Hamburg. 5,6 Prozent weniger Fälle, 10-Jahres-Tief bei Wohnungseinbrüchen. Polizeipräsident lobt Arbeit der Beamten: “Ganz großes Kino“.

Die Kriminalität in Hamburg ist auch im vergangenen Jahr zurückgegangen: Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik, die Innensenator Andy Grote (SPD), Polizeipräsident Ralf Martin Meyer und Frank-Martin Heise, der Leiter des Landeskriminalamtes, am Freitag vorstellten, sank die Gesamtzahl um 5,6 Prozent auf 225.947 erfasste Straftaten (239.230 im Vorjahr). Die Aufklärungsquote blieb mit 44,4 Prozent annähernd stabil (44,8 Prozent im Vorjahr).

Insgesamt wurden 69.883 Tatverdächtige ermittelt, 54,4 Prozent davon mit deutscher Staatsangehörigkeit. Unter den Tatverdächtigen, die keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, ging der Anteil der Menschen mit Flüchtlingsstatus besonders deutlich um fast 19 Prozent zurück. Das liegt laut Polizei vor allem daran, dass die Zahl der Verstöße gegen Aufenthalts- und Asylgesetze drastisch zurückgegangen sei.

Kriminalität von Flüchtlingen

Sofern Flüchtlinge polizeilich in Erscheinung treten, geschieht die laut Polizei besonders in den Deliktbereichen Ladendiebstahl, einfache Körperverletzung, Erschleichen von Leistungen und allgemeine Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz Nur im letztgenannten Bereich sei ein Anstieg der Tatverdächtigen mit Flüchtlingsstatus erkennbar gewesen.

Zur Kriminalität von nichtdeutschen Tatverdächtigen führt die Polizei aus,dass sich die auf den ersten Blick hohe Zahl relativiere, "wenn man bedenkt, dass Hamburg seit 2014 in nur drei Jahren knapp 40.000 Flüchtlinge zusätzlich aufgenommen hat, insgesamt ca. 50.000 Personen mit Flüchtlingsstatus in Hamburg leben und diese mehrheitlich junge Männer mit unsicheren Zukunftschancen sind."

Während nur etwa ein Drittel der Hamburger Gesamtbevölkerung jünger als 30 Jahre sei, sei dieser Anteil bei der Bevölkerung mit Flüchtlingsstatus deutlich höher (55,7 Prozent). Bei den Tatverdächtigen mit Flüchtlingsstatus steige dieser Anteil erneut auf zwei Drittel (66,6 Prozent). Das erkläre zumindest teilweise, warum Flüchtlinge prozentual häufiger als Deutsche in der Statistik aufträten.

Grote: Sicherheit wächst, nicht Kriminalität

Innensenator Grote zeigte sich zufrieden mit der Polizeiarbeit im vergangenen Jahr: "In einer wachsenden Stadt Hamburg wächst die Sicherheit und eben nicht die Kriminalität." Rein rechnerisch ist Hamburg so sicher wie lange nicht. Grote: "Die Zahl der Straftaten pro 100.000 Einwohner und damit das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, war 2017 so niedrig wie zuletzt vor 37 Jahren. Das ist eine wichtige Nachricht für die Hamburgerinnen und Hamburger, weil gerade im Jahr 2017 die Ausnahmeereignisse des G20-Gipfels und des Messerattentats von Barmbek auch für Verunsicherung gesorgt haben."

In fast allen Bereichen der Kriminalität verzeichnete die Polizei rückläufige Zahlen: Sowohl bei Einbrüchen, Rauben und Diebstählen als auch bei Sexual- und Gewaltverbrechen. Lediglich im Fall von Mord und Totschlag kam es zu einem leichten Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Stark angestiegen sind laut Statistik Betrugsfälle.

Mehr Tötungsdelikte, weniger Vergewaltigungen

Die Zahl der Tötungsdelikte stieg leicht an: 60 Fälle von versuchtem Mord oder Totschlag erfasste die Polizei 2017, in 14 Fällen starb ein Opfer. Die Aufklärungsquote in den 30 Fällen, die als Mord oder Mordversuch gewertet wurden, liegt bei 96,7 Prozent. Laut Polizei sei diese Entwicklung "auch auf den Fall des Attentäters von Barmbek zurückzuführen": Ahmad A. ist wegen des Mordes an einem 50-Jährigen und des Mordversuchs in sechs weiteren Fällen angeklagt.

Schwere Sexualdelikte sind nach einem Anstieg im Vorjahr ebenfalls stark zurückgegangen, insgesamt wurden 136 Fälle von sexuellen Übergriffen durch die Beamten aufgenommen.

