Hamburg. Mutterkonzern Carlsberg feiert Spatenstich in Hausbruch. Gewerkschaft kritisiert Management und geplanten Stellenabbau.
Es war ein Wetter, bei dem man eher an heißen Tee als an kühles Bier denkt: Heftige Sturmböen wehten die Stellwand mit dem Holsten-Logo und der Computergrafik des künftigen Brauereistandorts um – nur wenige Minuten bevor der erste Spatenstich für den Neubau erfolgte. Und Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) behielt wegen des peitschenden Regens den Mantel an, als er zusammen mit den Carlsberg-Managern Sebastian Holtz und Iain Gow sowie Jens Quade, Nord-Direktionsleiter des Baukonzerns Züblin, zum Spaten griff.
Bis zum Frühjahr 2019 entsteht mitten im Gewerbegebiet in Hamburg-Hausbruch, unweit der Autobahn-Anschlussstelle Moorburg, nach den Worten von Scholz „eine der modernsten Brauereien Europas“. Damit werde Hamburg auf Dauer ein bedeutender Standort dieser Branche bleiben.
Die neue Brauerei soll umweltverträglicher sein
Jährlich eine Million Hektoliter Bier der Marken Holsten und Astra werden künftig im Bezirk Harburg gebraut und nicht mehr in Altona, wo die inzwischen zur dänischen Carlsberg-Gruppe gehörende Holsten-Brauerei im Jahr 1879 gegründet wurde. Heute jedoch sei in Westeuropa die Realisierung einer Produktionsstätte für Bier in dieser Größenordnung eine Seltenheit, sagte Sebastian Holtz, der Chef von Carlsberg Deutschland: „Es werden mehr Brauereien geschlossen, als dass neue Standorte gebaut werden.“
Angesichts der seit Jahren zurückgehenden Absatzmengen sei der Standort in Altona mit einer Produktionskapazität von jährlich drei Millionen Hektolitern zu groß geworden, erklärte Holtz. Zudem ergäben sich aus der Lage mitten in einem dicht besiedelten Stadtteil logistische Probleme: „Wir dürfen dort nachts nicht verladen, und die Lkws stehen wegen des hohen Verkehrsaufkommens häufig im Stau.“
Die neue Brauerei sei umweltverträglicher, ergänzte Iain Gow, in der Carlsberg-Gruppe verantwortlich für die Produktion in Westeuropa: „Wir werden hier weniger Energie und weniger Wasser als zuvor verbrauchen – und es wird ein besserer Arbeitsplatz für die Beschäftigten sein.“
Gewerkschaft übt deutliche Kritik
Doch aus der Sicht der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ist der Spatenstich kein Grund zum Feiern. Silke Kettner, Geschäftsführerin der NGG Hamburg-Elmshorn, spricht von einer „arbeitsmarkpolitischen Baustelle“. Denn mit dem Umzug von der Holstenstraße ins Gewerbegebiet Heykenaukamp im Süden der Stadt würden gut 70 Arbeitsplätze verloren gehen, und die Angebote der Firmenleitung etwa im Hinblick auf Abfindungen seien „deutlich schlechter“ als bei einem früheren Personalabbau. Dies entspreche einer „kalten Carlsberg-Managementtaktik“, so Kettner.
Holtz zeigte sich im Gespräch mit dem Abendblatt verwundert über diese Vorwürfe: „Die Verhandlungen mit der Arbeitnehmerseite sind noch gar nicht abgeschlossen, über Zahlen kann man noch nichts sagen.“ Es sei allerdings immer klar gewesen, dass der Umzug in eine effizientere Brauerei mit einem Stellenabbau verbunden sein würde. „Er wird aber so sozial verträglich wie möglich erfolgen“, sagte Holtz.
Die NGG hatte außerdem kritisiert, das neue Grundstück lasse „so gut wie kein Wachstum zu“. Hierauf entgegnete der Carlsberg-Deutschland-Chef, der Zuschnitt des künftigen Standorts entspreche der langfristigen Absatzplanung des Unternehmens.
Verwaltung bleibt weiterhin in Altona
Tatsache ist: Wie auch in anderen europäischen Ländern nimmt der Bierkonsum in Deutschland stetig ab. Im vorigen Jahr lag der Pro-Kopf-Verbrauch im Inland bei durchschnittlich 104 Litern, im Jahr 2000 waren es noch gut 125 Liter und 1990 fast 143 Liter. Gleichzeitig suchen seit einiger Zeit immer mehr Kleinbrauereien mit sogenanntem „Craft Beer“ nach Marktnischen. Vor diesem Hintergrund sind in Altona schon in den vergangenen Jahren viele Jobs verschwunden: Als Carlsberg im Jahr 2004 Holsten übernahm, hatte die Brauerei rund 800 Beschäftigte, heute sind es noch 450.
Etliche von ihnen werden jedoch weiter in Altona arbeiten, denn die Verwaltung bleibt dort. Sie wird neue Büroflächen auf dem Areal, das nach der Neugestaltung künftig Wohnraum für rund 7500 Menschen bieten soll, beziehen. Darüber hinaus soll auch die „Holsten Brauwelt“, eine Mikro-Brauerei für Spezialitäten, dort bleiben.
Bürgermeister Scholz äußerte sich am Donnerstag in seiner Rede anlässlich des ersten Spatenstichs für den neuen Standort in Hausbruch erfreut darüber, dass die viele Jahrhunderte lange Brautradition in Hamburg fortgesetzt wird. Ein Blick weit zurück zeige: „Das Bier, das wir heute so gern trinken, ist kein Ergebnis der Befolgung des Bayerischen Reinheitsgebots von 1516, sondern hat seinen Ursprung in den wirtschaftlichen Begebenheiten und geschmacklichen Vorstellungen der nordischen Küstenstädte der Hanse.“ In diesem Zusammenhang hatte der Bürgermeister einen erstaunlich anmutenden Fakt zu Hamburg parat: „Zeitweise gab es in der Hansestadt mehr Bierbrauer als Kaufleute.“