen die anderen Parteien die Kandidaten, die sie unterstützen, öffentlich vorstellen. Auf der Bezirksversammlung im April wird dann der neue Bezirksamtsleiter – oder die neue Bezirksamtsleiterin – gewählt.
Ebenso entscheidend wie Kompetenz und Erfahrung dürfte hierbei die Parteizugehörigkeit sein. Denn eines darf man nicht vergessen: Kurz nach seinem Amtsantritt hat Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sukzessive alle Bezirksamtsleiterposten durch Parteigenossen ersetzt: für Torsten Meinberg (CDU, Harburg) kam Thomas Völsch, auf Jürgen Warmke-Rose (parteilos, Altona) folgte Liane Melzer, und Cornelia Schroeder-Piller (CDU, Wandsbek) wurde von Thomas Ritzenhoff abgelöst. Grünen-Bezirkschef Werner-Boelz fasst es so zusammen: „Die Person muss überzeugen, aber auch die politischen Mehrheiten widerspiegeln.“
So wird der Bezirksamtsleiter bestimmt
Harald Rösler, der Leiter des Bezirksamtes Hamburg-Nord, tritt am 30. Juni in den Ruhestand. Seine Stelle hat der Senat auf Wunsch der Bezirksversammlung Hamburg-Nord im Oktober 2017 öffentlich ausgeschrieben. Insgesamt sind 13 Bewerbungen eingegangen.
Die Bewerbungen werden von Vertretern der Fraktionen unter Leitung von Staatsrätin Bettina Lentz gesichtet, geeignete Kandidaten zu einem Vorstellungsgespräch in der zweiten Februarhälfte eingeladen. Manche Kandidaten können sich eventuell im Bezirk vorstellen.
Die neue Bezirksamtsleitung wird dann von der Bezirksversammlung mehrheitlich dem Senat vorgeschlagen. Die Bestellung erfolgt auf sechs Jahre. Nach dem aktuellen Zeitplan wählt die
Bezirksversammlung voraussichtlich in der ersten Aprilhälfte.