Raub und Körperverletzung ebenfalls rückläufig

Einen historischen Tiefstand kann die Polizei bei den Raubdelikten vermelden: 2200 Fälle wurden 2017 erfasst (2447 in 2016). Vor 20 Jahren lag die Zahl mehr als doppelt so hoch. Auch die Zahl der Körperverletzungen ging um mehr als 1000 Fälle zurück: Wurden 2016 noch 22.576 Fälle gemeldet, waren es im vergangenen Jahr nur noch 21.275.

Im gesamten Deliktbereich Diebstahl kann die Polizei stark rückläufige Zahlen melden, die Zahl der Wohnungseinbrüche sank sogar auf ein Zehn-Jahres-Tief: Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl um fast ein Viertel auf nur noch 5769 Fälle (2016:7510). Im Vergleich zu 2015 beträgt der Rückgang sogar mehr als ein Drittel, damals wurden noch 9006 Taten erfasst.

Starker Anstieg bei Betrugsfällen

Stark angestiegen ist der Bereich Betrug: Allein das Segment "sonstiger Betrug", stieg um fast 30 Prozent auf 9390 Fälle an. In dieses fallen sowohl klar definierte Fälle wie Sozialleistungsbetrug oder Computerbetrug als auch Phänomene wie Enkeltrickbetrug oder Betrug durch "falsche Polizeibeamte". Zum drastischen Anstieg erklärt die Polizei, dass vermehrt Fälle aus dem Jahr 2016 erst im vergangenen Jahr bearbeitet wurden. Zudem würden gerade Versuche des Betrugs am Telefon durch "falsche Polizeibeamte" aufgrund des gestiegenen Bekanntheitsgrads dieser Masche vermehrt angezeigt.

Gestiegene Zahlen bei der Rauschgiftdelikte führt die Polizei Hamburg besonders auf die "Taskforce BtM" zurück, die im vergangenen Jahr diverse Schwerpunktkontrollen durchführte: Die meisten erfassten Fälle seien so genannte "Kontrolldelikte", die durch eine polizeiliche Überprüfung festgestellt wurden und ohne diese unbekannt geblieben werden.

Großes Lob für Hamburgs Polizeibeamte

Polizeipräsident Meyer bilanzierte das Polizeijahr positiv: "Wir haben insgesamt die richtigen Schwerpunkte gesetzt." Die enormen Rückgänge besonders in den Diebstahlsbereichen seien "das Ergebnis sehr guter Polizeiarbeit".

Meyer lobte die Hamburger Polizeibeamten ausdrücklich: "Was meine Kollegen im Jahr 2017 trotz G20-Einsatz und bei einer stetig wachsenden Bevölkerung geleistet haben, ist ganz großes Kino!"

CDU und FDP kritisieren Personalpolitik

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion Dennis Gladiator lobte die Leistung der Polizisten ebenfalls, mahnte aber gleichzeitig, man erkaufe sich die "gute Bilanz auf Kosten der Beamten". Zudem verwies er auf die Aufklärungsquote, die verbesserungswürdig sei: "Es braucht mehr Personal, um alle Aufgaben auch ohne dauerhafte Mehrarbeit bewältigen zu können und vor allem, um endlich auch Fortschritte bei der Aufklärungsquote zu machen. Auch wenn der Senator sich lobt, die Gefahr Opfer einer Straftat zu werden sei die niedrigste seit 1980: Die Chance, mit einer Tat davon zu kommen, ist sogar noch etwas besser als im vergangenen Jahr und fast nirgends so groß wie in Hamburg." Alarmierend sei der Anstieg bei den Betrugsdelikten.

Carl Jarchow, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion in der Bürgerschaft, verweist ebenfalls auf die stark gestiegene Zahl von Betrugsfällen: "Hier rächt sich der Fehler des rot-grünen Senats, immer mehr Personal bei der Kriminalpolizei von der Bekämpfung der Massendelikte abzuziehen. Unsere Stadt hat sich inzwischen zum Schlaraffenland für kriminelle Betrüger entwickelt, und das nicht nur beim boomenden Warenkreditbetrug. Wir fordern ein Umsteuern: Der Senat darf die massenhaften Betrugsdelikte nicht länger unter den Tisch fallen lassen.“

Dirk Nockemann, der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, fordert ebenfalls eine personelle Aufstockung bei der Polizei und betont die seines Erachtens "erschreckend hohe" Zahl der nicht-deutschen Tatverdächtigen.