Hamburg. Geplanter Umzug der Brauerei kostet laut Gewerkschaft 70 Stellen. 24-Stunden-Streik soll Geschäftsführung zu Verhandlungen zwingen.
Ungeachtet der großen Streikwelle in der Metall- und Elektroindustrie spielt sich bei der Holsten-Brauerei in Altona derzeit ein eigenes Tarifdrama ab. Bei dem zum dänischen Carlsberg-Konzern gehörenden Unternehmen traten am Mittwoch in der Frühschicht rund 100 Mitarbeiter in einen 24-Stunden-Streik. Später waren es insgesamt rund 200 Beschäftigte. Die Bänder standen daraufhin still. Grund ist der seit Monaten schwelende Tarifkonflikt zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten, der sich im Zusammenhang mit dem geplanten Umzug der Brauerei nach Hamburg-Hausbruch ergibt. Dort wird derzeit eine neue aber kleinere Produktionsstätte gebaut. Ab April 2019 sollen die bekannten Hamburger Marken Holsten und Astra im Süden der Stadt gebraut werden.
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten will für die rund 450 Beschäftigten im Rahmen der Firmenverlegung, die mit Arbeitsplatzabbau verbunden ist, einen Sozialtarifvertrag aushandeln. Das hatte sie bereits Anfang Oktober der Geschäftsführung mitgeteilt. Zu Verhandlungen kam es genau einmal: Mitte November. Seitdem bewegt sich nichts.
Carlsberg will Gespräche führen
Die NGG ging zunächst davon aus, dass 70 Jobs bei dem Umzug auf dem Spiel stehen. Inzwischen befürchtet sie sogar, dass es um 74 Stellen geht. Deshalb kam es Mitte Dezember zu einem mehrstündigen Warnstreik, den Carlsberg Deutschland noch erfolglos per Gerichtsentscheid verbieten wollte. Weil sich seitdem nichts getan hat, wurde der Streik nun auf einen ganzen Tag ausgedehnt. „Ziel ist es, die Härten eines Jobverlustes in einem Sozialtarifvertrag abzufedern. Darin müssen auch faire Abfindungen, die Finanzierung von Qualifizierungs- und Transfermaßnahmen geregelt sein“, sagt Silke Kettner, Geschäftsführerin der NGG Hamburg-Elmshorn. Die Belegschaft werde seit Monaten hingehalten. Selbst eine von der NGG vorgeschlagene Schlichtung sei nicht zustande gekommen, „weil die Geschäftsführung dafür unannehmbare Bedingungen gestellt hat“, so Kettner.
Die Sprecherin von Carlsberg Deutschland, Linda Hasselmann, weist die Darstellung der Gewerkschaft zurück: „Es stimmt nicht, dass die Belegschaft hingehalten wird. Auch die Unternehmensleitung ist an einer schnellen, für alle Beteiligten zufriedenstellenden Lösung interessiert. Deshalb wird es schon morgen Gespräche mit dem Betriebsrat vor der Einigungsstelle geben.“
Die Anrufung der Einigungsstelle war von der Geschäftsführung erzwungen worden, weil sie auf diesem Weg ein schnelles Ende des Konflikts sucht. Der Einigungsstelle gehören Vertreter des Betriebsrats und des Managements an. Den Vorsitz hat eine unabhängige Person, häufig ein Richter des Arbeitsgerichts. Die Regelung der Einigungsstelle ist für beide Seiten verbindlich.
Es stimme nicht, dass 70 oder mehr Arbeitsplätze gestrichen würden, betonte Hasselmann. Mit der modernen Brauerei in Hausbruch würden sich auch die Arbeitsabläufe ändern. „Deshalb wollen wir ein neues Arbeitszeitmodell einführen. Das würde die Zahl der gefährdeten Jobs auf etwa zehn senken“, so Hasselmann. „Von dem neuen Arbeitszeitmodell wird seit Langem geredet. Uns ist aber nichts davon bisher vorgestellt worden“, kontert NGG-Geschäftsführerin Kettner. Das werde nun beim Gespräch vor der Einigungsstelle geschehen, verspricht die Geschäftsführung.
Das Bier geht nicht so schnell aus
„Bei uns erhärtet sich der Verdacht, dass Carlsberg mit dem Tarifpartner gar nicht reden, sondern über die Einigungsstelle schnell eine Entscheidung erzwingen will“, sagt Kettner. „Faire Abfindungen und Sozialplanleistungen müssen aber tariflich festgeschrieben werden.“
Um auf die unsichere Lage der Brauer bei Holsten öffentlich hinzuweisen, startete die NGG eine Aktion, bei der sie öffentlich Postkarten verteilt. Unter anderem macht die Gewerkschaft damit deutlich, dass auch sie einer Teilzeit-Regelung gegenüber offen ist. Sie fordert aber einen fairen Umgang mit den Beschäftigten. „Der Umzug kann nur dann ein Erfolg werden, wenn Holsten auf die erfahrenen Mitarbeiter in Hamburg zählt.“
Geht den Hamburgern wegen des Tarifkonflikts eigentlich das Bier aus? „Nein, das müssen unsere Kunden nicht befürchten“, sagt Hasselmann. „Der Streik hat uns zwar in der Auslieferung um 500.000 bis 600.000 Liter zurückgeworfen. Aber das kann der Getränkehandel kompensieren.“